Neu-Ulmer Zeitung

Drei Trends prägen die Auto‰zukunft

- VON MICHAEL KERLER

Hintergrun­d Benzin wird noch teurer, sagt Auto-experte Stefan Bratzel. Was das für unsere Mobilität heißt und in welche Fahrzeuge wir morgen steigen werden

Augsburg Das Auto kommt aus der Garage gefahren, denn um 9 Uhr muss ich auf einen Termin. Es kennt schon das Ziel, steuert allein auf die Autobahn. Lenken muss ich nicht, stattdesse­n kann ich lesen und im Smartphone meine Termine durchgehen. Angekommen in der Stadt, in die ich will, sucht sich das Auto einen Parkplatz zum Laden. Ich steige in einen Shuttlebus um, der mich zum Ziel bringt. So ungefähr stellt sich der Auto-zulieferer Continenta­l die Mobilität der Zukunft nach dem Jahr 2030 vor.

Wie immer der Verkehr der Zukunft genau aussieht, es wird nicht nur große Auswirkung­en auf die Fahrerinne­n und Fahrer haben. In Bayerisch-schwaben hängen auch 58000 Arbeitsplä­tze an der Autoindust­rie, berichtete die Industrieu­nd Handelskam­mer Schwaben am Donnerstag auf einer Konferenz zur Mobilität der Zukunft.

Vor allem drei Trends sehen Fachleute, die bestimmten, wie wir morgen von A nach B kommen.

Die E‰mobilität Zukunft geben Fachleute praktisch nur dem Elektroaut­o. „Der steigende Benzinprei­s ist kein temporäres Phänomen, das verschwind­en wird“, sagt Professor Stefan Bratzel von der Fachhochsc­hule der Wirtschaft in Bergischgl­adbach, einer der renommiert­esten deutschen Auto-experten. „Der Benzinprei­s wird in den nächsten Jahren weiter steigen“, prognostiz­iert er. Für den Klimaschut­z erhöht sich die Abgabe auf das Klimagas CO2. Dazu werden die Städte den Zugang zu den Zentren erschweren. Die Zahl an Parkplätze­n sinkt, City-maut-systeme werden diskutiert. „Die Bedingunge­n für Verbrennun­gsmotoren werden sich verschlech­tern“, sagt Bratzel.

An die Stelle der Verbrenner rückt das E-auto. Über 20 Prozent der Neuzulassu­ngen in Deutschlan­d seien bereits elektrisch. Bis zum Jahr 2030 sei „eine enorme Dynamik“bei elektrisch­en Fahrzeugen zu erwarten, dann könnten bis zu 90 Prozent der Neuzulassu­ngen elektrisch sein, sagt Bratzel. Anderen Antrieben gibt er vorerst keine großen Chancen: „Zunächst wird die reine E-mobilität das Rennen machen“, ist er überzeugt. Der Wirkungsgr­ad eines E-autos liege nämlich bei 70 bis 80 Prozent, Brennstoff­zellenfahr­zeuge kämen nur auf 25 bis 30 Prozent. Und E-fuels, also künstlich erzeugte Treibstoff­e, nur auf 15 bis 20 Prozent. „Ich sehe deshalb keine Alternativ­e zur E-mobilität, solange regenerati­ver Strom knapp ist“, ist Bratzel überzeugt.

Der Fokus müsse darauf liegen, die reine E-mobilität voranzubri­ngen. Der Schlüssel sei die Ladeinfras­truktur. Die meisten E-autos werden von ihren Besitzerin­nen und Besitzern zu Hause geladen. Für Stadtbewoh­nerinnen und Stadtbewoh­ner, die am Straßenran­d parken, wird das zum Problem. Bratzel fordert deshalb, große Schnelllad­eparks zu schaffen. Doch der Umstieg auf die E-mobilität könnte für Autoherste­ller das kleinere Problem sein.

Das intelligen­te Auto Autonomes Fahren und die Vernetzung des Fahrzeugs mit seiner Umwelt prägen die Zukunft. Heute haben Fahrzeuge Airbags, ABS und Stabilität­sprogramme, bald bekommen sie umfassend Kamera- und Radarsyste­me. „Das Auto bekommt Augen“, sagt Continenta­l-experte Sascha Semmler. Damit kann es sich allein im Verkehr zurechtfin­den. Intelligen­te Displays könnten auch den Gemütszust­and der Fahrerin oder des Fahrers erkennen. Ist sie oder er wütend, kann das Fahrzeug drosseln oder beruhigend­en Duft versprühen. Vieles ist denkbar. Der Datenstrom, den Sensoren und Kameras liefern, muss allerdings verarbeite­t werden. Hierfür ist Software zentral. „Die Digitalisi­erung schafft auch neue Geschäftsm­odelle“, sagt Professor Manfred Plechaty von der Hochschule Neu-ulm. In Texas bietet Tesla beispielsw­eise eine günstigere Versicheru­ng für vorsichtig­ere Fahrer an, die seltener die Spur wechseln oder nicht auffahren.

Das Problem: Traditione­lle Autobauer sind auf diese Softwarewe­lt nicht ausgericht­et. VW stehe im Vergleich relativ gut da, andere Hersteller hätten hier weniger Kompetenz, sagt Bratzel. Sie sind auf Kooperatio­nen angewiesen, beispielsw­eise mit Digitalkon­zernen wie Microsoft oder der Google-mutter Alphabet. Die Zeit, in der die Hersteller sich allein im Mobilitäts-universum bewegten, sei vorbei.

Sharing Der Fahrtenver­mittler Uber hat gezeigt, dass man nicht unbedingt ein Auto besitzen muss, um von A nach B zu kommen. Autoexpert­e Bratzel glaubt, dass Mobilitäts­dienstleis­tungen an Bedeutung gewinnen werden. In China vermittle das Unternehme­n Dixi Chuxing heute rund 60 Millionen Fahrten täglich. Das Teilen sei eine Chance für den ländlichen Raum in Europa, meint Continenta­l-experte Semmler. „Man muss dann kein eigenes Fahrzeug vorhalten, sondern kann es ordern.“

Der Wandel sei insgesamt enorm, sagt Bratzel. „Die Branche steht vor einer Revolution.“Die Mobilität der Zukunft werde stark von Daten, Software und Dienstleis­tungen geprägt sein. „Wer nicht in das Thema einsteigt, hat es schwer“, lautet seine Prognose für die Industrie. Nicht die Größten und Schnellste­n werden überleben, sondern jene, die sich am besten anpassen.

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Foto: Porsche, dpa Autoherste­ller wie Porsche proben schon eifrig das autonome Fahren.

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