Vier Autofahrten bis zum neuen Schrank
Von dem Liedermacher Reinhard Mey stammt die schöne Erkenntnis, dass man nicht kann, was man nicht übt. Bei ihm geht es um den Umgang mit Behörden und die verzweifelte Suche nach einem Antrag auf Erteilung eines Antragsformulars zur Bestätigung der Richtigkeit des Durchschriftexemplars, das einfach auf keiner Dienststelle zu finden ist. So wird der Sänger von A nach B und zurück geschickt. Jetzt bemühen sich unsere Ämter seit längerem, bürgerfreundlicher zu werden, die Weisheit, dass man ohne Übung die Klippen des Alltagslebens aber nur schwer umschifft, bewahrheitet sich nichtsdestotrotz an vielen Stellen.
In meinem Leben habe ich bereits einige Schränke aufgebaut. Das Tückische ist, dass man es nicht täglich macht.
Die Kinder in der Familie wachsen – und mit ihnen die Zahl der Dinge, die man zum Leben braucht. Anziehsachen, Spielzeug, Bücher. Mit anderen Worten: Ein neuer Schrank muss her.
Als Student wäre ich zum Möbelhaus gefahren, hätte einen ausgesucht, eingepackt, aufgestellt. In einer Familie ist es komplizierter, der Abstimmungsbedarf steigt. Jeder soll schließlich glücklich werden.
Die erste Fahrt führt deshalb lediglich in das Möbelhaus, um Schränke anzusehen, zu öffnen, zu vergleichen, Prospekte nach Hause zu tragen und darüber zu schlafen. Am Ende entscheiden wir uns für den Schrank, den wir als Erstes im Auge hatten.
Bei der zweiten Fahrt die eigentliche Arbeit: Kindersitze ausbauen, Rückbank umlegen, Platz im Kombi schaffen, bei Ikea Kartons ins Auto hieven. Alles so einfach, so gut, wären wir nicht Kinder unserer Zeit – und das bedeutet aktuell an vielen Stellen: unterbrochene Lieferketten, Materialengpässe. Kurz gesagt: Seitenwände, Boden und Schrankdeckel waren vorrätig, nicht aber die Türen. Die gab es drei Wochen später. Lassen Sie es sich gesagt sein: Ein Schrank ohne Türen hat durchaus seinen Charme: Man kann ohne Hindernis Dinge hineinlegen. Überhaupt – was ist im Leben jemals fertig?
Drei Wochen später also nochmals: Kindersitze ausbauen, Rückbank umlegen, Platz im Kombi schaffen, Schranktüren holen. (Dass die Türen vorrätig sind, habe ich zuvor online überprüft.) Daheim hätte ich die Türen gleich anschrauben können, hätte ich nicht eine Kleinigkeit vergessen: die Scharniere. Wir steigen also noch ein paar Tage über Möbelkartons, bis mich der Händler in der Folgewoche zum vierten Mal sieht.
Schön sieht er jetzt aus, unser neuer Schrank!
Um in Übung zu bleiben, habe ich gleich ein zusätzliches Exemplar eingepackt.