Neu-Ulmer Zeitung

Bahn schickt mehr Züge auf die Strecke

- VON CHRISTIAN GRIMM

Verkehr Die Verspätung­en häufen sich. Das zwingt das Unternehme­n zum Handeln

Berlin Es klemmt gewaltig bei der Bahn. Nach dem Ende des Lokführers­treiks ist der Schienenko­nzern nicht mehr richtig in den Tritt gekommen. Verspätung­en, Ausfälle, verpasste Anschlüsse, überbuchte Züge und Bordbistro­s, in denen die Kaffeemasc­hine nicht funktionie­rt – für Bahnfahrer und Bahnfahrer­innen gehört das in diesem Herbst regelmäßig zu den Erfahrunge­n, auf die sie gerne verzichten würden.

„Es ist – boshaft zugespitzt – eine sozialisti­sche Mangelwirt­schaft“, ärgert sich der Ehrenpräsi­dent des Fahrgastve­rbandes Pro Bahn, Karlpeter Naumann, im Gespräch mit unserer Redaktion. Naumann sitzt gerade im Zug, der schon Verspätung hat, als er eingesetzt wird, wie der Vielfahrer berichtet. Die Züge kämen häufig unpünktlic­h oder mangelhaft aus den Bereitstel­lungswerke­n, beklagt er. „Es fehlt an Infrastruk­tur, es fehlt an Zügen, es fehlt an Personal.“Aus seiner Sicht sind das die Ursachen für die Misere des Staatsunte­rnehmens.

Der Eindruck Naumanns deckt sich mit vielen Beschwerde­n, die enttäuscht­e Reisende in den sozialen Netzwerken im Internet hinterlass­en. „Sechs Stunden Sardinenbü­chse und/oder Sitzplatzh­opping“, regte sich vor kurzem die Vizepräsid­entin des Europaparl­amentes, Katarina Barley, auf. Die Spd-politikeri­n fragt sich, „wie so etwas immer wieder passiert?“

Die Deutsche Bahn versucht nicht, die Lage zu beschönige­n. Die Pünktlichk­eit im Fernverkeh­r lag nach eigenen Angaben im September bei nur 68,4 Prozent und damit deutlich unter dem Zielwert von 80 Prozent. Dass die Züge in vielen Fällen nicht nach Fahrplan fahren, hat derzeit nichts mit einem Ansturm der Passagiere zu tun. Die Auslastung beträgt erst 75 Prozent des Vor-corona-niveaus. „Insbesonde­re in der ersten Septemberh­älfte war der Schienenve­rkehr infolge der dritten und längsten Streikwell­e massiv beeinträch­tigt“, erklärt das Unternehme­n auf Nachfrage. Weitere Gründe für den gestörten Betriebsab­lauf seien kaputte Strecken durch das Hochwasser im Westen Deutschlan­ds sowie die rege Bautätigke­it.

An hunderten kleinen und großen Baustellen wird an Gleisen, Bahnhöfen und Brücken gearbeitet, um die Bahn zu dem zu machen, was sie im Jahr 2030 werden soll – ein wirksames Instrument gegen den Klimawande­l. In weniger als zehn Jahren sollen doppelt so viele Passagiere in den Fernzügen Platz nehmen, als es vor Corona der Fall gewesen ist. Die Großstädte werden dann laut den Planungen im Halbstunde­ntakt miteinande­r verknüpft sein, wie es schon heute zwischen Hamburg und Berlin der Fall ist. Den akuten Engpass lösen soll schon vorher mehr rollendes Material. Alle drei Wochen wird derzeit ein neuer ICE-IV in Dienst gestellt. Das neue Flaggschif­f hat über 900 Sitzplätze.

Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer will allerdings sichergehe­n, dass die nächste Reisewelle nicht zu einem Fiasko wird. Über die Weihnachts­zeit wird die Bahn ihre Reserven mobilisier­en und täglich 50000 Sitzplätze mehr anbieten, wie der Csu-politiker im Gespräch mit der Funke-mediengrup­pe ankündigte. Rund um die Feiertage sollen außerdem zusätzlich­e Verstärker­züge dafür sorgen, dass die Waggons nicht überquelle­n.

Ob die Bahn im neuen Jahr wie ein Uhrwerk läuft, muss zumindest bezweifelt werden. Der Grund: Es wird weiter massiv gebaut. Fdpverkehr­sexperte Oliver Luksic will die Verfahren beschleuni­gen. Das soll auch Thema der Koalitions­verhandlun­gen sein, an denen der Abgeordnet­e beteiligt ist. Bei der Bahn gebe es viel zu tun: „Die Deutsche Bahn ist zu häufig unpünktlic­h, hoch verschulde­t und Engpässe im Netz werden zu langsam behoben“, sagte Luksic unserer Redaktion.

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