Erste Ergebnisse zur Wirksamkeit liegen vor
Impfungen Nach der Kühlschrank-panne in der Praxis von Dr. Christian Kröner gibt es nun weit über 100 Befunde zu den Antikörpertests
Neuulm „Willkommen in der Hölle“, ist das neue „Hallo“bei Dr. Christian Kröner. Seit bekannt ist, dass in seiner Praxis die Impfstoffe im Kühlschrank um wenige Grad zu warm gelagert waren und dadurch womöglich die Wirksamkeit verloren gegangen sein könnte, schläft der selbst ernannte „Impfluencer“nicht mehr viel. So auch in der Nacht auf Dienstag, als er Hunderte bis Tausende Betroffene über die Panne informierte. Und auch jetzt, in der Nacht auf Donnerstag. Per SMS teilt er kurz vor Mitternacht mit: „Es gibt frische Antikörperdaten.“
Noch immer konnte Kröner nicht alle seiner Impflinge erreichen. Das liege unter anderem daran, weil nicht alle eine E-mail-adresse bei ihm hinterlassen haben. Doch jeden Abend und tagsüber zwischen Impfungen, Antikörpertests und normaler Sprechstunde will er sich darum kümmern. Um „die Kuh vom Eis zu holen“, wie er sagt, habe er nun auch neues, weiteres Personal eingestellt. „Wir versuchen, das irgendwie logistisch zu lösen.“
Wie viele Menschen er seit Beginn der Kampagne in seiner Praxis im Neu-ulmer Stadtteil Pfuhl geimpft hat, das wisse er auf die Schnelle so ganz genau gar nicht. Dafür müsse er länger recherchieren. Grob geschätzt dürften es aber bis zu 5000 Spritzen gewesen sein, die er und seine Arztkollegen verabreicht haben. Um die 2500 Personen dürften mindestens betroffen sein. Wenn nicht sogar mehr.
Ein paar wenige Daten aus den Antikörpertests lagen dem Hausarzt bereits am Montag vor. Seine vorsichtige Prognose unter Vorbehalt lautete da: Biontech und Astrazeneca würden so weit gut aussehen. Bei
Johnson & Johnson habe er Zweifel. Seither wartete er auf weitere Testergebnisse. Am späten Mittwochabend kurz vor Mitternacht teilt er dann per SMS mit: „Es gibt frische Antikörperdaten.“Weil er offen und transparent arbeiten möchte, sind die Daten auch auf seiner Internetseite zu finden. Dort gibt er zu bedenken: Nur ein eigener Test bringe definitive Sicherheit. Nur weil andere Impflinge womöglich hohe Antikörperwerte aufzeigen würden, stimme das nicht gleich mit der eigenen Situation überein. Jedoch sei es ein Hinweis dafür, ob überhaupt ein Problem vorliegt. Sollte der verwendete Impfstoff bei mehreren Personen am selben Tag „gute Antikörper“aufbauen, sei das ein Indiz dafür, dass er „vermutlich intakt“war.
Um die 150 Ergebnisse aus den Antikörpertests hat Kröner veröffentlicht. Der Hausarzt schließt aus diesen ersten, „noch sehr vorsichtig zu bewertenden Daten“: Bei Biontech-impfungen gebe es „offensichtlich kein erkennbares Problem“. Die Daten zu Impfungen mit Astrazeneca würden bisher auch „eher unauffällig“aussehen – wenngleich nur eine solche Impfung generell wenig Antikörper aufbaue. „Nach der zweiten Impfung erwarten wir deutliche Anstiege“, so Kröner.
Das Präparat von Johnson & Johnson sei einmal in die Praxis nach Pfuhl geliefert und ab diesem Zeitpunkt im „etwas zu warmen Kühlschrank“gelagert worden. Bei Impfungen mit diesem Wirkstoff am 30. Juni würden die Tests „noch keine ausreichenden Antikörper“ergeben. Jedoch, gibt der Mediziner zu bedenken, seien Antikörper hier auch erst vier Wochen nach dem Piks zu erwarten. Der Test jetzt liegt nur drei Wochen nach der Impfung.
