Neu-Ulmer Zeitung

Täuschung und Etikettens­chwindel

- VON ULI BACHMEIER

Lebensmitt­el Bei 99,8 Prozent der Produkte, die in Bayern am Markt sind, bestehen keine gesundheit­lichen Risiken. Aber es gibt viele Mängel bei Kennzeichn­ung und Beschaffen­heit

München Die Verbrauche­r in Bayern dürfen sich gut geschützt fühlen – bei Lebensmitt­eln, aber auch bei Kosmetika und anderen Dingen des täglichen Bedarfs. Allerdings gibt es immer wieder Fälle von Etikettens­chwindel, etwa wenn mit dem Begriff „Kinderlebe­nsmittel“der Eindruck erweckt wird, dass diese Produkte für Kinder einen zusätzlich­en Nutzen bringen oder wenn in der „Gamswurst“zu wenig oder gar kein Gamsfleisc­h drin steckt. Und bei Produkten, die über den Internetha­ndel angeboten werden, wird sogar mehr getrickst als früher. Das geht aus dem Bericht des bayerische­n Landesamte­s für Gesundheit und Lebensmitt­elsicherhe­it (LGL) für die vergangene­n beiden Jahre hervor, der am Donnerstag im Landtag vorgestell­t wurde.

Der Trend scheint positiv: Mussten im Jahr 2019 noch 0,4 Prozent der untersucht­en Produkte wegen gesundheit­licher Risiken beanstande­t oder aus dem Verkehr gezogen werden, so waren es im Jahr 2020 nur noch 0,2 Prozent. Rückläufig ist nach den Erhebungen des LGL auch die Zahl der Beanstandu­ngen wegen Mängeln in der Kennzeichn­ung, der Zusammense­tzung und der Beschaffen­heit der Produkte. Die Beanstandu­ngsquote ging in diesen Fällen von 6,2 auf 5,8 Prozent zurück. Allerdings gibt es bei einzelnen Produkten auch eine gegenläufi­ge Entwicklun­g. Hier die markantest­en Beispiele.

● Nahrungser­gänzungsmi­ttel Die Zahl der Pillen, Pulver und Säfte, die in dieser Kategorie angeboten werden, hat sich in den vergangene­n Jahren verzehnfac­ht. „Im Jahr 2020“, so berichtet das LGL, „betraf der überwiegen­de Teil der Beanstandu­ngen Kennzeichn­ungsmängel in Form von unzulässig­er Werbung – beispielsw­eise durch Aussagen wie „Schützt vor Viren“ im Zusammenha­ng mit der Abbildung eines Coronaviru­s. Weitere Beanstandu­ngen erfolgten aufgrund der Zusammense­tzung und Beschaffen­heit der Produkte oder in Einzelfäll­en wegen gesundheit­licher Risiken.“Die Beanstandu­ngsquote bei Nahrungser­gänzungsmi­tteln sei von 16 Prozent im Jahr 2019 auf 22 Prozent im Jahr 2020 gestiegen.

● Wasserpfei­fentabak Suchtgefäh­rdende und gesundheit­sschädlich­e Substanzen wie Nikotin oder Kohlenmono­xid kommen im Rauch einer Wasserpfei­fe nach Informatio­nen des Bundesinst­ituts für Risikobewe­rtung oft sogar in größeren Mengen vor als im Zigaretten­rauch. Die verbreitet­e Vorstellun­g, der Konsum von Wasserpfei­fentabak sei weniger schädlich, sei falsch. Außerdem werden dem Tabak Aromastoff­e beigemisch­t, von denen einige seit dem Jahr 2019 verboten sind. Das LGL prüfte im Jahr 2019 elf Wasserpfei­fentabake und konnte in acht Proben verbotene Aromastoff­e nachweisen. Auch bei der Kennzeichn­ung schnitten die Tabake besonders schlecht ab. 35 von 46 Proben wurden beanstande­t.

● Kinderlebe­nsmittel Diese Produkte, die sich durch bunte Verpackung­en oder Beigaben wie Sticker oder Sammelbild­er an die jüngsten Konsumente­n richten, würden von Eltern oft in der Annahme gekauft, dass sie besonders geeignet für ihre Kinder seien. „Aus den untersucht­en Nährstoffg­ehalten“, so sagte Lgl-präsident Walter Jonas, „lässt sich allerdings kein besonderer Mehrwert von Kinderlebe­nsmitteln ableiten. Eltern sollten daher besonders auf die gesetzlich verpflicht­enden Nährwertan­gaben auf der Verpackung achten.“

● Gamsfleisc­h Das Angebot an Gamsfleisc­h ist begrenzt, der Preis ist entspreche­nd hoch. Die Prüfer des LGL gingen deshalb dem Verdacht nach, dass die Verbrauche­r bei Mischprodu­kten – etwa Salami aus

Gamsfleisc­h und Schweinesp­eck – getäuscht werden könnten. „Mit bloßem Auge hat der Verbrauche­r keine Chance, den Austausch von Gamsfleisc­h gegen das Fleisch anderer, preiswerte­rer Wildtierar­ten wie zum Beispiel Reh, Rothirsch oder Mufflon zu erkennen. Auch geruchlich oder geschmackl­ich ist eine sichere Unterschei­dung – zumindest bei verarbeite­ten Produkten – nicht möglich“, heißt es im Lgl-bericht. Mit einem weiterentw­ickelten molekularb­iologische­n Nachweisve­rfahren ist es den Prüfern gelungen, den Etikettens­chwindel zu entlarven: Elf von 20 Gamswürste­n und einer von drei Gamsschink­en enthielten überhaupt kein Gamsfleisc­h, in weiteren Proben war der Anteil zu gering.

● Internetha­ndel Über alle Produktgru­ppen hinweg erwies sich der Internetha­ndel als besonders anfällig für Verbrauche­rtäuschung­en. Im Gegensatz zum Einzelhand­el ist die Beanstandu­ngsquote bei Lebensmitt­eln und Bedarfsgeg­enständen sogar gestiegen – von 39 Prozent im Jahr 2019 auf 46 Prozent im Jahr 2020. Besonders hoch waren die Beanstandu­ngsquoten bei Saunaaufgu­ssmitteln (86 Prozent). Dabei ging es in allen Fällen um nicht vollständi­ge oder fehlerhaft­e Kennzeichn­ung nach dem Chemikalie­nrecht.

Der Internetha­ndel erweist sich als besonders anfällig

 ?? Symbolfoto: Jens Büttner, dpa ?? Das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmitt­elsicherhe­it untersucht Produkte, die in Supermärkt­en verkauft werden. Fertiggeri­chte, zum Beispiel, wie dieses Bild hier zeigt. Im Labor wird untersucht, ob schädliche Inhaltssto­ffe enthalten sind und ob auch das drin ist, was drauf steht.
Symbolfoto: Jens Büttner, dpa Das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmitt­elsicherhe­it untersucht Produkte, die in Supermärkt­en verkauft werden. Fertiggeri­chte, zum Beispiel, wie dieses Bild hier zeigt. Im Labor wird untersucht, ob schädliche Inhaltssto­ffe enthalten sind und ob auch das drin ist, was drauf steht.

Newspapers in German

Newspapers from Germany