Die Selbstverständlichkeit des Seins
Test Der grundsolide VW ID.3 zeigt, wie normal sich ein Elektroauto inzwischen anfühlt
Elektroauto, na und? Wer in einem VW ID.3 unterwegs ist, darf sich ungefähr so exotisch fühlen wie in einem VW Golf. Der hat ja in der alten Autowelt bekanntlich die Normalität perfektioniert, was keine Kritik ist, im Gegenteil. Und obwohl der ID.3 designmäßig progressiver auftritt, kann er genau das werden: der Golf unter den Stromern. Der Golf der Neuen Welt.
Preislich geht es ab knapp 32 000 Euro los. Wer den etwas größeren (und empfehlenswerteren) Akku haben will, muss mindestens 35460 Euro berappen. Abzüglich der Förderprämie landen Käufer damit in Regionen, die sie von einem passabel ausgestatteten Golf kennen. So viel vorweg: Seinen konventionellen
Bruder – sofern man hier überhaupt eine Verwandtschaft sehen mag – lässt der ID.3 hinter sich. Und zwar in so gut wie allen Disziplinen.
Punkt eins: Platz. Obwohl er mit 4,26 Metern Länge noch guten Gewissens der Kompaktklasse zugerechnet werden darf, bietet der Stromer aus Wolfsburg ein Innenraumambiente, das locker ein, zwei Klassen darüber liegt. Die konstruktionsbedingten Vorteile eines Elektroautos haben die Ingenieure prima ausgenutzt. Der lange Radstand ermöglicht sowohl auf den vorderen als auch auf den hinteren Sitzen nahezu fürstliche Platzverhältnisse. Die Abstände zwischen den Sitzen, den Reihen, zur Windschutzscheibe und zu den Türen – all das wirkt luftig, großzügig und hell. Die Kommunikation mit dem Auto läuft komplett über Berührbildschirm oder Sprache, was leider beides gewöhnungsbedürftig ist.
Zu Punkt zwei, dem Antrieb. 150 kw/204 PS sind allein schon ein Wort in einem Kompakten. Werden sie zudem elektrisch dargereicht, stellt sich auch hier das elektro-typische Gefühl ansatzloser Beschleunigung ein. Bitter für Traditionalisten: So einen Antritt legt der schärfste GTI nicht hin. Der ID.3 hat sogar Heckantrieb!
Womit wir zu Punkt drei kommen, dem Fahrverhalten. Das Fahrwerk ist so sauber abgestimmt, wie man es kennt aus Wolfsburg. Die schwere Batterie (495 Kilogramm) stört überhaupt nicht, sondern wirkt, da tief im Unterboden verbaut, sogar eher stabilisierend. 58 kw fasst der Akku in der mittleren Version, was Reichweiten von 300 bis 426 Kilometern bedeutet. In unserem Praxistest lief es meist auf Distanzen von um die 350 Kilometer hinaus, lediglich auf der Autobahn musste der ID.3 Federn lassen. Einmal Augsburg – Bad Wörishofen und zurück kostete etwa 100 Kilometer mehr Reichweite, als die tatsächliche Streckenlänge betrug.
Laden ist kein Problem. Das Navi findet zig Säulen. Dann: 35 Minuten am Schnelllader auf 80 Prozent. Oder sechs Stunden an der Wallbox bis 100 Prozent. Alles ganz selbstverständlich. Tobias Schaumann