Drei Trends prägen die Autozukunft
Hintergrund Benzin wird noch teurer, sagt Auto-experte Stefan Bratzel. Was das für unsere Mobilität heißt und in welche Fahrzeuge wir morgen steigen werden
Augsburg Das Auto kommt aus der Garage gefahren, denn um 9 Uhr muss ich auf einen Termin. Es kennt schon das Ziel, steuert allein auf die Autobahn. Lenken muss ich nicht, stattdessen kann ich lesen und im Smartphone meine Termine durchgehen. Angekommen in der Stadt, in die ich will, sucht sich das Auto einen Parkplatz zum Laden. Ich steige in einen Shuttlebus um, der mich zum Ziel bringt. So ungefähr stellt sich der Auto-zulieferer Continental die Mobilität der Zukunft nach dem Jahr 2030 vor.
Wie immer der Verkehr der Zukunft genau aussieht, es wird nicht nur große Auswirkungen auf die Fahrerinnen und Fahrer haben. In Bayerisch-schwaben hängen auch 58000 Arbeitsplätze an der Autoindustrie, berichtete die Industrieund Handelskammer Schwaben am Donnerstag auf einer Konferenz zur Mobilität der Zukunft.
Vor allem drei Trends sehen Fachleute, die bestimmten, wie wir morgen von A nach B kommen.
Die Emobilität Zukunft geben Fachleute praktisch nur dem Elektroauto. „Der steigende Benzinpreis ist kein temporäres Phänomen, das verschwinden wird“, sagt Professor Stefan Bratzel von der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergischgladbach, einer der renommiertesten deutschen Auto-experten. „Der Benzinpreis wird in den nächsten Jahren weiter steigen“, prognostiziert er. Für den Klimaschutz erhöht sich die Abgabe auf das Klimagas CO2. Dazu werden die Städte den Zugang zu den Zentren erschweren. Die Zahl an Parkplätzen sinkt, City-maut-systeme werden diskutiert. „Die Bedingungen für Verbrennungsmotoren werden sich verschlechtern“, sagt Bratzel.
An die Stelle der Verbrenner rückt das E-auto. Über 20 Prozent der Neuzulassungen in Deutschland seien bereits elektrisch. Bis zum Jahr 2030 sei „eine enorme Dynamik“bei elektrischen Fahrzeugen zu erwarten, dann könnten bis zu 90 Prozent der Neuzulassungen elektrisch sein, sagt Bratzel. Anderen Antrieben gibt er vorerst keine großen Chancen: „Zunächst wird die reine E-mobilität das Rennen machen“, ist er überzeugt. Der Wirkungsgrad eines E-autos liege nämlich bei 70 bis 80 Prozent, Brennstoffzellenfahrzeuge kämen nur auf 25 bis 30 Prozent. Und E-fuels, also künstlich erzeugte Treibstoffe, nur auf 15 bis 20 Prozent. „Ich sehe deshalb keine Alternative zur E-mobilität, solange regenerativer Strom knapp ist“, ist Bratzel überzeugt.
Der Fokus müsse darauf liegen, die reine E-mobilität voranzubringen. Der Schlüssel sei die Ladeinfrastruktur. Die meisten E-autos werden von ihren Besitzerinnen und Besitzern zu Hause geladen. Für Stadtbewohnerinnen und Stadtbewohner, die am Straßenrand parken, wird das zum Problem. Bratzel fordert deshalb, große Schnellladeparks zu schaffen. Doch der Umstieg auf die E-mobilität könnte für Autohersteller das kleinere Problem sein.
Das intelligente Auto Autonomes Fahren und die Vernetzung des Fahrzeugs mit seiner Umwelt prägen die Zukunft. Heute haben Fahrzeuge Airbags, ABS und Stabilitätsprogramme, bald bekommen sie umfassend Kamera- und Radarsysteme. „Das Auto bekommt Augen“, sagt Continental-experte Sascha Semmler. Damit kann es sich allein im Verkehr zurechtfinden. Intelligente Displays könnten auch den Gemütszustand der Fahrerin oder des Fahrers erkennen. Ist sie oder er wütend, kann das Fahrzeug drosseln oder beruhigenden Duft versprühen. Vieles ist denkbar. Der Datenstrom, den Sensoren und Kameras liefern, muss allerdings verarbeitet werden. Hierfür ist Software zentral. „Die Digitalisierung schafft auch neue Geschäftsmodelle“, sagt Professor Manfred Plechaty von der Hochschule Neu-ulm. In Texas bietet Tesla beispielsweise eine günstigere Versicherung für vorsichtigere Fahrer an, die seltener die Spur wechseln oder nicht auffahren.
Das Problem: Traditionelle Autobauer sind auf diese Softwarewelt nicht ausgerichtet. VW stehe im Vergleich relativ gut da, andere Hersteller hätten hier weniger Kompetenz, sagt Bratzel. Sie sind auf Kooperationen angewiesen, beispielsweise mit Digitalkonzernen wie Microsoft oder der Google-mutter Alphabet. Die Zeit, in der die Hersteller sich allein im Mobilitäts-universum bewegten, sei vorbei.
Sharing Der Fahrtenvermittler Uber hat gezeigt, dass man nicht unbedingt ein Auto besitzen muss, um von A nach B zu kommen. Autoexperte Bratzel glaubt, dass Mobilitätsdienstleistungen an Bedeutung gewinnen werden. In China vermittle das Unternehmen Dixi Chuxing heute rund 60 Millionen Fahrten täglich. Das Teilen sei eine Chance für den ländlichen Raum in Europa, meint Continental-experte Semmler. „Man muss dann kein eigenes Fahrzeug vorhalten, sondern kann es ordern.“
Der Wandel sei insgesamt enorm, sagt Bratzel. „Die Branche steht vor einer Revolution.“Die Mobilität der Zukunft werde stark von Daten, Software und Dienstleistungen geprägt sein. „Wer nicht in das Thema einsteigt, hat es schwer“, lautet seine Prognose für die Industrie. Nicht die Größten und Schnellsten werden überleben, sondern jene, die sich am besten anpassen.