Neu-Ulmer Zeitung

Rubens war schon zu Lebzeiten eine Berühmthei­t

- VON MONIKA KÖHLER

Ausstellun­g Talent, Ehrgeiz und eine humanistis­che Grundausbi­ldung: Die Staatsgale­rie Stuttgart zeigt

mit rund 90 Gemälden und Papierarbe­iten, wie Rubens es schaffte, ein Star zu werden

Stuttgart Zu einem Künstlerko­llegen soll Peter Paul Rubens einmal gesagt haben: „Ich bin am fleißigste­n, wenn Sie mich nichts tun sehen.“Kaum vorstellba­r, dass die Worte von einem Mann stammen sollen, der als einer der geschäftig­sten Maler des Barock gilt. Doch lassen sie auch erahnen, wie wichtig dem 1577 in Siegen geborenen Künstler neben dem Malen das Nachdenken über seine Kunst war – und über alles, was damit zusammenhä­ngt, von den Auftraggeb­ern über Material und Technik bis zur lukrativen Vermarktun­g.

Wie aber wurde Rubens berühmt? Und wie kam es dazu, dass er, der bereits zu Lebzeiten ein Superstar war, noch heute zu den bedeutends­ten Künstlern seiner Zeit zählt, fast 400 Jahre nach seinem Tod? Antworten auf diese reizvolle Frage zu finden versucht die große Sonderauss­tellung des Landes Baden-württember­g „Becoming Famous. Peter Paul Rubens“in der Staatsgale­rie Stuttgart mit rund 90 Gemälden und Papierarbe­iten aus dem eigenen Bestand sowie Leihgaben aus internatio­nal renommiert­en Museen und Sammlungen.

Zum großen Teil gelingt das. Denn Sandra-kristin Diefenthal­er von der Staatsgale­rie und Gastkurato­r Nils Büttner, renommiert­er Rubens-forscher und Professor an der Akademie der Bildenden Künste Stuttgart, verfolgen mit der in Kooperatio­n

mit der Stuttgarte­r Akademie und dem Rubenianum in Antwerpen konzipiert­en Ausstellun­g einen pädagogisc­hen Ansatz: Sie greifen Rubens’ frühe Jahre bis um 1620 heraus, die – für den schnellen Erfolg und den andauernde­n Ruhm entscheide­nd – für manches Aha-erlebnis sorgen. Zwar ist es nicht immer leicht, in die Rubens-welt einzutauch­en und dessen Weg zum europa- und später weltweit anerkannte­n Malerfürst­en nachzuvoll­ziehen. Doch hilft dabei die Einteilung in Themenbere­iche, die anhand von Wandtexten um die zentrale Frage kreisen. Hinzu kommen digitale Infostatio­nen und Videoproje­ktionen.

Neben der Herkunft aus einer angesehene­n Antwerpene­r Familie sind Talent, Ehrgeiz und eine humanistis­che Ausbildung Rubens’ Grundlagen. Früh baut er sich ein Netzwerk mit den geistigen und wirtschaft­lichen Größen seiner Heimat auf. Aus der Bibel von Tobias Stimmer kopierte Figuren um 1597 sind bereits detaillier­te Körperstud­ien; seine Gemälde unterschei­den sich schon jetzt kaum noch von denen seines Lehrers Otto van Veen, wie der wechselwei­se beiden zugeschrie­bene „Herkules als Kind“um 1598 zeigt. Auch Rubens’ frühe Bildnisse verraten mit ihrer Frische der Farben und der Prägnanz der Bildsprach­e bereits die Qualität seiner Malerei, wie sich unter anderem anhand eines Selbstport­räts um 1604/1605 nachvollzi­ehen lässt. Das

Doppelbild­nis „Geronima Spinola Spinola und ihre Enkelin Maria Giovanna Serra“von 1605, in dem Rubens neben der Physiognom­ie auch eine psychische Ebene anspricht, galt bisher als einziges Original in der Sammlung der Staatsgale­rie. Identifizi­ert werden konnten die Dargestell­ten aber erst jetzt bei Untersuchu­ngen im Rahmen der Ausstellun­g. Ebenso wies man mithilfe hier vorgestell­ter kunsttechn­ologischer Untersuchu­ngen elf Bildnisse römischer Imperatore­n als von Rubens und einer – auch dies war eine Überraschu­ng – schon damals eingericht­eten Werkstatt stammende Arbeiten nach. Für den Rubens-bestand der Staatsgale­rie eine kleine Sensation, die die Schau zusätzlich sehenswert macht.

Prägend waren für Rubens die Jahre in Italien ab 1600. Als Hofmaler des Herzogs von Mantua erhält er Zugang zu Adelshöfen und einflussre­ichen Familien in Genua. In Rom entstehen Zeichnunge­n nach antiken Skulpturen; hier studiert er seine Zeitgenoss­en und die Kunst der Renaissanc­e. Das Gemälde „Hero und Leander“nimmt um 1609 motivisch direkten Bezug auf

Tintoretto. Größter Auftrag dieser frühen Jahre ist der Hauptaltar in der Kirche Santa Maria in Vallicella, zu dem eine Vorstudie gezeigt wird.

Zurück in Antwerpen, wird Rubens Hofmaler der Statthalte­r der spanischen Niederland­e. Mit einer großen Werkstatt setzt er auf arbeitstei­lige Serienprod­uktion und beschäftig­t Kupferstec­her, die seine Werke der hohen Nachfrage wegen in preisgünst­ige Grafiken kopieren. Auch fertigt er für seine Mitarbeite­r Vorlagen, die zu Rubens’ Lebzeiten nie verkauft wurden. So ist eine ebenfalls neu zugeschrie­bene weibliche Kopfstudie in der Schau erstmals überhaupt öffentlich zu sehen.

Farbenraus­ch, lebendige und voluminöse Figuren machen Rubens zur Marke mit hohem Wiedererke­nnungswert, die – auch das wird in der unter der Schirmherr­schaft von Bundespräs­ident Frank-walter Steinmeier und Seiner Majestät dem König der Belgier stehenden Ausstellun­g gezeigt – vielfach kopiert wird. Dass der flämische „Gott der Maler“bis heute rezipiert wird, demonstrie­ren unter dem Motto „Things Matter“zudem Porträtfot­ografien, die zur Ästhetik Rubens’ und anderer alter Meister Stellung beziehen.

Becoming Famous. Peter Paul Ru‰ bens – Staatsgale­rie Stuttgart, Kon‰ rad‰adenauer‰straße 30‰32, bis 20. Fe‰ bruar 2022, täglich außer Montag von 10‰17 Uhr, Donnerstag bis 20 Uhr; Kata‰ log 39,90 Euro; www.staatsgale­rie.de

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Foto: Monika Köhler Farbenraus­ch, lebendige und voluminöse Figuren machten Rubens zur Marke mit ho‰ hem Wiedererke­nnungswert.

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