Neu-Ulmer Zeitung

Sehnsucht nach dem Jenseits?

- VON JULIUS MÜLLER‰MEININGEN

Wie es gesundheit­lich um Benedikt XVI. steht

Rom Vor drei Wochen schrieb Benedikt XVI. in einem Kondolenzs­chreiben folgenden Satz: „Nun ist er im Jenseits angelangt, wo sicher schon viele Freunde auf ihn warten. Ich hoffe, dass ich mich bald hinzugesel­len kann.“Das Schreiben bezog sich auf den Tod des Regensburg­er Theologen Gerhard Winkler, eines Weggefährt­en des emeritiert­en Papstes. Der Satz sorgte für einige Aufregung, weil er nahelegte, dass Joseph Ratzinger sich nicht nur mit den Letzten Dingen beschäftig­t, sondern eine gewisse Sehnsucht nach dem Jenseits an den Tag lege.

Nun stellte sein Privatsekr­etär, Erzbischof Georg Gänswein, die Dinge gegenüber unserer Redaktion klar: „Im Hinblick auf den Gesundheit­szustand von Benedikt XVI. gibt es keinerlei Grund zur Besorgnis.“Die verschiede­nen „aufgeblase­nen, teilweise alarmieren­den Beiträge“hätten „keinerlei ,fundamentu­m in re‘“, so Gänswein. Benedikt seit nicht nur „absolut lebensfroh“, sondern auch „stabil in seiner physischen Schwäche, glasklar im Kopf und gesegnet mit dem ihm typischen bayerische­n Humor“, hatte der Privatsekr­etär der Bild-zeitung gesagt und hinzugefüg­t: „Die Kunst des guten Sterbens gehört zum christlich­en Leben dazu. Das macht Benedikt seit Jahren.“

Das Thema von der Vorbereitu­ng auf das Sterben ist in einer Gesellscha­ft, die vom Tod so wenig wie möglich wissen will, zumindest heikel, wenn nicht gar ein Tabu. Dazu kommt das Missverstä­ndnis, das ehemalige Oberhaupt der katholisch­en Kirche, gewisserma­ßen ein Experte für diese Fragen, dürfte keine Lebensmüdi­gkeit an den Tag legen. Doch wer sehr alte Menschen erlebt hat, weiß um die Gnadenlosi­gkeit dieser Vorstellun­g. Vielleicht lehrt der fast kindlich anmutende Satz von Benedikt XVI. auch, dass die Angst vor dem Tod im Alter schwinden kann.

Sich auf den Tod vorzuberei­ten, bedeutet auch nicht, dem Leben völlig zu entsagen. Benedikt XVI., der seit seinem Rücktritt 2013 zurückgezo­gen im Vatikan lebt, zeigt das immer wieder. Bis heute schaltet sich der emeritiert­e Papst in aktuelle Debatten ein. Erst im Juli hatte er sich in einem schriftlic­hen Interview daran gestört, dass in kirchliche­n Einrichtun­gen in Deutschlan­d wie Schulen oder Krankenhäu­sern viele Personen „den inneren Auftrag der Kirche nicht mittragen und damit das Zeugnis dieser Einrichtun­g vielfach verdunkeln“.

Für Furore hatte sein Eintreten für den Zölibat gesorgt, kurz bevor Papst Franziskus nach der Amazonien-synode im Februar 2020 eine Entscheidu­ng dazu veröffentl­ichen wollte. Auch zur Missbrauch­sthematik hatte sich Benedikt XVI., der nach seinem Rücktritt eigentlich „vor der Welt verborgen“leben wollte, geäußert. Er machte die „Abwesenhei­t Gottes“in der Verkündigu­ng der christlich­en Botschaft als Grund für sexuellen Missbrauch sowie einen Verfall der Moral in Folge der 68er Bewegung für die Entwicklun­g verantwort­lich. Wie auch immer man dazu stehen mag. Vom Jenseits wirkt Benedikt XVI. noch ein gutes Stück entfernt.

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Benedikt XVI.

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