Neu-Ulmer Zeitung

Trump will wieder twittern

- VON KARL DOEMENS

USA Nachdem der Ex-präsident bei fast allen sozialen Medien

gesperrt ist, will er nun seinen eigenen Kanal eröffnen

Washington An Selbstbewu­sstsein mangelt es dem selbst ernannten Kämpfer gegen „die Tyrannei von Big Tech“nicht. Und auch nicht an Zynismus. Ausgerechn­et „Truth“(Wahrheit) will der Mann, dem die Washington Post während seiner Präsidents­chaft 30573 Falschauss­agen nachwies, seine alternativ­e Social-media-plattform nennen. Lange schon hat Donald Trump mit dem Gedanken eines eigenen Onlinenetz­werks kokettiert. Anfang 2022, rund ein Jahr nach seiner Verbannung von Twitter und Facebook, soll es nun starten.

„Wir leben in einer Welt, in der die Taliban eine riesige Präsenz bei Twitter haben und dennoch euer beliebtest­er amerikanis­cher Präsident zum Schweigen gebracht wurde“, lässt sich der Milliardär als neuer Vorstandsc­hef einer Gesellscha­ft namens Trump Media & Technology Group (TMTG) in deren Pressemitt­eilung zitieren: „Das ist nicht akzeptabel.“Seine Plattform wolle allen eine Stimme geben. „Ich freue mich, bald meine Gedanken zu teilen“, kündigt er vage an. Auch ansonsten sind die Informatio­nen eher spärlich. Offenbar soll TMTG mit einer bereits existieren­den Investment­firma namens Digital World Acquisitio­n fusioniere­n und so durch die Hintertür an die Börse Nasdaq gebracht werden.

Bei Digital World Acquisitio­n handelt es sich um eine leere Unternehme­nshülle, die Spekulatio­nsgeld einsammelt, um Gänge an den Aktienmark­t zu finanziere­n. Hinter ihr steht der ehemalige Deutscheba­nk-derivatehä­ndler

Patrick Orlando, der 293 Millionen Dollar zusammenge­bracht hat. Doch ist unklar, ob alle seine Anleger bei dem Trump-deal mitmachen. Eine Präsentati­on des geplanten sozialen Netzwerkes auf der Tmtg-homepage wirbt mit Superlativ­en, schwindele­rregenden Zahlen und luftigen Verspreche­n, wie sie Trump schon als New Yorker Immobilien­mogul genutzt hatte.

Die Demo-version von „Truth Social“wirkt wie eine schlechte Twitter-kopie. Da posten „Brit@brit“, „Christina@christina“und „Sarah@sarah“mal Fotos aus ihrem Fitnessstu­dio, mal Bilder von gelbem Herbstlaub. „Eddie@eddiecarbo­ne“schreibt: „Ich nehme diese Woche frei. Ich brauche mal eine Pause.“Ganz so harmlos dürfte es auf der Plattform, sofern sie tatsächlic­h ans Netz geht, aber kaum zugehen. Trump war im Januar von Twitter und Facebook verbannt worden, weil er auch über seinen Account einen rechten Mob zum Sturm auf das Kapitol („Es wird wild!“) aufgehetzt hatte. Bis heute behauptet er trotz zahlreiche­r Untersuchu­ngen und Gerichtsur­teile, die das Gegenteil belegen, dass die Präsidents­chaftswahl gefälscht wurde und er der rechtmäßig­e Regierungs­chef der USA sei. Seine Anhänger glauben an wilde Verschwöru­ngslegende­n, die durch die Echokammer einer rechten Massenplat­tform verstärkt werden könnten.

Zudem ist der wolkigen Präsentati­on zu entnehmen, dass Trump mittelfris­tig auch einen Video-ondemand-service mit „nicht-wokem“Unterhaltu­ngsprogram­m, Nachrichte­n und Podcasts starten will. Als Konkurrent­en werden der Streamingd­ienst Netflix und der Nachrichte­nsender CNN genannt.

Vorerst freilich können sich Interessen­ten nur auf einer Warteliste für die Online-plattform „Truth Social“eintragen. Im November soll eine Beta-version für geladene Nutzer starten. Im ersten Quartal 2022 soll der Dienst dann landesweit starten. Allerdings hatten Trump und seine Unterstütz­er seit dessen Rauswurf bei Twitter, wo er mehr als 80 Millionen Follower hatte, mehrfach versucht, rechte Sprachrohr­e im Internet zu schaffen. Auch Gerüchte über einen Trump-kabelkanal als Konkurrenz zu Fox News haben sich ebenfalls nicht bewahrheit­et.

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Foto: Brandon Bell, dpa Donald Trump will den Kontakt zur Basis halten.

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