„Ich habe mir die Freiheit genommen“
Fußball Günther Koch ist eine Radio-legende. Über 1000 Spiele kommentierte er auf seine
unverwechselbare Art. Jetzt ist ein Buch über die Karriere des 79-Jährigen erschienen
Nürnberg Es gibt Begebenheiten, die vergisst man lange Zeit, vielleicht sogar sein ganzes Leben lang nicht mehr. Es müssen nicht unbedingt der Weltmeistertitel von 1990 in Italien oder der Bundesligaaufstieg des FC Augsburg im Jahr 2011 sein, sondern es kann sich auch um eine Radioreportage handeln. Wie die von Günther Koch, der lebenden Reporterlegende des Bayerischen Rundfunks aus Nürnberg.
Es war im Mai 1999: letzter Bundesligaspieltag der Saison. Wir befanden uns auf dem Heimweg vom Urlaub in der Lüneburger Heide, im Radio lief „Heute im Stadion“. Günther Koch saß im Nürnberger Frankenstadion, berichtete von der Partie des 1. FCN gegen den SC Freiburg. Ein Duell zweier Teams, die dem Finale eigentlich beruhigt entgegensehen konnten. Glaubte man zumindest. Doch dann sollte dieser Spieltag eine Dynamik entwickeln, wie man sie nie und nimmer vermutet hatte.
„Wir melden uns vom Abgrund“ergriff Koch an diesem Nachmittag aus der Arena am Valznerweiher das Wort und so lautet auch der Titel eines Buchs, das der Frankfurter Autor Jürgen Roth mit dem Reporter geschrieben hat. Koch, für viele Sportfans die Stimme Frankens, sah das Unheil, das da auf ihn und die vielen Club-fans zukommen sollte, und musste an diesem Nachmittag über den bitteren und völlig unerwarteten Abstieg des Clubs berichten. Für Koch war es ein schwerer Tag.
Der heute 79-Jährige machte sich durch seine emotionalen Reportagen einen Namen und gehörte auf jeden Fall zu den populärsten Rundfunkberichterstattern der Republik. Auf einer Stufe mit dem legendären und von Koch sehr geschätzten Oskar Klose, Manni Breuckmann oder Werner Hansch.
„Wir melden uns vom Abgrund“, kann sicherlich als Liebeserklärung an den Fußball bezeichnet werden, sein Ursprung war eine Sternstunde der Rundfunkreportage.
Günther Koch wurde 1941 in Posen geboren, wuchs im oberbayerischen Traunstein sowie in München auf und ging 1964 als Volksschullehrer nach Nürnberg. Am 3. April 1977 gab er beim bayerischen Zweitliga-derby Bayern Hof gegen den FC Augsburg sein Reporterdebüt beim Bayerischen Rundfunk.
Koch war weit über 2000 Mal im Radio zu hören. Davon 1088 Mal als
Fußball-reporter. Am liebsten übertrug er Spiele „seines“geliebten 1.FCN.
Auch beim FC Bayern war er gerne gesehen und reportierte bei zahlreichen Bundesliga- oder Champions-league-begegnungen. „Ich habe mir die Freiheit genommen, so zu reden, wie ich will, und zu sagen, was mir einfiel“, erklärte Koch einmal.
Bis er beim Bayerischen Rundfunk allerdings in das Reporterteam aufgenommen wurde, war es ein langer und auch beschwerlicher Weg. Er musste eine ganze Reihe von Probebeiträgen sprechen, berichtete auch über sogenannte Randsportarten wie Feldkorbball oder Tischtennis, ehe er als Seiteneinsteiger in den Kreis der Bundesligareporter aufgenommen wurde.
In der Biografie kommt auch der Grandseigneur des Sport-journalismus, Fritz von Thurn und Taxis, zu Wort. Er hatte Koch zu dessen erster Reportage nach Hof begleitet. „Mir hat das sehr gut gefallen, er war ein echter Typ und hat dadurch auch polarisiert. Das war sein Problem.“
In der Tat, bei Welt- und Europameisterschaften kam der Nürnberger nie zum Zug. In der Führungsetage der ARD hatte Koch, der am 22. November seinen 80. Geburtstag feiert, keinen Stein im Brett.
Günther Koch: Wir melden uns vom Abgrund – Ein Leben als Fuß ballreporter von Jürgen Roth. Erschienen im Verlag Antje Kunstmann, 336 Sei ten, 24 Euro.