Neu-Ulmer Zeitung

Der kunterbunt­e Lieblingso­pa des Pop

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Porträt Elton John war eigentlich längst auf Abschiedst­ournee – feiert nun aber neue Chartrekor­de und Benefiz-heldentate­n. Sein neues Album bezeugt den Legendenst­atus

Abschied ist ein bisschen wie Sterben“, sang Katja Ebstein einst – aber gerade in der Popmusik gilt das längst nicht mehr, da wirkt jede Tour mit dem Motto „Final“und „Farewell“nur wie die Vorbereitu­ng einer nächsten. Doch so gülden wie bei Elton John ist es hinterm Horizont selten. Dem war ja eigentlich ein perfekter Abschied geglückt, nun aber erlebt er geradezu einen neuen Karrieregi­pfel.

Damals war der Sir noch ein letztes Mal auf Welttourne­e, meist am Flügel freilich mit diesen schrillen Brillen, schrägen Anzügen, der ewigen Topffrisur, und all den unsterblic­hen Songs: „Nikita“und „Candle In The Wind“, „Don’t Go Breaking My Heart“und „Can You Feel The Love Tonight“, „I Guess That’s Why They Call It The Blues“und – natürlich – „Rocket Man“. Zudem lief unter jenem Titel gleichzeit­ig der Film in den Kinos über Reginald Kenneth Dwight, dessen Absturz, von der Bühne zur Selbsthilf­egruppe: Kokain, Alkohol, Kaufrausch – er war ein Wrack, es war die Hölle. Zusammen also: die ganze Pop-legende, zwei Jahre ist das her.

Aber wenn an diesem Freitag nun ein neues Album des Briten erscheint, geschieht das alles andere als aus dem Nichts. Zuerst wurde die Abschiedst­ournee immer weiter verlängert, dann in die Zukunft verlegt wegen der Pandemie. Die ihm aber zugleich große andere Auftritte bescherte: 50 Jahre nach seinem Durchbruch mit „Your Song“wurde er

Held des inzwischen wiederholt­en weltweiten Online-konzert-events der Global Citizens; und Elton selbst begann Aufnahmen mit anderen Stars, aus denen „The Lockdown Sessions“geworden ist: mit jungen wie Miley Cyrus und Lil Nas X, mit mittleren wie Damon Albarn und Eddie Vedder, mit ähnlich alten wie Stevie Wonder und Stevie Nicks.

Der Sir wirkt dabei als Grandseign­eur, der Pate des Pop, der geliebte, bunte Opa. Anderersei­ts hat ihm die erste Single aus dem Album einen britischen Allzeit-hitparaden-rekord beschert: Mit „Cold Heart“samt Dua Lipa an der Seite hat er zunächst einen Topten-hit gelandet, was bedeutete, dass er in den letzten sechs Jahrzehnte­n je mindestens einen davon hatte; dann hat der ebenfalls Elton verehrende Ed Sheeran noch dazu aufgerufen, die Single zu kaufen, um ihn selbst von Platz eins zu stürzen und natürlich bekommen, was er wollte.

Alle lieben den alten Herrn, der er aus einem einst zu wenig geliebten Knaben geworden ist, der sich daraufhin in die Liebe zur Musik rettete. Ein Jungstar fehlt Opa John noch: Billie Eilish, von der er sagt, es sei wundervoll, „diese kleine Blume zu einem wunderschö­nen Baum heranwachs­en zu sehen“. Sir Elton weiß, wovon er da in schiefen Bildern spricht: Er selbst ist schließlic­h von einem seltsamen, zarten Pflänzchen zu einem ganz Wald geworden. Ende des Sommernach­tstraums darin nicht abzusehen. Im kommenden März nämlich wird er 75. Sicherlich ein Riesenfest, gleich einem Comeback, als hätte es je einen Abschied gegeben. Wolfgang Schütz

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