Die Neuulmer Sirenen sind hoffnungslos veraltet
Sicherheit Das Comeback der klassischen Warnanlagen auf dem Dach ist offenbar nicht ganz so einfach umzusetzen
Neuulm Nach der Flutkatastrophe im Juli hat sich die Politik wieder einer Alarmierungsform erinnert, die in den vergangenen Jahren auf den Dächern vor sich hin rottete: die Sirenen. Die sollen jetzt nach dem Willen des bayerischen Innenministeriums wieder modernisiert werden. Dafür gibt es auch Geld. Allerdings muss vorher noch einiges geklärt werden, wie das Beispiel Neuulm zeigt.
Im gesamten Landkreis Neu-ulm stehen noch 105 dieser flachen Sirenenhauben auf diversen Dächern. Ihre Aufgabe: die Feuerwehren zu alarmieren und die Bevölkerung zu warnen. Doch benutzt werden sie kaum noch. Sie sind veraltet und müssten erst einmal für das Digitalzeitalter umgerüstet werden. Wie das Landratsamt in einem Schreiben an die Neu-ulmer Stadtverwaltung feststellt, „ist davon auszugehen, dass das vorhandene Sirenennetz für eine lückenlose Warnung der Bevölkerung derzeit nicht ausreichend ist“.
In der Großen Kreisstadt gibt es nach den Worten von Anton Bullinger, Dezernent für Personal, Organisation und Bürgerdienste, 16 Sirenenanlagen,
die noch aus den 60erjahren stammen. Bei einer Überprüfung vor zwei Jahren stellte sich heraus, dass „sechs Anlagen einfache und vier Anlagen erhebliche Mängel aufweisen“. Doch weil Ersatzteile schwer zu bekommen sind und ohnehin eine Umrüstung auf digitale Technik bevorsteht, wurde nichts unternommen. Die Bevölkerung könne ja auch über die vorhandenen Lautsprecheranlagen der Feuerwehr gewarnt werden. Nachdem in den 80er- und 90er-jahren die „stille Alarmierung“der Feuerwehr über Funkmelder eingeführt wurde, dienen die Schallanlagen auf den Dächern für Einsätze nur noch als „zusätzliches Alarmierungsmittel“, also quasi als Reserve.
Die Stadtverwaltung hat die bestehenden Sirenen heuer nochmals durch eine Fachfirma untersuchen lassen, mit dem Ergebnis, „dass die konventionellen Motorsirenen aufgrund der stark veralteten Technik nicht mehr zu ertüchtigen sind und gegen neue Modelle ersetzt werden müssen“. Außerdem sind es zu wenige, denn die Stadt hat sich bekanntlich deutlich weiterentwickelt. Und dann sind da noch die verbreiteten Schallschutzfenster, die einen Teil des Signals schlucken. Die
Fachfirma hat als Kostenschätzung für die neuen Sirenen rund 350.000 Euro angesetzt. Hinzu kämen noch die Befestigungen, die aufwendiger sein müssen als früher, weshalb Bullinger eher von einer halben Million Euro ausgeht.
Allerdings will die Stadt erst noch einmal abwarten und mit dem
Landkreis verhandeln, denn der ist in erster Linie als untere Katastrophenschutzbehörde dafür zuständig, die Bevölkerung zu warnen. Der Kreis wird angesichts des Gesinnungswandels in der Politik, die nun wieder auf Sirenen setzt, ein „Konzept unter Berücksichtigung der aktuellen Förderprogramme des
Bundes und des Landes“vorlegen. Die Frage der Finanzierung müsse noch geklärt werden.
Den Anstoß dafür, dass sich die Stadt Neu-ulm jetzt im zuständigen Ausschuss für Finanzen, Inneres und Bürgerdienste mit den Sirenen befasste, hatte ein Antrag von Rudolf Erne (SPD) gegeben. Er wollte wissen, wie angesichts der Flutkatastrophe mögliche Defizite bei der Alarmierung behoben werden könnten. Beim letzten Probealarm habe sich gezeigt, dass es auch noch in Neu-ulm Lücken gebe und „nicht alles so reibungslos funktioniert hat“. Johannes Stingl (CSU) meint, bei der Alarmierung sei jetzt primär der Landkreis gefragt: „Das halten wir für den richtigen Weg.“Grundsätzlichen sei es ein sehr wichtiges Thema.
Das bayerische Innenministerium hatte bis zur Flutkatastrophe die Haltung vertreten, zur Warnung der Bevölkerung müssten nicht zwingend die herkömmlichen Dachsirenen eingesetzt werden. Es gebe auch andere Warninstrumente, etwa mobile Sirenen, Lautsprecherfahrzeuge, Warnung per Rundfunk oder per App. Jetzt setzt das Ministerium wieder auf die klassische Sirene.