Neu-Ulmer Zeitung

Vorteil Steinmeier

- VON RUDI WAIS

Hintergrun­d Der Aufstieg von Bärbel Bas macht es möglich. Warum die Chancen des Bundespräs­identen

auf eine zweite Amtszeit in dieser Woche deutlich gestiegen sind. Nun hängt alles an den Grünen

Berlin Frank-walter Steinmeier ist nicht gerade als Temperamen­tsbolzen bekannt – einmal tief durchgeatm­et aber dürfte der Bundespräs­ident schon haben, als die SPD ihre neueste Personalie bekannt gab. Mit der Entscheidu­ng, nicht den Fraktionsv­orsitzende­n Rolf Mützenich, sondern die weitgehend unbekannte Abgeordnet­e Bärbel Bas zur neuen Präsidenti­n des Bundestage­s zu machen, sind Steinmeier­s Chancen auf weitere fünf Jahre im höchsten deutschen Staatsamt nämlich deutlich gestiegen. Allenfalls die Grünen können ihm nun noch einen Strich durch die Rechnung machen.

Bis zur Nominierun­g von Bärbel Bas hatte Steinmeier vor allem ein Problem – sein Geschlecht. Der Bundespräs­ident? Ein Mann. Der mutmaßlich nächste Kanzler? Ein Mann. Der Präsident des Bundesrate­s?

Ein Mann, nämlich Reiner Haseloff aus Sachsen-anhalt. Der Präsident des Bundesverf­assungsger­ichtes? Mit Stephan Harbarth ebenfalls ein Mann. Hätte die SPD in dieser Situation auch noch den Genossen Mützenich als Bundestags­präsidente­n nominiert, wären alle fünf Spitzenämt­er der Republik fest in männlicher Hand gewesen und die Neuwahl des Bundespräs­identen auf absehbare Zeit die einzige Gelegenhei­t, noch eine Frau in höchste Würden zu bringen – die Grüne Katrin Göring-eckardt, zum Beispiel, oder die frühere Justizmini­sterin Sabine Leutheusse­rschnarren­berger von der FDP.

Hätte, wäre, wenn. Mit der Entscheidu­ng für Bärbel Bas hat die SPD viel Druck von Steinmeier genommen. In der Bundesvers­ammlung, die das Staatsober­haupt am 13.Februar wählt, haben die drei Ampelparte­ien mit voraussich­tlich 786 von 1472 Stimmen eine solide Mehrheit. Die FDP hat bereits vor der Bundestags­wahl signalisie­rt, dass sie willens ist, Steinmeier zu wählen. Die SPD wird ihren eigenen Mann kaum hängen lassen, zumal Scholz ihm auch persönlich viel verdankt, weil Steinmeier nach dem Scheitern der Jamaika-gespräche 2017 die Sozialdemo­kraten sanft in eine weitere Große Koalition gezwungen und Scholz damit faktisch erst den Weg für die Kanzlerkan­didatur geebnet hat. Bleiben die Grünen, deren Fraktionsc­hefin Göringecka­rt nichts lieber wäre als die erste Frau im ersten Staatsamt nach 72 Männerjahr­en – aber ist die Partei bereit, dafür den ersten Hauskrach in der Ampelkoali­tion zu riskieren? Ein Platz als Ministerin der neuen Regierung, so heißt es im grünen Flurfunk, könnte die 55-Jährige womöglich über die verpasste Gelegenhei­t hinwegtrös­ten.

Als Steinmeier im Frühjahr ankündigte, sich um eine zweite Amtszeit zu bewerben, schüttelte­n auch viele einflussre­iche Sozialdemo­kraten den Kopf. Zu weit lag die Union in den Umfragen vorne, zu laut waren damals auch schon die Rufe nach einer Frau in Bellevue. Wenn er sich da mal nicht verzocke, hieß es. Sieben von zehn Deutschen wünschen sich nach einer Umfrage des Forsainsti­tuts zwar, dass er im Amt bleibt. Popularitä­t alleine aber hat bisher noch keinen Kandidaten zum Präsidente­n gemacht oder im Amt gehalten, fast immer spielten dabei parteitakt­ische Überlegung­en eine Rolle. Die Wahl des Sozialdemo­kraten Gustav Heinemann im März 1969 etwa war quasi der Vorbote der soziallibe­ralen Koalition wenige Monate später, die von Johannes Rau 1999 eine unmittelba­re Folge der Bundestags­wahl, die SPD und Grüne klar gewonnen hatten. Sogar der erste Bundespräs­ident, Theodor Heuss von der FDP, verdankte sein Amt einer diskreten Absprache mit Konrad Adenauers CDU, die sich zuvor auf eine Koalition mit den Liberalen geeinigt hatte. Steinmeier­s Wiederwahl wäre so gesehen allerdings eine parteistra­tegische Premiere – seine erste Amtszeit hätte der Bundespräs­ident dann der Großen Koalition zu verdanken und seine zweite einer Ampel.

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Foto: Annette Riedl, dpa Seine Chancen steigen: Frank‰walter Steinmeier.

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