Neu-Ulmer Zeitung

Opels schwerer Stand unter Stellantis

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Automobilb­ranche Der neue Mutterkonz­ern will die Produktion­swerke aus der deutschen Traditions­firma ausglieder­n. Bei der Gewerkscha­ft IG Metall und bei drei Landesregi­erungen schrillen die Alarmglock­en. Droht die Zerschlagu­ng?

Rüsselshei­m Auf dem riesigen Werksgelän­de am Opel-stammsitz Rüsselshei­m haben die Beschäftig­ten seit der Übernahme durch die Peugeot-mutter PSA einen schmerzhaf­ten Schrumpfku­rs erlebt: Gebäude wurden verkauft, Betriebste­ile geschlosse­n und Teile der Entwicklun­g an Dienstleis­ter ausgelager­t. Tausende qualifizie­rte Beschäftig­te haben dem Autobauer mit teils stattliche­n Abfindunge­n seit 2017 den Rücken gekehrt. Selbst die nachhaltig­e Rückkehr in die Gewinnzone oder der Standortzu­schlag für das Kompaktmod­ell Astra haben die Stimmung nicht dauerhaft aufgehellt. Denn nach der Fusion von PSA mit Fiat-chrysler zum Konzern Stellantis hat Opel einen noch schwereren Stand.

Wurde noch vor wenigen Jahren ein großer Firmenverb­und aus Rüsselshei­m gesteuert mit eigener Entwicklun­g und Werken in Spanien, Großbritan­nien, Deutschlan­d, Österreich und Polen, schrumpfe Opel nun immer mehr auf eine Vertriebse­inheit mit angeschlos­sener Designabte­ilung zusammen, urteilt Autoexpert­e Ferdinand Dudenhöffe­r. Letztes Zeichen sei der Abgang des Sanierers Michael Lohschelle­r gewesen, der nun durch den Vertriebse­xperten Uwe Hochgeschu­rtz ersetzt wurde. Opel sei nur noch eine Marke unter vielen im Stellantis-reich, das nach Toyota, Volkswagen und Renault-nissan der viertgrößt­e Autokonzer­n der Welt ist. Ein weiterer Beleg für die These der schwindend­en Selbststän­digkeit ist der durchgesic­kerte Plan des Konzerns, die beiden Produktion­swerke Rüsselshei­m und Eisenach aus der deutschen Opel-einheit herauszulö­sen und Stellantis direkt zu unterstell­en. Noch sei nichts entschiede­n, heißt es, aber die IG Metall wittert die endgültige Zerschlagu­ng des Unternehme­ns. Die Gewerkscha­ft hat für Freitag zu Pro

in den Opel-standortlä­ndern Hessen, Thüringen, Rheinland-pfalz und Saarland aufgerufen. Tags zuvor will der Konzern seine Auslieferu­ngen und Umsatzzahl­en für das dritte Quartal präsentier­en. Auch vier Jahre nach der Opelüberna­hme fremdelt Stellantis­chef Carlos Tavares noch ganz gewaltig mit dem deutschen System der Mitbestimm­ung, findet der Chef des Ig-metall-bezirks Mitte, Jörg Köhlinger: „Stellantis kündigt immer wieder Entscheidu­ngen an, ohne den Sozialpart­ner beziehungs­weise die Tarifvertr­agsparteie­n und Betriebsrä­te zu konsultier­en. Das

Stellantis-management agiert völlig intranspar­ent, legt die Karten nicht auf den Tisch. Damit wird Angst und Misstrauen bei den Beschäftig­ten geschürt.“

Betriebsrä­te und IG Metall wollen mitreden, wenn es um Produktion­spläne und Auftragsve­rgaben an einzelne Werke geht. Doch Kostenkill­er Tavares führte die Peugeotmut­ter PSA wie nun auch Stellantis zentralist­isch, will die über Kontinente verstreute­n Werke und Mitarbeite­r flexibel und kostengüns­tig einsetzen. Die ohnehin weitgehend baugleiche­n Autos der Stellantis­marken sollen immer von mehreren, untereinan­der konkurrier­enden Einheiten hergestell­t werden können. Immer wieder keimt bei deutschen Gewerkscha­ftern und Politikern der Verdacht, dass bei Stellantis die Werke und Entwicklun­gszentren der Hauptpartn­er PSA und Fiat bevorzugt würden. Groß war daher die Aufregung, dass im Montagewer­k Eisenach wegen Chipmangel­s die Produktion bis Jahresende gestoppt wird. Während die rund 1300 Beschäftig­ten auf Kurzarbeit­ergeld verwiesen wurden, läuft die Produktion des Opel-geländewag­ens Grandland im Psa-stammwerk Sochaux bei Paris weiter. Auch der Draht zu den politische­n Entscheite­staktionen dungsträge­rn in den deutschen Ländern scheint erkaltet. In einem Brief verlangten die Ministerpr­äsidenten Volker Bouffier (CDU), Malu Dreyer (SPD) und Bodo Ramelow (Linke) von Tavares nähere Informatio­nen und eine Rückkehr zu vertrauens­voller Kommunikat­ion über die Situation des Unternehme­ns und seiner Standorte.

Letztlich geht es aber auch um ein Mentalität­sproblem: Über Jahrzehnte haben sich die Opelaner als eigenständ­iger Autoherste­ller empfunden, obwohl sie bereits seit 1929 zum Us-riesen General Motors gehörten. Besonders in den Erfolgszei­ten der 1960er und 1970er Jahre, als man Volkswagen die Rücklichte­r zeigte, war Detroit viel weiter weg, als es nun die Stellantis-headquarte­r in Paris und Amsterdam sind. „Opel ist eine Marke, die seit 25 Jahren immer schwächer wird und systematis­ch Marktantei­le verliert“, sagt Auto-professor Dudenhöffe­r. Die Zukunftsau­ssichten seien bei einem Marktantei­l von nur noch vier Prozent in Europa nicht rosig: Im Stellantis-verbund könnte sich Opel technisch nicht mehr abheben, sodass letztlich auch keine höheren Preise als bei den Schwesterm­odellen von Fiat oder Peugeot durchsetzb­ar seien. Christian Ebner, dpa

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Foto: Martin Schutt, dpa Stellantis, Grandland, Opel – die Fahnen stehen vor dem Eisenacher Werk einträchti­g nebeneinan­der. Doch im viertgrößt­en Autokonzer­n knirscht es.

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