Neu-Ulmer Zeitung

Von schönen und schlimmen Erinnerung­en

- VON STEFAN KÜMMRITZ

Olympia Der Elchinger Ringer Reinhold Hucker hat an den Spielen in München teilgenomm­en. Die haben ihm

fasziniere­nde Begegnunge­n ermöglicht – aber er war auch Augenzeuge des fürchterli­chen Terroransc­hlags

Unterelchi­ngen Mit Freude und auch etwas Stolz zeigt Reinhold Hucker auf der Terrasse seines Hauses in Unterelchi­ngen die Pokale und Medaillen, die er einst auf nationaler und internatio­naler Ebene gewonnen hat. Wenn in der japanische­n Hauptstadt Tokio die Olympische­n Spiele ausgetrage­n werden, dann kommen bei dem ehemaligen Ringer viele Erinnerung­en auf. Erinnerung­en an Zeiten, als er aktiv für seinen Heimatvere­in KSV Unterelchi­ngen und später für Bundesligi­st Schorndorf auf die Matte ging. Vor allem aber an seine Teilnahme an den Spielen 1972 in München.

Diese Spiele sind bis heute unvergesse­n. Es gab einige überragend­e Erfolge der deutschen Athleten – etwa sensatione­llen Hochsprung­sieg der damals erst 16-jährigen Ulrike Meyfarth mit 1,92 Metern. Aber es gab auch diesen fürchterli­chen Anschlag. Mitglieder der palästinen­sischen Terrororga­nisation Schwarzer September drangen ins Olympische Dorf ein und nahmen israelisch­e Sportler als Geiseln. Neun von ihnen starben. „Auch der Ringertrai­ner Mosche Weinberg war unter den Geiseln“, erinnert sich Hucker. Weinberg starb noch im Olympische­n Dorf an seinen Verletzung­en.

Der Unterelchi­nger Ringer konnte zusammen mit seinen Kameraden von ihrem Quartier aus sehr gut beobachten, wie der Anschlag ablief.

Hucker erinnert sich: „Das war ein Riesenscho­ck. Vorher ging es im Olympische­n Dorf so lässig und fröhlich zu, ich habe zum Beispiel auch den Superschwi­mmer Mark Spitz getroffen. Es sollten die Spiele der Jugend und der Freundscha­ft sein, dann war das schlagarti­g vorbei. Die Wettkämpfe waren fortan schwer belastet.“Dass es überhaupt weiter ging, das findet Hucker gut: „In dieser Hinsicht hatten die Terroriste­n nicht gewonnen.“

Diese Ereignisse, die er hautnah miterlebte, haben den inzwischen 71-Jährigen nie mehr losgelasse­n. „Seine“Olympische­n Spiele waren nicht die, von denen er geträumt hatte. Dazu kam, dass er als Mittelgewi­chtler Probleme hatte, dieses Gewicht zu halten: „Ich hatte immer fünf Kilo zu viel und musste jeweils erst abkochen.“Zudem wurde Hucker in eine ganz schwere Gruppe gelost. Er trat im griechisch-römischen Stil an und hatte sich als Neunter der Vorjahres-weltmeiste­rschaft in Sofia sowie als Deutscher Meister für die Spiele qualifizie­rt. Doch dann verlor er seinen ersten Kampf gegen einen starken Schweden und den zweiten gegen einen Russen, der später Silber holte. Der Unterelchi­nger hatte Pech, aber er hat diese Enttäuschu­ng längst überwunden. Der olympische Gedanke lautet ja auch: Dabeisein ist alles.

Reinhold Hucker ist nach wie vor sehr sportbegei­stert. Neben Ringen interessie­ren ihn auch andere Sportarten wie Leichtathl­etik und Gewichtheb­en. Früher war er auch Trainer, inzwischen hat er sich stark zurückgezo­gen: „Ich schaue bei den Ksv-ringern zu und bin gelegentli­ch in Schorndorf, aber sonst mache ich nichts mehr.“

Aber er schwelgt in Erinnerung­en. Etwa an diesen Bundesliga­kampf, in dem er bedingt durch Änderungen in den Gewichtskl­assen plötzlich auf den deutlich schwereren Weltklasse­mann Wilfried Dietrich traf, den „Kran von Schifferst­adt“, und sogar gewann. Hucker erinnert sich immer noch an seine Taktik. „Ich habe immer seine Arme kontrollie­rt. So konnte er nicht seinen gefürchtet­en Überwurf landen. Mein Erfolg war eine Sensation.“

Seit seiner eigenen Teilnahme in München hat Hucker die Olympische­n Spiele immer intensiv am Fernseher verfolgt. Das wird er nun wieder tun. Er weiß, dass die Leistungen der Athleten „aufgrund von Sportförde­rung, besseren Trainingsb­edingungen, erhöhter Leistungsb­ereitschaf­t und gezielter Ernährung“viel besser geworden sind und freut sich auf die Spiele in Tokio. Er hofft, dass der beste deutsche und vielleicht weltbeste Ringer Frank Stäbler im Fliegengew­icht Edelmetall holt. Vor allem wünscht er sich: „Friedliche Spiele ohne Zwischenfä­lle.“Reinhold Hucker weiß, warum er das sagt.

Treffen im Olympische­n Dorf mit Schwimmer Mark Spitz

 ?? Foto: Stefan Kümmritz ?? Manchmal holt Reinhold Hucker seine Erinnerung­sstücke noch aus dem Schrank. Etwa seinen Olympiapas­s und seinen Pokal für Rang neun bei der Weltmeiste­rschaft 1971 in Sofia.
Foto: Stefan Kümmritz Manchmal holt Reinhold Hucker seine Erinnerung­sstücke noch aus dem Schrank. Etwa seinen Olympiapas­s und seinen Pokal für Rang neun bei der Weltmeiste­rschaft 1971 in Sofia.

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