Mit derselben gelieferten Charge seien auch Patienten am 18. Juni geimpft worden, also zwölf Tage davor. Hier sei bei der Auswertung ein deutlicher Anstieg der Antikörper festzustellen. Für Kröner gibt es dafür zwei Interpretationsmöglichkeiten. Zum einen könnten die Impfungen vom 30. Juni noch etwas „Entwicklungszeit“brauchen. Zum anderen könnten die Vakzine zwischen dem 18. und 30. Juni aufgrund der höheren Temperatur doch geschädigt worden sein. Gegen die letztere Annahme spreche jedoch ein hoher Antikörperwert einer Impfung vom 30. Juni. „Wir werden sehen, wie es sich entwickelt“, so der Hausarzt. „Johnson & Johnson entwickelt sich langsam, aber nachhaltig.“
Wie viele Menschen sich einem Antikörpertest haben unterziehen lassen, wisse Kröner nicht genau. Um die 300 könnten es schon gewesen sein. Auch haben sich betroffene Patienten an andere Hausärzte in Neu-ulm gewandt. Das sorgte zwar in Teilen für Unmut, weil die Kostenfrage nicht geklärt war. Nun hat Kröner aber einen entsprechenden Erstattungsantrag auf seiner Internetseite hochgeladen. Auch die Ergebnisse der Tests sollen an ihn weitergereicht werden. Jeden Tag würden weitere Datenmengen zu allen möglichen Impfkombinationen hinzukommen. „Sodass wir hoffentlich bald eine genauere Empfehlung und Einschätzung aussprechen können“, sagt Kröner. Jedoch ändere das nichts an seiner grundsätzlichen Empfehlung zur Antikörpermessung. Diese Empfehlung gibt ihm auch sein Anwalt.
Derweil beschäftigt die Menschen nicht nur in und rund um Pfuhl, sondern deutschlandweit vor allem die Frage: Wie konnte das passieren? Kröner selbst will dazu weiterhin keine konkreten Angaben machen und verweist erneut auf ein laufendes Verfahren. Jedoch seien die Temperaturen
regelmäßig, auch über ein Monitoringsystem, dokumentiert worden. Zwischenzeitlich habe er einen neuen Kühlschrank besorgt, der nun vollautomatisch funktioniere und auch keinen Regler mehr habe. „Das kann jetzt nur noch schieflaufen, wenn er vom Strom genommen wird“, so Kröner.
Und er würde sich nicht als „Impfluencer“betiteln, wenn er nicht versuchen würde, aus dieser Panne neue Erkenntnisse im Kampf gegen die Pandemie herauszufinden. Bei Twitter startete er gegen 1 Uhr in der Nacht einen Aufruf: Gesucht wird „Expertise zur wissenschaftlichen Nachbereitung der Antikörperdaten mit etwas zu warm gelagertem Corona-impfstoff. Es muss doch aus dem Debakel noch irgendetwas Positives zu ziehen sein?“, so der „Impfluencer“. Zwar will er das so noch nicht sagen, weil es ihm aktuell um Schadensbegrenzung und die Sicherheit seiner Patienten gehe. In einem Kommentar zu seinem Tweet ergänzt er aber: „Verzweiflung ist rum.“Jetzt gebe es Daten und Fakten, die seiner Ansicht nach gut aussehen würden. Wenn sich das weiter so entwickele, „muss man ernsthaft diskutieren, ob es überhaupt ein Problem ...“gibt.
Apropos Problem: Welche Konsequenzen könnte der Vorfall für den Hausarzt noch haben? Die Bayerischen Landesärztekammer sieht bislang keinen Anlass, den Fall genauer unter die Lupe zu nehmen, wie ein Sprecher auf Nachfrage unserer Redaktion sagte. Jedoch würde die im Normalfall auch erst aktiv, wenn es seitens der Staatsanwaltschaft ein Verfahren gebe. Dort werde der Sachverhalt geprüft, aber noch keine Ermittlungen geführt. Auch das Gesundheitsamt oder die Polizei sehen derzeit keinen Anlass dafür.