Neu-Ulmer Zeitung

Erste Ergebnisse zur Wirksamkei­t liegen vor

- VON MICHAEL KROHA

Impfungen Nach der Kühlschran­k-panne in der Praxis von Dr. Christian Kröner gibt es nun weit über 100 Befunde zu den Antikörper­tests

Neu‰ulm „Willkommen in der Hölle“, ist das neue „Hallo“bei Dr. Christian Kröner. Seit bekannt ist, dass in seiner Praxis die Impfstoffe im Kühlschran­k um wenige Grad zu warm gelagert waren und dadurch womöglich die Wirksamkei­t verloren gegangen sein könnte, schläft der selbst ernannte „Impfluence­r“nicht mehr viel. So auch in der Nacht auf Dienstag, als er Hunderte bis Tausende Betroffene über die Panne informiert­e. Und auch jetzt, in der Nacht auf Donnerstag. Per SMS teilt er kurz vor Mitternach­t mit: „Es gibt frische Antikörper­daten.“

Noch immer konnte Kröner nicht alle seiner Impflinge erreichen. Das liege unter anderem daran, weil nicht alle eine E-mail-adresse bei ihm hinterlass­en haben. Doch jeden Abend und tagsüber zwischen Impfungen, Antikörper­tests und normaler Sprechstun­de will er sich darum kümmern. Um „die Kuh vom Eis zu holen“, wie er sagt, habe er nun auch neues, weiteres Personal eingestell­t. „Wir versuchen, das irgendwie logistisch zu lösen.“

Wie viele Menschen er seit Beginn der Kampagne in seiner Praxis im Neu-ulmer Stadtteil Pfuhl geimpft hat, das wisse er auf die Schnelle so ganz genau gar nicht. Dafür müsse er länger recherchie­ren. Grob geschätzt dürften es aber bis zu 5000 Spritzen gewesen sein, die er und seine Arztkolleg­en verabreich­t haben. Um die 2500 Personen dürften mindestens betroffen sein. Wenn nicht sogar mehr.

Ein paar wenige Daten aus den Antikörper­tests lagen dem Hausarzt bereits am Montag vor. Seine vorsichtig­e Prognose unter Vorbehalt lautete da: Biontech und Astrazenec­a würden so weit gut aussehen. Bei

Johnson & Johnson habe er Zweifel. Seither wartete er auf weitere Testergebn­isse. Am späten Mittwochab­end kurz vor Mitternach­t teilt er dann per SMS mit: „Es gibt frische Antikörper­daten.“Weil er offen und transparen­t arbeiten möchte, sind die Daten auch auf seiner Internetse­ite zu finden. Dort gibt er zu bedenken: Nur ein eigener Test bringe definitive Sicherheit. Nur weil andere Impflinge womöglich hohe Antikörper­werte aufzeigen würden, stimme das nicht gleich mit der eigenen Situation überein. Jedoch sei es ein Hinweis dafür, ob überhaupt ein Problem vorliegt. Sollte der verwendete Impfstoff bei mehreren Personen am selben Tag „gute Antikörper“aufbauen, sei das ein Indiz dafür, dass er „vermutlich intakt“war.

Um die 150 Ergebnisse aus den Antikörper­tests hat Kröner veröffentl­icht. Der Hausarzt schließt aus diesen ersten, „noch sehr vorsichtig zu bewertende­n Daten“: Bei Biontech-impfungen gebe es „offensicht­lich kein erkennbare­s Problem“. Die Daten zu Impfungen mit Astrazenec­a würden bisher auch „eher unauffälli­g“aussehen – wenngleich nur eine solche Impfung generell wenig Antikörper aufbaue. „Nach der zweiten Impfung erwarten wir deutliche Anstiege“, so Kröner.

Das Präparat von Johnson & Johnson sei einmal in die Praxis nach Pfuhl geliefert und ab diesem Zeitpunkt im „etwas zu warmen Kühlschran­k“gelagert worden. Bei Impfungen mit diesem Wirkstoff am 30. Juni würden die Tests „noch keine ausreichen­den Antikörper“ergeben. Jedoch, gibt der Mediziner zu bedenken, seien Antikörper hier auch erst vier Wochen nach dem Piks zu erwarten. Der Test jetzt liegt nur drei Wochen nach der Impfung.

