Neu-Ulmer Zeitung

„Glaube nicht, dass das eine Katastroph­e ist“

- VON MICHAEL KROHA

Interview Nach der Kühlschran­k-panne bei Hausarzt Kröner in Pfuhl sollen Antikörper­tests zeigen,

ob die Corona-impfungen wirksam waren. Stiko-chef Mertens ordnet deren Aussagekra­ft ein

Neu‰ulm‰pfuhl Nach der Kühlschran­k-panne stehen Betroffene seit Tagen Schlange vor der Hausarztpr­axis von Dr. Christian Kröner in Pfuhl. Mithilfe von Antikörper­tests soll nun überprüft werden, ob die Impfungen – trotz Lagerung der Präparate in einem zu warmen Kühlschran­k – wirksam waren. Mehr als 400 Ergebnisse liegen inzwischen vor. Doch was sagen die Tests überhaupt aus? Der Ulmer Virologe Thomas Mertens ist Chef der Ständigen Impfkommis­sion (Stiko). Im Interview spricht er über den Vorfall und ordnet die Antikörper­tests sowie deren Werte ein.

Herr Mertens, was haben Sie von der Kühlschran­k-panne beim Pfuhler Hausarzt mitbekomme­n?

Mertens: Mir ist der Fall durch ein Rundschrei­ben der Bezirksärz­tekammer bekannt. Aber ich habe derzeit auch andere Baustellen als einen Kühlschran­k in Neu-ulm. Wobei ich nicht glaube, dass das jetzt eine wirkliche Katastroph­e ist. Im Einzelfall bekommt man das aber nur heraus, wenn man testet, ob man Antikörper oder eine T-zellimmuni­tät nach der Impfung hat. Aber die T-zell-immunität lässt sich routinemäß­ig nicht nachweisen.

Antikörper­tests lässt Dr. Kröner gerade durchführe­n. Aber was sagen diese Tests überhaupt aus?

Mertens: Dank Studien wissen wir ganz gut, welche Antikörper ein Mensch braucht, um zu erfahren, dass das Immunsyste­m auf die Impfung reagiert hat. Dabei geht es aber nicht um die quantitati­ve Betrachtun­g der Werte. Zunächst reicht es aus, ob überhaupt welche erzeugt wurden. Das ist eine erste, wichtige Aussage.

Ich kann ja aber auch Antikörper haben, wenn ich Corona hatte – also quasi als genesen gelte.

Mertens: Diese Antikörper unterschei­den sich aber. Und dank Fachlabors können wir diese unterschie­dlichen Antikörper auch bei einer Untersuchu­ng feststelle­n. Und somit auch, ob diese durch eine Infektion oder eine Impfung entstanden sind. Wenn Sie zum Beispiel nur Antikörper gegen das sogenannte Spike-protein haben, wurden sie geimpft. Haben Sie auch Antikörper gegen das Nucleoprot­ein des Virus, dann wissen wir, Sie waren infiziert.

Dr. Kröner gibt auf seiner Internetse­ite bei den Ergebnisse­n der Antikörper­tests auch konkrete Werte an. Bei Biontech sind die meist viel höher als bei Astrazenec­a oder Johnson & Johnson. Manche haben einen Wert von 9, andere mehr als 384.

Mertens: Für eine virologisc­he Untersuchu­ng sollten die Tests mindestens erst drei oder vier Wochen nach

der Impfung stattfinde­n. So lange dauert es, bis der Immunproze­ss abgeschlos­sen ist. Erst dann sind sie verlässlic­h. Eine Erkenntnis dazu, wie viele Antikörper jemand genau haben muss, um vor Erkrankung geschützt zu sein, gibt es internatio­nal nicht. Was wir messen können, ist aber, dass eine Immunantwo­rt stattgefun­den hat. Nämlich dann, wenn Antikörper vorhanden sind. Was man nicht sagen kann: Wer so und so

viel Antikörper hat, hat auch so oder so viel Schutz. Die Menge der Antikörper korreliert nicht streng mit dem Schutz vor Erkrankung. Jedoch zeigen Studien, dass Menschen, die geimpft sind – gemessen auch an der Tatsache, dass sie Antikörper haben -, statistisc­h zu 94 Prozent vor einer Erkrankung geschützt sind.

Gibt es Unterschie­de bei den Impfstoffe­n hinsichtli­ch der Antikörper?

Mertens: Meistens werden bei Biontech mehr Antikörper produziert als bei Astrazenec­a. Auch bei Johnson & Johnson werden ähnlich viele Antikörper gebildet.

Wenn jetzt jemand bei Johnson & Johnson nur einen Wert von neun hat. Muss er sich Sorgen machen oder hat er Anspruch auf eine erneute Impfung? Mertens: Wenn ich gut messbare Antikörper habe – egal wie viele genau

-, würde ich mir da im Augenblick keinen großen Kopf machen und mich auch nicht aufregen. Derzeit hätte man aber auch keinen Anspruch auf eine erneute Impfung. Ein solcher Fall ist nicht definiert. Man muss dazu sagen, dass wir auch wenige Fälle kennen, wo nach zwei Impfungen – trotz perfekter Lagerung in einem kühlen Kühlschran­k – keine Antikörper gebildet wurden. Solche Fälle gibt es auch.

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Foto: Kay Nietfeld/dpa Der Virologe Thomas Mertens aus Ulm ist Vorsitzend­er der Ständigen Impfkommis­sion.
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SAMSTAG, 24. JULI 2021

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