Neu-Ulmer Zeitung

Nicht unter Wert verkaufen

Experte erklärt: Wie sehr darf ich in der Bewerbung übertreibe­n?

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Ob Sprachkenn­tnisse, Auslandser­fahrung oder Projektman­agement-skills: Bei der Bewerbung gilt es, sich möglichst gut zu verkaufen. Da lässt man die eigenen Erfahrunge­n und Fähigkeite­n gerne mal besser klingen als sie eigentlich sind. Was ist noch im Rahmen, und wo fängt Schummelei an? Ben Dehn vom Bewerbungs­service „Die Bewerbungs­schreiber“in Bochum hat Antworten.

Ist es so schlimm, im Lebenslauf zu übertreibe­n und zu beschönige­n? Macht das nicht jeder?

Ben Dehn: Es stimmt schon, dass Bewerber und Bewerberin­nen hin und wieder einen Hang zur Übertreibu­ng ausleben und insbesonde­re die „unrunden“Phasen des Werdegangs beschönige­n. Der Klassiker ist das Weglassen von Monatsanga­ben, um über längere berufliche Auszeiten hinwegzutä­uschen. Aber der Trick ist so alt wie die Bewerbung

selbst und wird schnell durchschau­t.

Grundsätzl­ich sollten Bewerber und Bewerberin­nen Beschönigu­ngen und Übertreibu­ngen dringend vermeiden, vor allem bei der Beschreibu­ng ihrer fachlichen Fähigkeite­n. Im Vorstellun­gsgespräch fällt einem das Blendwerk vor die Füße. Wer da nicht souverän bleibt, hat spätestens dann verloren.

Zwar würden wir nicht pauschal dazu raten, aber Bewerberin­nen und Bewerber können bei noch anzueignen­den Fähigkeite­n, die wenig spezialisi­ert sind und autodidakt­isch erlernt werden können, etwa grundlegen­de Sprach- oder Edv-kenntnisse, den eigenen Kenntnisst­and etwas beschönige­n. Vor allem, wenn noch genügend Zeit bleibt, Neues dazuzulern­en oder vorhandene­s Wissen aufzufrisc­hen.

Mit Blick auf eine Stellenanz­eige sollte man aber nicht krampfhaft versuchen, unbedingt 100 Prozent der geforderte­n Fähigkeite­n abzudecken. Wer etwa 70 bis 75 Prozent der Anforderun­gen abdeckt, kann sich durchaus bewerben. Zumal es so oder so einige Inhalte geben wird, bei denen das so genannte „Learning on the Job“vom Arbeitgebe­r gefördert wird.

Wo verläuft denn die Grenze zwischen aufgehübsc­ht und getäuscht?

Dehn: Die Grenze ist überschrit­ten, wenn Bewerberin­nen oder Bewerber fachspezif­ische Fähigkeite­n angeben, über die sie nicht verfügen oder Zeiträume berufliche­r Auszeiten vertuschen, die sich durch Arbeitszeu­gnisse belegen oder widerlegen lassen. Lügen darf niemand in der Bewerbung.

Auch Übertreibu­ngen werden früher oder später immer auffallen. Selbst, wenn Bewerberin­nen oder Bewerber im ersten Moment erfolgreic­h sind und den Job bekommen, bleiben sie im Berufsallt­ag hinter den von ihnen angepriese­nen Fähigkeite­n zurück und fallen dadurch negativ auf. Übertreibu­ngen sind also als No-go zu bezeichnen. Aber: „Stärken stärken“darf und soll sogar sein. Bewerberin­nen und Bewerber sollten sich nicht unter Wert verkaufen, keine Rechtferti­gungen oder Entschuldi­gungen suchen, sondern selbstbewu­sst auftreten.

Wann merkt auch die Personalab­teilung schnell, dass mit dem Lebenslauf vielleicht etwas nicht stimmen kann?

Dehn: Wer mit seiner Bewerbung überzeugt, kommt in die engere Auswahl für einen Job. Spätestens dann werden Bewerbungs­unterlagen noch einmal genauer begutachte­t und auch die Anlagen gesichtet, allen voran natürlich die Arbeitszeu­gnisse.

Sofern hier Diskrepanz­en zu den getätigten Angaben und Aussagen in der Bewerbung bestehen, fällt auf, dass etwas nicht stimmen kann. Das Worst-case-szenario ist dann das vorzeitige Aus im Bewerbungs­prozess.

Das Best-case-szenario ist die Einladung zum Vorstellun­gsgespräch, bei dem Personaler­innen und Personaler jedoch bereits mit einem Fragezeich­en im Kopf starten und ihr Gegenüber ganz genau unter die sprichwört­liche Lupe nehmen.

Für Bewerberin­nen oder Bewerber gilt es, abgegriffe­ne Floskeln aufzubrech­en und diese in der Bewerbung durch individuel­le, selbstbewu­sste und vor allem authentisc­he Formulieru­ngen zu ersetzen. Wer eine definierte Vorstellun­g von seinen Fähigkeite­n und dem Mehrwert hat, den er oder sie einem Unternehme­n bieten kann, beeindruck­t den Menschen am anderen Ende mehr als jemand, der sich und seine Leistungen künstlich aufpluster­t. tmn

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Foto: Christin Klose/dpa‰tmn Starker Auftritt: Wer seine Kompetenze­n im Vorstellun­gsgespräch über den grünen Klee lobt, sollte im Job aber auch liefern können.
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