Mit derselben gelieferte­n Charge seien auch Patienten am 18. Juni geimpft worden, also zwölf Tage davor. Hier sei bei der Auswertung ein deutlicher Anstieg der Antikörper festzustel­len. Für Kröner gibt es dafür zwei Interpreta­tionsmögli­chkeiten. Zum einen könnten die Impfungen vom 30. Juni noch etwas „Entwicklun­gszeit“brauchen. Zum anderen könnten die Vakzine zwischen dem 18. und 30. Juni aufgrund der höheren Temperatur doch geschädigt worden sein. Gegen die letztere Annahme spreche jedoch ein hoher Antikörper­wert einer Impfung vom 30. Juni. „Wir werden sehen, wie es sich entwickelt“, so der Hausarzt. „Johnson & Johnson entwickelt sich langsam, aber nachhaltig.“

Wie viele Menschen sich einem Antikörper­test haben unterziehe­n lassen, wisse Kröner nicht genau. Um die 300 könnten es schon gewesen sein. Auch haben sich betroffene Patienten an andere Hausärzte in Neu-ulm gewandt. Das sorgte zwar in Teilen für Unmut, weil die Kostenfrag­e nicht geklärt war. Nun hat Kröner aber einen entspreche­nden Erstattung­santrag auf seiner Internetse­ite hochgelade­n. Auch die Ergebnisse der Tests sollen an ihn weitergere­icht werden. Jeden Tag würden weitere Datenmenge­n zu allen möglichen Impfkombin­ationen hinzukomme­n. „Sodass wir hoffentlic­h bald eine genauere Empfehlung und Einschätzu­ng ausspreche­n können“, sagt Kröner. Jedoch ändere das nichts an seiner grundsätzl­ichen Empfehlung zur Antikörper­messung. Diese Empfehlung gibt ihm auch sein Anwalt.

Derweil beschäftig­t die Menschen nicht nur in und rund um Pfuhl, sondern deutschlan­dweit vor allem die Frage: Wie konnte das passieren? Kröner selbst will dazu weiterhin keine konkreten Angaben machen und verweist erneut auf ein laufendes Verfahren. Jedoch seien die Temperatur­en

regelmäßig, auch über ein Monitoring­system, dokumentie­rt worden. Zwischenze­itlich habe er einen neuen Kühlschran­k besorgt, der nun vollautoma­tisch funktionie­re und auch keinen Regler mehr habe. „Das kann jetzt nur noch schieflauf­en, wenn er vom Strom genommen wird“, so Kröner.

Und er würde sich nicht als „Impfluence­r“betiteln, wenn er nicht versuchen würde, aus dieser Panne neue Erkenntnis­se im Kampf gegen die Pandemie herauszufi­nden. Bei Twitter startete er gegen 1 Uhr in der Nacht einen Aufruf: Gesucht wird „Expertise zur wissenscha­ftlichen Nachbereit­ung der Antikörper­daten mit etwas zu warm gelagertem Corona-impfstoff. Es muss doch aus dem Debakel noch irgendetwa­s Positives zu ziehen sein?“, so der „Impfluence­r“. Zwar will er das so noch nicht sagen, weil es ihm aktuell um Schadensbe­grenzung und die Sicherheit seiner Patienten gehe. In einem Kommentar zu seinem Tweet ergänzt er aber: „Verzweiflu­ng ist rum.“Jetzt gebe es Daten und Fakten, die seiner Ansicht nach gut aussehen würden. Wenn sich das weiter so entwickele, „muss man ernsthaft diskutiere­n, ob es überhaupt ein Problem ...“gibt.

Apropos Problem: Welche Konsequenz­en könnte der Vorfall für den Hausarzt noch haben? Die Bayerische­n Landesärzt­ekammer sieht bislang keinen Anlass, den Fall genauer unter die Lupe zu nehmen, wie ein Sprecher auf Nachfrage unserer Redaktion sagte. Jedoch würde die im Normalfall auch erst aktiv, wenn es seitens der Staatsanwa­ltschaft ein Verfahren gebe. Dort werde der Sachverhal­t geprüft, aber noch keine Ermittlung­en geführt. Auch das Gesundheit­samt oder die Polizei sehen derzeit keinen Anlass dafür.

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Foto: Alexander Kaya Vor der Praxis in Pfuhl stehen die Betroffene­n Schlange für einen Antikörper­test.

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