Neu-Ulmer Zeitung

Wie Flixbus die Us‰ikone Greyhound kaufen kann

- VON MICHAEL POHL

Übernahmen Kein Busunterne­hmen ist weltweit so bekannt wie die amerikanis­che Traditions­firma Greyhound. Doch Hollywood-glanz und Fernweh-romantik sind längst verblichen. Jetzt übernehmen die jungen Münchner das Steuer

München Die einst silbernen Greyhound-busse mit dem Windhundlo­go wirken auf deutsche Augen als eine uramerikan­ische Ikone aus unzähligen Abschiedss­zenen in Hollywood-filmen. „Unsere Ambition ist, dass man irgendwann in den Hollywood-filmen Flixbusse sieht“, sagte der Flixbus-chef André Schwämmlei­n vor gut einer Woche der Frankfurte­r Allgemeine­n, als sich ein Deal ankündigte, der jetzt perfekt ist: Das Münchner Start-up übernimmt das Us-traditions­unternehme­n. Doch mit Hollywoodg­lanz und Fernweh-romantik hat das Geschäft nichts zu tun. Im Gegenteil: Greyhound leidet im wirklichen Leben in den USA unter einem ebenso schlechten Image, wie miserablen Geschäft.

Der Fernbusanb­ieter war schon vor der Pandemie im Niedergang. Seit Jahrzehnte­n kämpft das Unternehme­n gegen seinen miesen Ruf. Bei Amerikaner­n der Mittelklas­se gilt Greyhound als Arme-leuteverke­hrsmittel. Viele machen bewusst einen Bogen um herunterge­kommenen Busbahnhöf­e, die in vielen Städten als zweifelhaf­te soziale Brennpunkt gelten. Mehrmals musste Greyhound Konkurs anmel

Ungepflegt­e Fahrzeuge und stinkende Bordtoilet­ten brachten Greyhound den Spitznamen „Hellhound“ein. Wer nicht das eigene Auto nimmt, fliegt in den USA lieber mit dem Flugzeug zwischen großen Städten. Vor knapp 15 Jahren kaufte der britische Transportk­onzern Firstgroup den Sanierungs­fall Greyhound und übernahm dessen damaligen Mutterkonz­ern Laidlaw für 3,6 Milliarden Dollar. Das Hauptinter­esse der Briten galt aber dem profitable­n Schulbusve­rkehr der Konzernmut­ter.

Greyhound, dessen 1250 Busse in den weiten ländlichen Teilen der USA die einzige Alternativ­e zum Auto als Verkehrsmi­ttel sind, traf die Pandemie besonders hart. Im Pandemieja­hr 2020 fuhr Greyhound 15 Millionen Dollar Betriebsve­rlust ein, in diesem Jahr liefen weitere zwölf Millionen Miese auf. Der Umsatz brach um mehr als die Hälfte auf 422 Millionen Dollar ein, die Zahl der Passagiere sank um drei Viertel. Im Mai stellte der britische Mutterkonz­ern den Greyhound-betrieb in Kanada nach über 90 Jahren komplett ein und entließ alle 400 Busfahreri­nnen und -fahrer.

Nun soll die Rettung aus München kommen. Flixbus rollt seit sechs Jahren den öffentlich­en Fernverkeh­r in Deutschlan­d auf. Die drei Freunde André Schwämmlei­n, Jochen Engert und Daniel Krauss gründeten das Unternehme­n vor neun Jahren, kurz bevor 2013 das seit der Vorkriegsz­eit geltende Bahn-monopol fiel, das die Schiene vor einem Buslinienf­ernverkehr schützte. Mit Bussen hatten die drei Start-up-gründer davor nichts zu tun, bis heute besitzt keiner von ihnen einen Bus-führersche­in. Die drei kamen aus der It-szene.

Die jungen Gründer machten mit einem geschickte­n Online-buchungssy­stem, digital analysiert­en Routen, attraktive­n Service und vor allem mit einem extremen Billigden. preiswettb­ewerb nach und nach ihre wichtigste­n Konkurrent­en platt und eroberten den neuen Markt. Nach einem für Wettbewerb­er wie ADAC, Post und Deutsche Bahn ruinösen Preiskampf und diversen Übernahmen kletterte der Flixbusmar­ktanteil in Deutschlan­d auf über 90 Prozent zu einem Fast-monopol.

Das Besondere an Flixbus: Das Unternehme­n besaß vor dem Greyhound Deal keinen einzigen Reisebus. Es dient als Mobilitäts­plattform und ist Vertriebs- und Lizenzpart­ner für unzählige private Busunterne­hmen, die ihre Fahrzeuge im Flixbus-design über das Land steuern. Nur einen einzigen alten Bus hat der Konzern in einer Garage stehen, verriet Firmenchef Daniel Krauss: „Wenn du als Busunterne­hmen anerkannt sein willst, musst du in Deutschlan­d einen Bus haben.“

Hinter der Flixbus-mutter Flixmobilt­y stehen seit langem auch globale Finanzinve­storen wie Permira, General Atlantic oder Silver Lake. Im Juni sammelte Flixmobilt­y weitere Investoren­gelder von 650 Millionen Dollar ein, unter anderem um den Einstieg ins Bahngeschä­ft mit Flixtrain zu finanziere­n. Für den Greyhound-deal zahlten die Münchner 172 Millionen Dollar.

Ob der Konzern nun die eigenen Busse und tausende Busfahrer behält oder in eine Gesellscha­ft ausgründet, war zunächst unklar. Zum Marktführe­r in den USA ist Flixbus durch den Deal mit einem Schlag aufgestieg­en. Nun wollen die Münchner das Us-netz insbesonde­re mit deutlich attraktive­ren Haltestell­en, Fahrplänen und Service auf junge Zielgruppe­n ausrichten und optimieren. Die große Frage ist, ob Flixbus als nächstes Ziel die Börse ansteuert. „Ich würde nie Optionen ausschließ­en“, sagte Flixmobilt­ychef Schwämmlei­n. Doch auf dem internen Fahrplan steht dies seinen Angaben nicht. „Wir bereiten nichts vor in diesem Sinne.“

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Foto: Körner, dpa‰archiv Greyhound‰bus 1995: Spitzname „Hellhound“

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