Rund um die Uhr und ganz ohne Personal
Einkaufen Die Staatsregierung hat die Ladenschlusszeiten für kleine digitale Supermärkte gekippt, wenn sie ohne Mitarbeiter
und Mitarbeiterinnen auskommen. Nun soll in Bayern ein solcher Laden eröffnen. Ein Modell für die Zukunft?
Altenthann Jeder und jedem von uns ist es doch schon einmal passiert: Man will Spaghetti mit einer leckeren Soße kochen, doch dann hat man im Supermarkt ausgerechnet die Nudeln vergessen. Oder man will einen Kuchen backen, hat aber nicht an das Mehl gedacht. Noch mal losflitzen und ein zweites Mal einkaufen ist oft gar nicht so einfach, umständlich und zeitaufwendig. Zumindest, wenn man auf dem Land wohnt und der nächste Supermarkt mehrere Kilometer entfernt ist. Oder wenn der Dorfladen ums Eck nur zu ganz bestimmten Zeiten geöffnet hat.
Doch das eigentliche Problem ist viel größer als ein paar Nudeln oder eine Packung Mehl. Es ist vielmehr der Umstand, dass die Nahversorgung – also die wohnortnahe Versorgung mit Produkten des täglichen Bedarfs – in Bayern immer schlechter wird. Vor allem in ländlichen Regionen. Tante-emma-läden schließen, der Bäcker oder der Metzger gibt sein Geschäft auf. Supermärkte konzentrieren sich auf die nächstgrößeren Kleinstädte. Ein Problem, gegen das die Bayerische Staatsregierung nun etwas unternehmen will.
Das Kabinett hat vor einigen Wochen für sogenannte digitale Kleinstsupermärkte, die ohne Verkaufspersonal auskommen, erweiterte Öffnungszeiten beschlossen. Das bedeutet, dass solche Geschäfte, die eine Verkaufsfläche von bis zu 100 Quadratmetern haben, künftig an jedem Werktag rund um die Uhr öffnen dürfen, also durchgehend von Montag bis Samstag, außer an Sonn- und Feiertagen. In dem Beschlusspapier heißt es: „Das bedeutet, Kundinnen und Kunden erledigen ihre Einkäufe wie in einem herkömmlichen Supermarkt, scannen und bezahlen die Waren am Ende aber eigenständig.“Dies ermögliche eine bessere Versorgung des ländlichen Raums. „Außerdem kann so die Wettbewerbsfähigkeit des stationären Handels mit dem Internethandel gestärkt werden, indem die Verfügbarkeit von Waren mit Ausnahme der Sonn- und Feiertage rund um die Uhr ermöglicht wird.“
Ein eben solcher Supermarkt ist zum Beispiel in Altenthann im Landkreis Regensburg geplant. Die Idee dazu hatte Bürgermeister Harald Herrmann. Er hörte im Radio einen Beitrag über einen digitalen Supermarkt, der in Thüringen eröffnet hatte. Emmas Tag- und Nachtmarkt heißt dieser. Kundinnen und Kunden können dort 24 Stunden am Tag einkaufen, den Laden betreten sie mit einer Kundenkarte, am Ende wird bargeldlos bezahlt. „Ich habe mir gleich gedacht, dass das auch was für uns wäre“, er
Herrmann am Telefon. In der 1600-Einwohner-gemeinde schloss der letzte Laden 2005, 2017 machte der letzte Metzger zu. Der Versuch, einen Supermarkt nach Altenthann zu locken, blieb all die Jahre erfolglos. „Die haben nur Interesse ab einer Größe von 3000 Einwohner. Man braucht also wirklich für jede Semmel und jedes Pfund Wurst das Auto“, beklagt Herrmann.
Der Bürgermeister ergriff also die Initiative und nahm Kontakt zu dem Vertriebsleiter in Thüringen auf.
Das Konzept brachte er in den Gemeinderat, der beschloss: Auch in Altenthann soll eine Filiale von Emmas Tag- und Nachtmarkt eröffnet werden. Nun wartet die Gemeinde auf die Zustimmung des Landratsamtes, bei dem der Bauantrag vorliegt. „Die Vorfreude im Ort ist groß, genauso wie das Interesse anderer Kommunen. Da sind schon einige auf mich zugekommen“, so Herrmann.
Ist das also das Einkaufen der Zukunft? Ganz ohne Verkaufspersozählt nal, digital und rund um die Uhr? Bernd Ohlmann vom Handelsverband Bayern glaubt es nicht. „Ich bin sehr skeptisch, ob das wirtschaftlich ist und ob sich das auf dem Land durchsetzen wird“, sagt er gegenüber unserer Redaktion. „Denn ganz ohne Personal stimmt ja nicht. Es braucht trotzdem Leute, die zum Beispiel die Waren einräumen oder die sich um die Sicherheit kümmern, damit nichts geklaut wird.“
Ein Potenzial für kleine digitale Supermärkte sieht der Experte eher in den Innenstädten. „Dort kommen auch mitten in der Nacht noch Menschen vorbei. Aber auf dem Land werden wohl kaum so viele Leute noch nach acht Uhr einkaufen gehen müssen.“Für ihn habe der Tag- und Nachtmarkt eher Modellcharakter. „Aber dass das die Zukunft der ländlichen Nahversorgung sein wird?“, sagt er. „Niemals!“
Von solchen Bedenken lässt sich Harald Herrmann nicht entmutigen. Sein Wunsch ist es, noch in diesem Jahr mit dem Bau zu beginnen. Eine Streitigkeit muss bis dahin aber noch geklärt werden. „Der Betreiber bemüht sich um eine Erlaubnis der Staatsregierung, dass der Supermarkt auch sonntags geöffnet werden darf“, berichtet der Oberpfälzer Bürgermeister. Dies hatte die Staatsregierung in ihrem Beschluss ausgeschlossen. In dem Papier heißt es dazu: „Der Schutz der Sonn- und Feiertage bleibt unangetastet.“
Auf Nachfrage unserer Redaktion erklärt ein Sprecher des Innenministeriums, bei dem die Zuständigkeit liegt, die Hintergründe. „Das bayerische Feiertagsgesetz bestimmt, dass an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen öffentlich bemerkbare Arbeiten, die geeignet sind, die Feiertagsruhe zu beeinträchtigen, verboten sind.“Laut Ministeriumssprecher wäre ein Betrieb von einem solchen digitalen Kleinstsupermarkt, wie er in Altenthann kommen wird, geeignet, eben diese Sonn- und Feiertagsruhe zu stören. Die Erklärung des Ministeriums: „Aufgrund des Kundenverkehrs in dem Ladengeschäft sowie des Anund Abfahrverkehrs wird auch nach außen der Eindruck einer typisch werktäglichen Tätigkeit, nämlich des Betriebs eines Supermarktes, erweckt.“»Kommentar