Neu-Ulmer Zeitung

Die Neu‰ulmer Sirenen sind hoffnungsl­os veraltet

- VON RONALD HINZPETER

Sicherheit Das Comeback der klassische­n Warnanlage­n auf dem Dach ist offenbar nicht ganz so einfach umzusetzen

Neu‰ulm Nach der Flutkatast­rophe im Juli hat sich die Politik wieder einer Alarmierun­gsform erinnert, die in den vergangene­n Jahren auf den Dächern vor sich hin rottete: die Sirenen. Die sollen jetzt nach dem Willen des bayerische­n Innenminis­teriums wieder modernisie­rt werden. Dafür gibt es auch Geld. Allerdings muss vorher noch einiges geklärt werden, wie das Beispiel Neuulm zeigt.

Im gesamten Landkreis Neu-ulm stehen noch 105 dieser flachen Sirenenhau­ben auf diversen Dächern. Ihre Aufgabe: die Feuerwehre­n zu alarmieren und die Bevölkerun­g zu warnen. Doch benutzt werden sie kaum noch. Sie sind veraltet und müssten erst einmal für das Digitalzei­talter umgerüstet werden. Wie das Landratsam­t in einem Schreiben an die Neu-ulmer Stadtverwa­ltung feststellt, „ist davon auszugehen, dass das vorhandene Sirenennet­z für eine lückenlose Warnung der Bevölkerun­g derzeit nicht ausreichen­d ist“.

In der Großen Kreisstadt gibt es nach den Worten von Anton Bullinger, Dezernent für Personal, Organisati­on und Bürgerdien­ste, 16 Sirenenanl­agen,

die noch aus den 60erjahren stammen. Bei einer Überprüfun­g vor zwei Jahren stellte sich heraus, dass „sechs Anlagen einfache und vier Anlagen erhebliche Mängel aufweisen“. Doch weil Ersatzteil­e schwer zu bekommen sind und ohnehin eine Umrüstung auf digitale Technik bevorsteht, wurde nichts unternomme­n. Die Bevölkerun­g könne ja auch über die vorhandene­n Lautsprech­eranlagen der Feuerwehr gewarnt werden. Nachdem in den 80er- und 90er-jahren die „stille Alarmierun­g“der Feuerwehr über Funkmelder eingeführt wurde, dienen die Schallanla­gen auf den Dächern für Einsätze nur noch als „zusätzlich­es Alarmierun­gsmittel“, also quasi als Reserve.

Die Stadtverwa­ltung hat die bestehende­n Sirenen heuer nochmals durch eine Fachfirma untersuche­n lassen, mit dem Ergebnis, „dass die konvention­ellen Motorsiren­en aufgrund der stark veralteten Technik nicht mehr zu ertüchtige­n sind und gegen neue Modelle ersetzt werden müssen“. Außerdem sind es zu wenige, denn die Stadt hat sich bekanntlic­h deutlich weiterentw­ickelt. Und dann sind da noch die verbreitet­en Schallschu­tzfenster, die einen Teil des Signals schlucken. Die

Fachfirma hat als Kostenschä­tzung für die neuen Sirenen rund 350.000 Euro angesetzt. Hinzu kämen noch die Befestigun­gen, die aufwendige­r sein müssen als früher, weshalb Bullinger eher von einer halben Million Euro ausgeht.

Allerdings will die Stadt erst noch einmal abwarten und mit dem

Landkreis verhandeln, denn der ist in erster Linie als untere Katastroph­enschutzbe­hörde dafür zuständig, die Bevölkerun­g zu warnen. Der Kreis wird angesichts des Gesinnungs­wandels in der Politik, die nun wieder auf Sirenen setzt, ein „Konzept unter Berücksich­tigung der aktuellen Förderprog­ramme des

Bundes und des Landes“vorlegen. Die Frage der Finanzieru­ng müsse noch geklärt werden.

Den Anstoß dafür, dass sich die Stadt Neu-ulm jetzt im zuständige­n Ausschuss für Finanzen, Inneres und Bürgerdien­ste mit den Sirenen befasste, hatte ein Antrag von Rudolf Erne (SPD) gegeben. Er wollte wissen, wie angesichts der Flutkatast­rophe mögliche Defizite bei der Alarmierun­g behoben werden könnten. Beim letzten Probealarm habe sich gezeigt, dass es auch noch in Neu-ulm Lücken gebe und „nicht alles so reibungslo­s funktionie­rt hat“. Johannes Stingl (CSU) meint, bei der Alarmierun­g sei jetzt primär der Landkreis gefragt: „Das halten wir für den richtigen Weg.“Grundsätzl­ichen sei es ein sehr wichtiges Thema.

Das bayerische Innenminis­terium hatte bis zur Flutkatast­rophe die Haltung vertreten, zur Warnung der Bevölkerun­g müssten nicht zwingend die herkömmlic­hen Dachsirene­n eingesetzt werden. Es gebe auch andere Warninstru­mente, etwa mobile Sirenen, Lautsprech­erfahrzeug­e, Warnung per Rundfunk oder per App. Jetzt setzt das Ministeriu­m wieder auf die klassische Sirene.

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Foto: Alexander Kaya 16 Sirenen wie diese hier gibt es noch im Stadtgebie­t.

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