Impfpanne ist die Hölle des Dr. Kröner
Wahrscheinlich möchte gerade niemand in der Haut des Pfuhler Hausarztes und selbst ernannten „Impfluencers“Dr. Christian Kröner stecken. Er hat in den vergangenen Tagen nach seiner von ihm selbst bekannt gemachten Kühlschrank-panne etwas erlebt, das er selbst als Hölle bezeichnet. Er ist damit Opfer eines von seiner Praxis selbst verschuldeten Fehlers geworden, nämlich Impfstoffe zu warm gelagert zu haben, aber auch unserer hypererregbaren Gesellschaft. Ja, durch seinen missionarischen Eifer für das Impfen hat er sich immer weiter in die Öffentlichkeit begeben, ist in gewisser Weise sogar zu einem Medienstar geworden. Das hat natürlich auch damit zu tun, dass wir Medien gerne über jemanden berichten, der unerschrocken für eine Sache kämpft und dabei auch tatsächliche oder vermeintliche Missstände anprangert. Haben wir es damit übertrieben?
Vielleicht. Das hat auch mit den Mechanismen der modernen Medienwelt zu tun, in denen man sich zunehmend gegenseitig hochschaukelt: Jetzt ist diese Zeitung auf das Thema eingestiegen, jetzt jener Fernsehsender, jetzt ist das Ganze bei Lanz – da müssen wir doch auch ... Und nun der Absturz. Ja, darüber müssen wir ebenfalls berichten, denn solch ein Fall von Impfpanne ist bisher noch nicht bekannt geworden. Aber wir tun das ohne Häme, die sich nun in diversen Online-kanälen über ihn ergießt. Die ist abstoßend und auf keinen Fall angebracht. Bei Kröner ist etwas schiefgegangen, das ist tragisch. So etwas sollte nicht passieren, aber nun ist es geschehen. Schlimm.
Oder besser: halb so schlimm. Kröner hat es nicht einfach dabei belassen, sich gegen die Brust zu klopfen und „mea culpa!“zu rufen, sondern aus eigenem Antrieb Antikörpertests veranlasst, um festzustellen, ob seine Patientinnen und Patienten ein unwirksames Präparat bekommen haben oder nicht. Das ist verantwortungsvoll und ehrenwert. So wie es der Ulmer Virologe Thomas Mertens, Chef der Ständigen Impfkommission (Stiko), im Gespräch mit unserer Redaktion bewertet, scheint das falsch gelagerte Vakzin dennoch zu wirken. Damit wäre die ganze Aufregung wohl nur ein Sturm im Wasserglas gewesen, oder – um im Bild zu bleiben – der Impfampulle. Den Betroffenen wäre es zu wünschen.
Wenn sich der Sandsturm der Entrüstung wieder gelegt hat, ist der Blick wieder frei für das Wesentliche: Es muss mehr geimpft werden, um die vierte Welle im Herbst zu verhindern. Der Landkreis Neu-ulm versucht, mit dem Impfmobil sozusagen den Stoff zu den Menschen zu bringen. Das ist gut so, auch wenn sich damit nicht unbedingt die Massen erreichen lassen: Bei bisher vier Stopps wurden im Vakzinomobil rund 200 Dosen verabreicht – nicht sehr viel, zumal ein Viertel davon Zweitimpfungen waren. Dennoch: Gut, dass diese Möglichkeit besteht, um der wachsenden Impfmüdigkeit zumindest ein bisschen was entgegenzusetzen. Bei der Zweitimmunisierung liegt der Landkreis mit 45,3 Prozent unter dem Schnitt von Bayern (46,1) und Deutschland (48,5). Da ist also noch Luft nach oben.