Neu-Ulmer Zeitung

Das renovierte Bierbähnle rollt bald wieder

- VON OLIVER HELMSTÄDTE­R

Verkehr Über 100 Jahre ist der Wagen Nummer 16 der Stadtwerke Ulm/neu-ulm alt. Frisch renoviert

lässt sich der Oldtimer bald wieder als Bierbähnle mieten

Ulm Älter bedeutet in diesem Fall wartungsfr­eundlicher: In Wagen 16 der Stadtwerke Ulm/neu-ulm (SWU) geht alles noch mechanisch. „Je neuer die Fahrzeuge sind, umso mehr Elektronik steckt drin, umso schwerer ist die Reparatur“, sagt Jürgen Späth, Leiter der Schienenfa­hrzeuge bei den SWU. In diesem Sinne am einfachste­n ist das 1910 erbaute Bierbähnle. Doch ganz so einfach war die Sanierung dann doch nicht.

Um die 20 Ersatzteil­e des über 100 Jahre alten Triebwagen­s fertigte ein Auszubilde­nder von Hand an. Ersatzteil­e für den Wagen liefert der Hersteller, die frühere Gottfried Lindner AG, ein Fahrzeugba­u-unternehme­n in Ammendorf bei Halle (Saale), längst nicht mehr. 1965 ging sie – am Nachkriegs­sitz in Nürnberg – in Konkurs. Wie Späth sagt, wurden durch die SWU auch Verbesseru­ngen an der Konstrukti­on vorgenomme­n, etwa was die Belüftung der Abnehmer auf dem Dach angeht.

Für 250 Euro pro erster Stunde und weiteren 60 Euro für jede weitere halbe Stunde lässt sich der Tram-oldtimer für jedermann und einer maximal 20 Personen umfassende­n Partygesel­lschaft mieten. Der Fahrer ist freilich inklusive. Wie André Dillmann, Geschäftsf­ührer SWU Verkehr, sagt wären etwa 15 der knapp 100 Fahrer der SWU auf diesem Oldtimer geschult. Mit dem Fahrverhal­ten der digitalisi­erten Avenios, dem in Ulm üblichen Straßenbah­nmodell, hat der Oldtimer nicht viel zu tun. „Man braucht viel Gefühl“, sagt Dillmann. Im Oldtimer werde über die manuelle Wegnahme von Widerständ­en in Wagen 16 „gearbeitet“. Wenn zu viel Strom den Rädern zugeführt wird, drehen sie durch. „Das nennen wir Schlupf“, sagt Dillmann.

Mit tatkräftig­er Unterstütz­ung des Vereins Ulmer Nahverkehr­sfreunde unterhalte­n die SWU fünf fahrbereit­e Straßenbah­n-oldtimer und drei Busse der Baujahre 1905 bis 1988 mit 14 bis 46 Sitzplätze­n. „Das ist für uns unbezahlba­res Marketing“, sagt Dillmann. Ums Geldverdie­nen gehe es den Stadtwerke­n hier nicht in erster Linie. „Da bleibt kaum was hängen.“Außer Applaus: Wenn einer der gelben Oldtimer durch Ulm fährt, würden die Menschen regelmäßig Beifall spenden. „Die Ulmer lieben ihre Straßenbah­n.“Durch Corona haben die Vehikel für Geburtstag­e, Hochzeiten und Co lange Pause gehabt. Dillmann hofft, dass es im September wieder losgehen kann. SWU-MANN Späth ist gleichzeit­ig auch Vorsitzend­er der Nahverkehr­sfreunde und nutzte die veranstalt­ungslose Zeit für die Sanierung der alten Nahverkehr­sschätze.

Im Bierbähnle wurde das undicht gewordene Dach repariert und Lackschäde­n ausgebesse­rt. Die traditione­lle Werbetafel wanderte von der Seite aufs Dach, dort wo sie auch ursprüngli­ch war. Statt Jakobs Kaffee und Möbel-seisler – wie auf historisch­en Fotos zu sehen ist, steht dort nun Gold Ochsen. Der alte Sponsor des Bierbähnle­s ist auch der neue. Ulrike Freund, Geschäftsf­ührerin der Brauerei Gold Ochsen, sagte bei der Vorstellun­g des runderneue­rten Bähnles: „Die Bewahrung von Historie und Tradition ist im Hause Gold Ochsen genauso wichtig wie Innovation. Deshalb fördern wir auch den Erhalt der historisch­en Ulmer Straßenbah­n und bieten Fahrten mit dem nostalgisc­hen Gold-ochsen-bierbähnle an.“

Im Gegensatz zu Gold Ochsen ist das Bierbähnle allerdings ein Zugereiste­r: Die erste Indienstst­ellung war in Baden-baden im Jahr 1910. Erst 1954 übernahm Ulm nach einem Umbau den damals schon 44 Jahre alten Triebwagen. Das heutige Bierbähnle fuhr dann bis 1958 auf der Linie 1 zwischen Safranberg und Kuhberg. Dann erfolgte sozusagen das Abstellgle­is als Rangier- und Werkstattw­agen bis das acht Metergefäh­rt 1979 zum Bierbähnle befördert wurde.

Die über 100 Jahre alte Tram kommt nach den Worten von Späth auch problemlos selbst den Eselsberg hoch und kann so also Halt machen an der höchstgele­genen Straßenbah­nhaltestel­le Deutschlan­ds: Die Haltestell­e „Botanische­r Garten“der Straßenbah­n Linie 2 mit 617,8 Höhenmeter­n. Gebucht werden für Ausfahrten in den Oldtimern können sämtliche Streckenab­schnitte der Linien 1 und 2. Um Ulms flüssiges Gold wieder los werden zu können, dürfen bei rollenden Veranstalt­ungen die Toiletten für Swu-beschäftig­te an den Wendeschle­ifen (Science Park, Böfingen, Stadion, Schulzentr­um und Kuhberg) benutzt werden. Vor Corona, so Späth, waren Oldtimer-ausfahrten meist ausgebucht. Um die 190

Fahrten pro Jahr wurden veranstalt­et. Viel mehr sei kaum möglich, erstens weil die Verfügbark­eit der Fahrer begrenzt sei und zweitens, weil die Sonderfahr­ten so eingepasst werden müssen, dass der normale Betrieb möglichst nicht gestört werde.

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Aufgrund der Corona‰pandemie konnten bis auf Weiteres keine Fahrten mit den historisch­en Fahrzeugen der SWU Verkehr gebucht werden. Dank der sich entspannen­den In‰ fektionsla­ge tritt das Fahrangebo­t nach den Sommerferi­en wieder in Kraft.
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Fotos: Alexander Kaya Im restaurier­ten Bierbähnle ist viel Holz zu sehen.

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