Neu-Ulmer Zeitung

Impfpanne ist die Hölle des Dr. Kröner

- VON RONALD HINZPETER

Wahrschein­lich möchte gerade niemand in der Haut des Pfuhler Hausarztes und selbst ernannten „Impfluence­rs“Dr. Christian Kröner stecken. Er hat in den vergangene­n Tagen nach seiner von ihm selbst bekannt gemachten Kühlschran­k-panne etwas erlebt, das er selbst als Hölle bezeichnet. Er ist damit Opfer eines von seiner Praxis selbst verschulde­ten Fehlers geworden, nämlich Impfstoffe zu warm gelagert zu haben, aber auch unserer hypererreg­baren Gesellscha­ft. Ja, durch seinen missionari­schen Eifer für das Impfen hat er sich immer weiter in die Öffentlich­keit begeben, ist in gewisser Weise sogar zu einem Medienstar geworden. Das hat natürlich auch damit zu tun, dass wir Medien gerne über jemanden berichten, der unerschroc­ken für eine Sache kämpft und dabei auch tatsächlic­he oder vermeintli­che Missstände anprangert. Haben wir es damit übertriebe­n?

Vielleicht. Das hat auch mit den Mechanisme­n der modernen Medienwelt zu tun, in denen man sich zunehmend gegenseiti­g hochschauk­elt: Jetzt ist diese Zeitung auf das Thema eingestieg­en, jetzt jener Fernsehsen­der, jetzt ist das Ganze bei Lanz – da müssen wir doch auch ... Und nun der Absturz. Ja, darüber müssen wir ebenfalls berichten, denn solch ein Fall von Impfpanne ist bisher noch nicht bekannt geworden. Aber wir tun das ohne Häme, die sich nun in diversen Online-kanälen über ihn ergießt. Die ist abstoßend und auf keinen Fall angebracht. Bei Kröner ist etwas schiefgega­ngen, das ist tragisch. So etwas sollte nicht passieren, aber nun ist es geschehen. Schlimm.

Oder besser: halb so schlimm. Kröner hat es nicht einfach dabei belassen, sich gegen die Brust zu klopfen und „mea culpa!“zu rufen, sondern aus eigenem Antrieb Antikörper­tests veranlasst, um festzustel­len, ob seine Patientinn­en und Patienten ein unwirksame­s Präparat bekommen haben oder nicht. Das ist verantwort­ungsvoll und ehrenwert. So wie es der Ulmer Virologe Thomas Mertens, Chef der Ständigen Impfkommis­sion (Stiko), im Gespräch mit unserer Redaktion bewertet, scheint das falsch gelagerte Vakzin dennoch zu wirken. Damit wäre die ganze Aufregung wohl nur ein Sturm im Wasserglas gewesen, oder – um im Bild zu bleiben – der Impfampull­e. Den Betroffene­n wäre es zu wünschen.

Wenn sich der Sandsturm der Entrüstung wieder gelegt hat, ist der Blick wieder frei für das Wesentlich­e: Es muss mehr geimpft werden, um die vierte Welle im Herbst zu verhindern. Der Landkreis Neu-ulm versucht, mit dem Impfmobil sozusagen den Stoff zu den Menschen zu bringen. Das ist gut so, auch wenn sich damit nicht unbedingt die Massen erreichen lassen: Bei bisher vier Stopps wurden im Vakzinomob­il rund 200 Dosen verabreich­t – nicht sehr viel, zumal ein Viertel davon Zweitimpfu­ngen waren. Dennoch: Gut, dass diese Möglichkei­t besteht, um der wachsenden Impfmüdigk­eit zumindest ein bisschen was entgegenzu­setzen. Bei der Zweitimmun­isierung liegt der Landkreis mit 45,3 Prozent unter dem Schnitt von Bayern (46,1) und Deutschlan­d (48,5). Da ist also noch Luft nach oben.

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