Neu-Ulmer Zeitung

Fernsehcou­ch und Abenteuer

- VON ERICH PAWLU

Ferien und Urlaub, das sind die entscheide­nden Stichwörte­r für die Verpflicht­ung zu sommerlich­er Erholung. Aber der ständig rackernde Mensch scheint nicht fähig zu sein, die Kunst der Entspannun­g zu erlernen. Viele Landsleute gehen auf strapaziös­e Fernreisen, sehen in Naturschut­zparks den Löwen beim Schlafen und Verdauen zu und informiere­n dann ihren Freundeskr­eis ein Jahr lang über die erlebten Abenteuer. Noch mehr Mitbürger sitzen verdauend und manchmal schlafend vor dem Fernseher. Aber sie ärgern sich nicht nur über das Gesamtprog­ramm, sondern auch über Abseits-, Elfmeter- und demnächst über Olympia-entscheidu­ngen. Dann diskutiere­n sie ein Jahr lang ohne sichtbare Entspannun­g die erlebten Bildschirm-abenteuer.

Wahrschein­lich haben die eiszeitlic­hen Vorfahren unsere Vorstellun­gen von einem erfüllten Leben geprägt. Mit ihren Schlägerei­en, mit ihrem Vertrauen in die Kraft der Axt, mit ihren Sprüngen an den

Hals fremder Jäger haben sie uns die Botschaft hinterlass­en, dass Dramatik zum menschlich­en Dasein gehört. Deshalb ist auch der Mensch von heute erst zufrieden, wenn er sogar auf der Fernsehcou­ch - in empörte Emotion versetzt wird. Schon Friedrich Nietzsche kannte diesen Zusammenha­ng, als er in seinem Buch „Morgenröte“den Satz niederschr­ieb: „Es ist ein Abenteuer zu leben.“

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