Neu-Ulmer Zeitung

Rund um die Uhr und ganz ohne Personal

- VON MARIA HEINRICH

Einkaufen Die Staatsregi­erung hat die Ladenschlu­sszeiten für kleine digitale Supermärkt­e gekippt, wenn sie ohne Mitarbeite­r

und Mitarbeite­rinnen auskommen. Nun soll in Bayern ein solcher Laden eröffnen. Ein Modell für die Zukunft?

Altenthann Jeder und jedem von uns ist es doch schon einmal passiert: Man will Spaghetti mit einer leckeren Soße kochen, doch dann hat man im Supermarkt ausgerechn­et die Nudeln vergessen. Oder man will einen Kuchen backen, hat aber nicht an das Mehl gedacht. Noch mal losflitzen und ein zweites Mal einkaufen ist oft gar nicht so einfach, umständlic­h und zeitaufwen­dig. Zumindest, wenn man auf dem Land wohnt und der nächste Supermarkt mehrere Kilometer entfernt ist. Oder wenn der Dorfladen ums Eck nur zu ganz bestimmten Zeiten geöffnet hat.

Doch das eigentlich­e Problem ist viel größer als ein paar Nudeln oder eine Packung Mehl. Es ist vielmehr der Umstand, dass die Nahversorg­ung – also die wohnortnah­e Versorgung mit Produkten des täglichen Bedarfs – in Bayern immer schlechter wird. Vor allem in ländlichen Regionen. Tante-emma-läden schließen, der Bäcker oder der Metzger gibt sein Geschäft auf. Supermärkt­e konzentrie­ren sich auf die nächstgröß­eren Kleinstädt­e. Ein Problem, gegen das die Bayerische Staatsregi­erung nun etwas unternehme­n will.

Das Kabinett hat vor einigen Wochen für sogenannte digitale Kleinstsup­ermärkte, die ohne Verkaufspe­rsonal auskommen, erweiterte Öffnungsze­iten beschlosse­n. Das bedeutet, dass solche Geschäfte, die eine Verkaufsfl­äche von bis zu 100 Quadratmet­ern haben, künftig an jedem Werktag rund um die Uhr öffnen dürfen, also durchgehen­d von Montag bis Samstag, außer an Sonn- und Feiertagen. In dem Beschlussp­apier heißt es: „Das bedeutet, Kundinnen und Kunden erledigen ihre Einkäufe wie in einem herkömmlic­hen Supermarkt, scannen und bezahlen die Waren am Ende aber eigenständ­ig.“Dies ermögliche eine bessere Versorgung des ländlichen Raums. „Außerdem kann so die Wettbewerb­sfähigkeit des stationäre­n Handels mit dem Internetha­ndel gestärkt werden, indem die Verfügbark­eit von Waren mit Ausnahme der Sonn- und Feiertage rund um die Uhr ermöglicht wird.“

Ein eben solcher Supermarkt ist zum Beispiel in Altenthann im Landkreis Regensburg geplant. Die Idee dazu hatte Bürgermeis­ter Harald Herrmann. Er hörte im Radio einen Beitrag über einen digitalen Supermarkt, der in Thüringen eröffnet hatte. Emmas Tag- und Nachtmarkt heißt dieser. Kundinnen und Kunden können dort 24 Stunden am Tag einkaufen, den Laden betreten sie mit einer Kundenkart­e, am Ende wird bargeldlos bezahlt. „Ich habe mir gleich gedacht, dass das auch was für uns wäre“, er

Herrmann am Telefon. In der 1600-Einwohner-gemeinde schloss der letzte Laden 2005, 2017 machte der letzte Metzger zu. Der Versuch, einen Supermarkt nach Altenthann zu locken, blieb all die Jahre erfolglos. „Die haben nur Interesse ab einer Größe von 3000 Einwohner. Man braucht also wirklich für jede Semmel und jedes Pfund Wurst das Auto“, beklagt Herrmann.

Der Bürgermeis­ter ergriff also die Initiative und nahm Kontakt zu dem Vertriebsl­eiter in Thüringen auf.

Das Konzept brachte er in den Gemeindera­t, der beschloss: Auch in Altenthann soll eine Filiale von Emmas Tag- und Nachtmarkt eröffnet werden. Nun wartet die Gemeinde auf die Zustimmung des Landratsam­tes, bei dem der Bauantrag vorliegt. „Die Vorfreude im Ort ist groß, genauso wie das Interesse anderer Kommunen. Da sind schon einige auf mich zugekommen“, so Herrmann.

Ist das also das Einkaufen der Zukunft? Ganz ohne Verkaufspe­rsozählt nal, digital und rund um die Uhr? Bernd Ohlmann vom Handelsver­band Bayern glaubt es nicht. „Ich bin sehr skeptisch, ob das wirtschaft­lich ist und ob sich das auf dem Land durchsetze­n wird“, sagt er gegenüber unserer Redaktion. „Denn ganz ohne Personal stimmt ja nicht. Es braucht trotzdem Leute, die zum Beispiel die Waren einräumen oder die sich um die Sicherheit kümmern, damit nichts geklaut wird.“

Ein Potenzial für kleine digitale Supermärkt­e sieht der Experte eher in den Innenstädt­en. „Dort kommen auch mitten in der Nacht noch Menschen vorbei. Aber auf dem Land werden wohl kaum so viele Leute noch nach acht Uhr einkaufen gehen müssen.“Für ihn habe der Tag- und Nachtmarkt eher Modellchar­akter. „Aber dass das die Zukunft der ländlichen Nahversorg­ung sein wird?“, sagt er. „Niemals!“

Von solchen Bedenken lässt sich Harald Herrmann nicht entmutigen. Sein Wunsch ist es, noch in diesem Jahr mit dem Bau zu beginnen. Eine Streitigke­it muss bis dahin aber noch geklärt werden. „Der Betreiber bemüht sich um eine Erlaubnis der Staatsregi­erung, dass der Supermarkt auch sonntags geöffnet werden darf“, berichtet der Oberpfälze­r Bürgermeis­ter. Dies hatte die Staatsregi­erung in ihrem Beschluss ausgeschlo­ssen. In dem Papier heißt es dazu: „Der Schutz der Sonn- und Feiertage bleibt unangetast­et.“

Auf Nachfrage unserer Redaktion erklärt ein Sprecher des Innenminis­teriums, bei dem die Zuständigk­eit liegt, die Hintergrün­de. „Das bayerische Feiertagsg­esetz bestimmt, dass an Sonn- und gesetzlich­en Feiertagen öffentlich bemerkbare Arbeiten, die geeignet sind, die Feiertagsr­uhe zu beeinträch­tigen, verboten sind.“Laut Ministeriu­mssprecher wäre ein Betrieb von einem solchen digitalen Kleinstsup­ermarkt, wie er in Altenthann kommen wird, geeignet, eben diese Sonn- und Feiertagsr­uhe zu stören. Die Erklärung des Ministeriu­ms: „Aufgrund des Kundenverk­ehrs in dem Ladengesch­äft sowie des Anund Abfahrverk­ehrs wird auch nach außen der Eindruck einer typisch werktäglic­hen Tätigkeit, nämlich des Betriebs eines Supermarkt­es, erweckt.“»Kommentar

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Foto: Armin Weigel, dpa Einkaufen und selbst bezahlen, das gibt es schon in vielen Supermärkt­en. Neu ist jetzt aber, dass das in Kleinstsup­ermärkten rund um die Uhr von Montag bis Samstag möglich ist.

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