„Glaube nicht, dass das eine Katastrophe ist“
Interview Nach der Kühlschrank-panne bei Hausarzt Kröner in Pfuhl sollen Antikörpertests zeigen,
ob die Corona-impfungen wirksam waren. Stiko-chef Mertens ordnet deren Aussagekraft ein
Neuulmpfuhl Nach der Kühlschrank-panne stehen Betroffene seit Tagen Schlange vor der Hausarztpraxis von Dr. Christian Kröner in Pfuhl. Mithilfe von Antikörpertests soll nun überprüft werden, ob die Impfungen – trotz Lagerung der Präparate in einem zu warmen Kühlschrank – wirksam waren. Mehr als 400 Ergebnisse liegen inzwischen vor. Doch was sagen die Tests überhaupt aus? Der Ulmer Virologe Thomas Mertens ist Chef der Ständigen Impfkommission (Stiko). Im Interview spricht er über den Vorfall und ordnet die Antikörpertests sowie deren Werte ein.
Herr Mertens, was haben Sie von der Kühlschrank-panne beim Pfuhler Hausarzt mitbekommen?
Mertens: Mir ist der Fall durch ein Rundschreiben der Bezirksärztekammer bekannt. Aber ich habe derzeit auch andere Baustellen als einen Kühlschrank in Neu-ulm. Wobei ich nicht glaube, dass das jetzt eine wirkliche Katastrophe ist. Im Einzelfall bekommt man das aber nur heraus, wenn man testet, ob man Antikörper oder eine T-zellimmunität nach der Impfung hat. Aber die T-zell-immunität lässt sich routinemäßig nicht nachweisen.
Antikörpertests lässt Dr. Kröner gerade durchführen. Aber was sagen diese Tests überhaupt aus?
Mertens: Dank Studien wissen wir ganz gut, welche Antikörper ein Mensch braucht, um zu erfahren, dass das Immunsystem auf die Impfung reagiert hat. Dabei geht es aber nicht um die quantitative Betrachtung der Werte. Zunächst reicht es aus, ob überhaupt welche erzeugt wurden. Das ist eine erste, wichtige Aussage.
Ich kann ja aber auch Antikörper haben, wenn ich Corona hatte – also quasi als genesen gelte.
Mertens: Diese Antikörper unterscheiden sich aber. Und dank Fachlabors können wir diese unterschiedlichen Antikörper auch bei einer Untersuchung feststellen. Und somit auch, ob diese durch eine Infektion oder eine Impfung entstanden sind. Wenn Sie zum Beispiel nur Antikörper gegen das sogenannte Spike-protein haben, wurden sie geimpft. Haben Sie auch Antikörper gegen das Nucleoprotein des Virus, dann wissen wir, Sie waren infiziert.
Dr. Kröner gibt auf seiner Internetseite bei den Ergebnissen der Antikörpertests auch konkrete Werte an. Bei Biontech sind die meist viel höher als bei Astrazeneca oder Johnson & Johnson. Manche haben einen Wert von 9, andere mehr als 384.
Mertens: Für eine virologische Untersuchung sollten die Tests mindestens erst drei oder vier Wochen nach
der Impfung stattfinden. So lange dauert es, bis der Immunprozess abgeschlossen ist. Erst dann sind sie verlässlich. Eine Erkenntnis dazu, wie viele Antikörper jemand genau haben muss, um vor Erkrankung geschützt zu sein, gibt es international nicht. Was wir messen können, ist aber, dass eine Immunantwort stattgefunden hat. Nämlich dann, wenn Antikörper vorhanden sind. Was man nicht sagen kann: Wer so und so
viel Antikörper hat, hat auch so oder so viel Schutz. Die Menge der Antikörper korreliert nicht streng mit dem Schutz vor Erkrankung. Jedoch zeigen Studien, dass Menschen, die geimpft sind – gemessen auch an der Tatsache, dass sie Antikörper haben -, statistisch zu 94 Prozent vor einer Erkrankung geschützt sind.
Gibt es Unterschiede bei den Impfstoffen hinsichtlich der Antikörper?
Mertens: Meistens werden bei Biontech mehr Antikörper produziert als bei Astrazeneca. Auch bei Johnson & Johnson werden ähnlich viele Antikörper gebildet.
Wenn jetzt jemand bei Johnson & Johnson nur einen Wert von neun hat. Muss er sich Sorgen machen oder hat er Anspruch auf eine erneute Impfung? Mertens: Wenn ich gut messbare Antikörper habe – egal wie viele genau
-, würde ich mir da im Augenblick keinen großen Kopf machen und mich auch nicht aufregen. Derzeit hätte man aber auch keinen Anspruch auf eine erneute Impfung. Ein solcher Fall ist nicht definiert. Man muss dazu sagen, dass wir auch wenige Fälle kennen, wo nach zwei Impfungen – trotz perfekter Lagerung in einem kühlen Kühlschrank – keine Antikörper gebildet wurden. Solche Fälle gibt es auch.