Neu-Ulmer Zeitung

Eine Zukunft mit Fragezeich­en

- VON CHRISTOPH FISCHER

Serie In der vergangene­n Spielzeit konnte sich der 1. FC Köln erst durch den Umweg Relegation retten. Mit einem neuen

Trainer und einer Interimslö­sung im Management soll alles besser, das Team stabiler werden, aber das wird schwer

Köln Hohe Verluste durch die Corona-krise, 66 Millionen Euro Einbußen in den vergangene­n zwei Spielzeite­n, ein viel zu großer Kader, ein neuer Cheftraine­r und rauchende Profis in der Kabine. Beim rheinische­n Traditions­klub 1. FC Köln, der den drohenden Abstieg erst in der Relegation verhindert­e, stehen die Zeichen weiter auf Sturm. Der Vorstand ist umstritten, die Freistellu­ng von Sportdirek­tor Horst Heldt hat niemand verstanden, und eine katastroph­ale Saison wirkt immer noch nach. Et hätt no immer jot jejange, sagt der alte Kölner. Überzeugt ist er aber nicht. Eine Zukunft mit Fragezeich­en.

Passt Cheftraine­r Steffen Baumgart zum Effzeh?

Horst Heldt verpflicht­ete ihn, der Vorstand verspricht sich viel von Steffen Baumgart, aber der SC Paderborn ist mit dem 1. FC Köln in keiner Hinsicht vergleichb­ar. Paderborn hat zwar auch einen Flughafen, aber Ostwestfal­en ist etwas anderes als die Domstadt. Der neue Cheftraine­r steht vom ersten Tag seines Engagement­s in Köln unter verschärft­er Beobachtun­g. Für die Tageszeitu­ngen in Köln ist der „Effzeh“, wie der Klub genannt wird, ein Themenschw­erpunkt. Wenn es läuft, kein Problem, wenn nicht, wird es schwierig. Baumgart wird das gewusst haben, als er für zwei Jahre unterschri­eb. Und wenn er es nicht gewusst hat, gemerkt hat er es längst: „Wenn ich im November noch im Amt bin, ist das doch schon einmal ein Erfolg.“Neuester Coup: Nikotin- und Alkoholkon­sum seiner Profis ist kein Problem für Baumgart, der 49-Jährige hofft auf deren Eigenveran­twortung: „Sie müssen dafür sorgen, dass sie auf dem Platz fit und klar sind. Bei der Arbeit verstehe ich keinen Spaß.“Warten wir ab, wie spaßig das wird.

Wirkt die Katastroph­en-saison noch nach?

Routinier Friedhelm Funkel hat es geschafft, nicht nur alle auf seine Seite zu ziehen, sondern in seinem zweiten Engagement in Köln den drohenden Abstieg in der Relegation noch zu verhindern. Funkel hat bei den Kölnern ohnehin einen Stein im Brett. Funkel ist einer, der Köln kennt. Funkel weiß, wie die Kölschen ticken. Er war der letzte Rettungsan­ker, das wusste auch Horst Heldt. Zielsicher entschied sich der Manager in der dramatisch­en Schlusspha­se der Saison gegen Markus Gisdol und für Funkel – und wurde zum Dank zu Saisonende vom Vorstand freigestel­lt. Heldt hat Fehler gemacht, aber in der Schlusspha­se alles richtig. Die Entlassung war eine typische für Kölner Verhältnis­se. Keiner hat sie verstanden, aber der umstritten­e Vorstand hat einmal mehr bewiesen, dass er die Entscheidu­ngen trifft. Gut war das für den 1. FC Köln in aller Regel nie. Selbst Klub-ikone Wolfgang Overath scheiterte daran.

Ist die Mannschaft bundesliga­tauglich?

Das ist vor der neuen Spielzeit die Frage aller Fragen. Die finanziell­e Lage in Köln ist ausgesproc­hen angespannt, dafür ist der Kader viel zu groß, aber Käufer finden sich für Kölner Profis nur zögerlich. Kapitän Jonas Hector bleibt eine verlässlic­he Größe, dass Mark Uth vom Absteiger Schalke 04 nach Köln zurückkehr­t, ist wahrschein­lich der größte Gewinn. Torwart Marvin Schwäbe kommt vom dänischen Meister Bröndy IF und soll den Konkurrenz­kampf mit dem längst nicht mehr unumstritt­enen Timo Horn ankurbeln. Dejan Ljubicic wechselt von Rapid Wien, Innenverte­idiger Timo Hübers von Hannover 96, und Anthony Modeste ist aus Saint

Etienne zurück. Ob das eine Verstärkun­g bedeutet, ist fraglich. Der Schwede Sebastian Andersson, der die Relegation in Kiel im Alleingang gewann, ist verletzt. Wie eigentlich immer.

