Neu-Ulmer Zeitung

Ventilator­en: Der Kompromiss im Klassenzim­mer

- VON RONALD HINZPETER

Corona Landauf, landab wird über mobile Luftfilter für Schulen diskutiert. Die Stadt Neu-ulm geht nun

für ihre Schulen und Kitas einen anderen Weg. Dabei geht es aber nicht nur ums Geld

Neu‰ulm Das Wort der Stunde stammte von Stadtbaudi­rektor Markus Krämer, es lautete „Kompromiss“. In der Debatte über Lüftungsan­lagen für Klassenzim­mer sagte er am Mittwoch im Stadtrat: „Eine perfekte Anlage ist kurzfristi­g nicht machbar.“Deshalb sei es geboten, einen Kompromiss einzugehen. Der lautet in diesem Fall, die Stadt Neu-ulm schafft für ihre Schulen und Kindertage­sstätten Abluftanla­gen an, die relativ einfach und kostengüns­tig zu installier­en sind. Allerdings lässt sie noch eine weitere Möglichkei­t offen.

Um die Virenlast in Klassenzim­mern und Kitaräumen zu eliminiere­n, gibt es verschiede­ne Möglichkei­ten. Die aufwendigs­te wären fest installier­te zentrale Lüftungsan­lagen, doch die sind sehr teuer, verlangen einen hohen Planungsau­fwand und könnten somit keinesfall­s in den nächsten Monaten zur Verfügung stehen. Deshalb hat sich der Stadtrat mit großer Mehrheit für leicht zu installier­ende Lüftungsau­tomaten entschiede­n – eine Anregung, die ursprüngli­ch von den Grünen kam. Die Geräte saugen in Deckennähe die Luft in Klassenund Kitaräumen an und transporti­eren sie durch eine Öffnung in einem Fenster ins Freie. Damit kann die Luft mehrmals pro Stunde komplett ausgetausc­ht werden.

Die Stadt besitzt bereits seit Dezember vergangene­n Jahres solche Anlagen. Sie arbeiten in zwei Räumen der Grundschul­e Gerlenhofe­n. Nach Darstellun­g der Verwaltung sind sie seither täglich in Betrieb. Wartungsko­sten fielen nicht an. Es seien auch positive Nebeneffek­te aufgefalle­n wie der „Abtranspor­t von Gerüchen“sowie die Eindämmung von Grippewell­en. Die Luftqualit­ät sei deutlich besser geworden. Nach Darstellun­g eines Hersteller­s könnten die Anlagen schnell produziert und eingebaut werden. Krämer glaubt, es sei möglich, sie noch bis zum Beginn des nächsten Schuljahre­s zu bekommen. Der Preis für solche Ventilator­en beträgt zwischen 500 und 800 Euro. Damit sind sie deutlich billiger als die zuletzt so intensiv diskutiert­en mobilen Luftfilter, die pro Stück mit rund 4000 Euro zu Buche schlagen.

die ist vom Freistaat ein Zuschuss von maximal 1750 Euro zu erwarten.

Zuletzt hatte sich der Gesamtelte­rnbeirat der Neu-ulmer Schulen dafür eingesetzt, dass die Stadt solche mobilen Filtereinh­eiten anschafft. Innerhalb kurzer Zeit sammelte er rund 900 Unterschri­ften dafür ein. Wie die Verwaltung in ihrer umfangreic­hen Unterlage zur Stadtratss­itzung aufzeigt, sind nicht nur die Anschaffun­gskosten – trotz Förderung durch den Freistaat – enorm. Um mehr als 400 Räume auszustatt­en, wären 1,6 Millionen Euro nötig. Hinzu kämen außerdem hohe Wartungs- und Stromkoste­n. Wörtlich heißt es: „Im Gesamten ist damit zu rechnen, dass die Stadt Neu-ulm mit Unterhalts­kosten zu rechnen hat, die annähernd den Kaufpreis der Geräte erreichen werden.“Allerdings könnten dennoch einige solcher mobilen Luftfilter zum Einsatz kommen, denn der Stadtrat entschied ausdrückli­ch: Wo es möglich sei, kommen „vorranfür gig“Fensterven­tilatoren zum Einsatz. Doch sollte sich das an manchen Stellen als unpraktika­bel erweisen, würden mobile Luftfilter angeschaff­t. Um das jeweils im Einzelfall zu entscheide­n, wird – wie von der CSU angeregt – ein Fachplaner hinzugezog­en, der mit den jeweiligen Leiterinne­n und Leitern von Schulen und Kitas die Zimmer in Augenschei­n nimmt und dann Empfehlung­en abgibt.

In der Debatte, die der Stadtrat diesmal deutlich ruhiger führte als bei der vorangegan­genen Sitzung, betonten verschiede­ne Rednerinne­n und Redner, dass zügig etwas passieren müsse. Oberbürger­meisterin Katrin Albsteiger (CSU) sagte aber: „Was wir auch entscheide­n, eine Garantie für Präsenzunt­erricht kann von uns nicht gegeben werden.“Krämer betonte, vordringli­ch seien erst mal kurzfristi­ge Maßnahmen. Roland Prißnitz (FWG) hatte das Gefühl, „wir diskutiere­n zu viel. Wir müssen jetzt handeln und den Eltern Sicherheit geben“. Zweifel daran, ob die Ventilator­en „so funktionie­ren“, formuliert­e sein Fraktionsk­ollege Andreas Schuler. Ulrich Schäufele (SPD) befürchtet­e einige Nachteile bei den Ventilator­en, etwa, dass die Klassentür­en offenstehe­n müssen, um für Frischluft zu sorgen. Karlmartin Wöhner (Bürgerlist­e) sprach sich zwar auch für schnelles Handeln aus, meinte aber, im Winter werde gut gewärmte Luft aus den Zimmern nach draußen transporti­ert und kühle angesagt, die wieder erwärmt werden müsse: „Was das kostet!“Ralph Seiffert, Dezernatsl­eiter für Bildung, Kultur, Sport und Soziales hielt dagegen: „Alle unsere Maßnahmen werden Energie verbrauche­n. Es wird nichts geben, was keine Belastunge­n mit sich bringt. Alles, was wir tun, ist ein Kompromiss.“

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Foto: Marcus Merk (Symbolbild) Sind mobile Luftfilter in Klassenzim­mern das beste Mittel im Kampf gegen Coronavire­n? Der Neu‰ulmer Stadtrat findet: nein. Er setzt auf eine andere Lösung.

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