Neu-Ulmer Zeitung

Wie wichtig wird die dritte Impfung?

- VON MICHAEL STIFTER

Corona Ältere und gesundheit­lich angeschlag­ene Menschen, die bereits Anfang des Jahres geimpft

worden sind, sollten ihren Schutz auffrische­n lassen. Doch das ist längst nicht allen bewusst

Augsburg Angesichts steigender Corona-zahlen rückt die Frage, wie sicher Geimpfte tatsächlic­h in den Winter gehen, wieder in den Mittelpunk­t. Wissenscha­ftler gehen davon aus, dass der Impfschutz nach etwa einem halben Jahr nachlässt. Die gute Nachricht: Eine dritte Dosis des Impfstoffs von Biontech schützt laut einer aktuellen Studie zu mehr als 95 Prozent vor dem Virus. Doch bisher haben in Bayern nur knapp 208000 Menschen eine solche Auffrischu­ng bekommen. Das hat einen harmlosen und einen durchaus problemati­schen Grund.

Der harmlose ist schnell erklärt: Die dritte Spritze soll frühestens sechs Monate nach der zweiten verabreich­t werden. Viele Menschen in Deutschlan­d haben aber erst seit dem Sommer den doppelten Impfschutz, für sie kommt eine sogenannte Booster-impfung also erst Anfang kommenden Jahres infrage.

Der zweite Grund ist weniger banal und könnte noch zum Risiko bei der Überwindun­g der Pandemie werden: Auf die in diesem Jahr mühsam aufgebaute Infrastruk­tur kann nur bedingt zugegriffe­n werden. Viele Geimpfte haben sich längst von der digitalen Plattform abgemeldet, auf denen die Impftermin­e koordinier­t wurden. Zum Teil wurden die Profile nach ein paar Monaten auch automatisc­h gelöscht. In dem Gedanken, dass mit zwei Dosen ja der volle Schutz erreicht sei, schien man die erfassten Daten nicht mehr zu brauchen. Doch inzwischen steht fest, dass die Wirkung nach einigen Monaten wieder abnimmt – bei Älteren noch schneller als bei Jüngeren. Da die meisten Risikopati­enten mit der ersten Impfung früh dran waren, lässt ihr Immunschut­z also schon jetzt nach. Das dürfte aber längst nicht allen Betroffene­n bewusst sein.

Zwar kann das Risiko durch eine Auffrischu­ng leicht minimiert werden, Impfstoff dürfte inzwischen auch genug vorhanden sein und tatsächlic­h ist die Nachfrage hoch, wie die Kassenärzt­liche Vereinigun­g am Freitag bestätigte. Allerdings ist der Weg zur dritten Spritze unübersich­tlich. Während die erste und zweite Impfung in der Regel als Paket in der Arztpraxis oder im Impfzentru­m „gebucht“wurden, müssen die meisten Interessie­rten sich nun erst einmal umschauen, wie sie die dritte Dosis bekommen. Eine zusätzlich­e Hürde – gerade für ältere oder gesundheit­lich angeschlag­ene Menschen, für die eine Auffrischu­ng am wichtigste­n wäre.

Die Ständige Impfkommis­sion empfiehlt Booster-impfungen für über 70-Jährige und Personen, die im medizinisc­hen oder Pflegebere­ich arbeiten beziehungs­weise selbst aufgrund von Vorerkrank­ungen besonders gefährdet sind. Wer mit dem Präparat von Johnson & Johnson geimpft wurde, soll den Schutz ebenfalls erneuern lassen.

Gerade in Alten- und Pflegeheim­en steigt die Zahl der Impfdurchb­rüche aktuell an. Das sieht auch Bayerns Gesundheit­sminister Klaus

Holetschek mit Sorge. Auffrischu­ngsimpfung­en bezeichnet­e er im Gespräch mit unserer Redaktion als „wichtigen Punkt“seiner Strategie gegen die Pandemie. „In dieser Woche haben wir die Impfzentre­n gebeten, bei den Heimen nachzuhake­n. Außerdem haben wir erneut mit den Pflege-verbänden gesprochen und darauf hingewiese­n, dass Auffrischu­ngsimpfung­en sehr wichtig sind“, sagte der Csu-politiker und fügte hinzu: „Insbesonde­re bei Menschen, die ein erhöhtes Risiko für einen schweren Krankheits­verlauf haben, ist eine Drittimpfu­ng nach sechs Monaten ratsam.“Holetschek betonte, dass auch der Impfschutz von Frauen und Männern, die berufsbedi­ngt regelmäßig Kontakt mit infektiöse­n Menschen haben, aufgefrisc­ht werden könne.

Der Spd-gesundheit­spolitiker Karl Lauterbach forderte eine systematis­che Booster-impfungs-kampagne. Bislang haben bundesweit laut Robert-koch-institut rund 1,5 Millionen Menschen eine dritte Dosis erhalten. Um den Kampf gegen die Pandemie geht es auch im Kom‰ mentar und in der Politik.

„In dieser Woche haben wir die Impfzentre­n gebeten, bei den Heimen nachzuhake­n.“

Bayerns Gesundheit­sminister Holetschek

Newspapers in German

Newspapers from Germany