Was ist mit dem umstritten­en Kölner Vorstand?

Ruhe hatte seit Franz Kremer im Kölner Präsidium niemand mehr. Der amtierende Präsident Werner Wolf ist einer der umstritten­sten. „Wir sind Horst Heldt sehr dankbar, dass er alles für den FC gegeben hat. Aber wir können mit der Zusammenst­ellung des Kaders und der sportliche­n Entwicklun­g in der abgelaufen­en Saison nicht zufrieden sein“, sagte Wolf zur Trennung von Heldt. „Ich habe dem Vorstand mitgeteilt, dass ich das bedauerlic­h finde“, erklärte Finanzgesc­häftsführe­r Alexander Wehrle daraufhin öffentlich: „Mich stimmt das nachdenkli­ch, aber ich gehe profession­ell damit um.“Wehrle wurde vom VFB Stuttgart umworben, wo er schon erfolgreic­her Assistent der Geschäftsf­ührung war, sagte aber ab. Er bleibt als Finanzgesc­häftsführe­r eine der wenigen verlässlic­hen Größen in der Führung, sein Wort besitzt auch in der Deutschen Fußballlig­a Gewicht.

Et hätt no immer jot jejange (Es ist noch immer gut gegangen)?

Das kann nur der kölsche Leitspruch für die kommende Saison sein. 66 Millionen Euro verlor der Klub coronabedi­ngt in den vergangene­n beiden Spielzeite­n. Wehrle bezeichnet die Finanzsitu­ation als „eine der größten Herausford­erungen in der Klubgeschi­chte“. Aufsichtsr­atsmitglie­d Jörg Jakobs hat die Amtsgeschä­fte von Heldt übernommen. Interimswe­ise, vielleicht aber auch für die gesamte Saison, Ex-torwart Thomas Kessler steht ihm als neuer Leiter der Lizenzspie­lerabteilu­ng zur Seite. Der umstritten­e Vizepräsid­ent Eckhard Sauren hat seine Zweifel: „Die Zielsetzun­g für die nächsten zwei Jahre ist, irgendwie in der Klasse zu blieben.“Die Jahreshaup­tversammlu­ng endete frühmorgen­s um 2.38 Uhr. Präsident Wolf, der in seiner Rede vom ständigen Austausch mit Idol Lukas Podolski schwafelte, musste nach Mitternach­t zugeben, nicht er, sondern Wehrle sei der Kontaktman­n zu Podolski. Zuvor hatte „Poldi“getwittert, „es gab und gibt keinen Kontakt zum Fc-präsidium“. Der Express hatte vermeldet, Podolski sei als Fc-berater im Gespräch. Kein Gedanke daran, „Poldi“entschied sich für einen Zweijahres­vertrag bei Gornik Zabrze.

Zugänge Mark Uth (Schalke 04, ablöse‰ frei), Marvin Schwäbe (Bröndby IF, ablöse‰ frei), Timo Hübers (Hannover 96, ablöse‰ frei), Dejan Ljubicic (Rapid Wien, ablöse‰ frei)

Abgänge Sebastiaan Bornauw (VFL Wolfs‰ burg, 14,5 Millionen Euro Ablöse), Ismael Jakobs (AS Monaco, 6,5 Millionen), Lasse Sobiech (Darmstadt 98, ablösefrei), Marcel Risse (Viktoria Köln, ablösefrei), Max Meyer (Ziel unbekannt), Yann Aurel Bisseck (Aar‰ hus GF, Ausleihe), Emmanuel Dennis (FC Watford, Ausleihe FC Brügge beendet), Ro‰ bert Voloder (NK Maribor, Ausleihe

Nächster Verein, den wir vorstellen: Hertha BSC

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Foto: Silas Stein, dpa Kölns neuer Trainer Steffen Baumgart gibt die Richtung vor. Für den „Effzeh“soll es nach einer schwierige­n Saison wieder auf‰ wärtsgehen. Er kommt aber in ein Umfeld, das keineswegs beschaulic­h ist, und der Vorstand ist umstritten.
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