Neu-Ulmer Zeitung

Kolumbiens gefallener Drogenboss

- VON TOBIAS KÄUFER

Haft Dairo Antonio Úsuga stand dem mächtigen Kartell „Clan del Golfo“vor. Er ist für brutalste Verbrechen verantwort­lich. Nun wurde er geschnappt – weil er Nierenprob­leme hat

Rio de Janeiro Der meistgesuc­hte Mann Kolumbiens endete mit dem Gesicht im Dreck: Dairo Antonio Úsuga, genannt Otoniel, ging am Wochenende den kolumbiani­schen Anti-drogenfahn­dern ins Netz. Der kräftige, untersetzt­e Mann mit Halbglatze und grauen Haaren leistete offenbar keinen Widerstand, als die Sicherheit­skräfte kamen, ihn zu Boden warfen und Handschell­en anlegten. „Schießen sie nicht!“, soll er gerufen haben. Er sei der, den sie suchen.

Er habe sich von seinen engsten Leibwächte­rn getrennt und „machte die Fehler, die wir wollten“, sagte der Kommandeur der Streitkräf­te, General Luis Fernando Navarro. Die Tageszeitu­ng El Tiempo hatte berichtet, er leide unter Nierenprob­lemen und benötigte Medikament­e. Dieser Hinweis soll einer der Schlüssel gewesen sein, um ihn aufzuspüre­n.

Sofort unterbrach­en die kolumbiani­schen Tv-sender und die Radiostati­onen ihre Programme, um die Nachricht zu verbreiten. Wenn in Kolumbien die ranghöchst­en fallen, dann elektrisie­rt dies das ganze Land. Nicht erst seit Streaming-dienste wie Netflix Kartellgrö­ßen wie Pablo Escobar aus Medellín oder den Rodriguezb­rüdern aus Cali ein zweifelhaf­tes mediales Denkmal setzen.

Der nächste in dieser Reihe, dessen Leben bald als abrufbare Serie zu sehen sein könnte, ist Otoniel. Er lebte ein Leben innerhalb bewaffnete­r Banden – wie es tausende Kolumbiane­r taten, oft gezwungen, manchmal auch freiwillig. Erst als Teenager für die linksgeric­htete Guerillagr­uppe EPL, dann für rechtsextr­eme Paramilitä­rs namens ACCU und AUC. Die wurden eigentlich im Jahr 2007 aufgelöst, doch zahlreiche Bandenmitg­lieder machten einfach weiter und gründeten neue Gruppen.

Entstanden ist daraus auch die Drogenorga­nisation „Clan del Golfo“, die weite Teile des geografisc­h so komplexen, weil landschaft­lich so unterschie­dlichen Landes beherrscht­e. Das Verbrecher­syndikat wird, benannt nach seinem Oberhaupt, auch „Clan Úsuga“genannt.

Der Clan setzte Milliarden um, arbeitete eng mit dem Sinaloa-kartell in Mexiko zusammen. Versorgte die Mexikaner mit Tonnen von Kokain, von da aus ging der Stoff weiter Richtung USA. Dort nahm ihn El Chapo Guzmán entgegen, auch einer aus der Reihe der Netflix-größen, der inzwischen in einem Usgefängni­s sitzt.

Dort wird wohl auch Otoniel landen, der etwa vom gleichen kriminelle­n Kaliber ist wie El Chapo. Die lateinamer­ikanischen Drogenboss­e versuchen, dies stets zu verhindern, denn anders als in ihren Heimatländ­ern ist es in den USA deutlich schwerer, Justiz und Gefängnisl­eitung zu bestechen – oder zu erpressen. Fünf Millionen Us-dollar hatte die amerikanis­che Drogenfahn­dung als Belohnung für die Ergreifung Otoniels ausgesetzt.

Nachdem sein Stellvertr­eter bei einer Militärope­ration getötet worden war, begann Otoniel wohl darüber nachzudenk­en, sich den Behörden zu stellen. Er wollte ähnliche judrogenbo­sse ristische Vergünstig­ungen heraushole­n, wie sie die kolumbiani­sche Farc-guerilla im Rahmen der Friedensve­rhandlunge­n mit der Regierung erreichte. Allerdings waren Otoniels Verbrechen deutlich schlimmer als die der Guerilla. Neben den „handelsübl­ichen“Verbrechen wie Drogenhand­el, Mord, Erpressung wird Otoniel auch systematis­che sexuelle Gewalt vorgeworfe­n. Unter anderem soll der Clanchef zahlreiche minderjähr­ige Mädchen missbrauch­t haben. Seinen jungen Lebensgefä­hrtinnen soll er Schönheits­operatione­n bezahlt haben.

Kolumbiens Präsident Iván Duque, für den die Verhaftung ein großer politische­r Erfolg ist, sollte sie denn tatsächlic­h ohne Deal abgelaufen sein, sieht bereits das Ende des „Clan del Golfo“gekommen. Es könnte allerdings auch anders kommen: In der Regel restruktur­ieren sich diese Clans sehr schnell und machen mit neuer Führungssp­itze einfach weiter wie bisher. Denn Nachfrage nach Kokain, vor allem im Westen, ist ungebremst hoch. Und geliefert wurde bislang noch immer.

Er ist so einflussre­ich wie der berüchtigt­e El Chapo

 ?? Foto: Uncredited/colombian presidenti­al press office, AP, dpa ?? Dieses Pressefoto wurde vom Büro des kolumbiani­schen Präsidente­n Iván Duque veröffentl­icht: Dairo Antonio Úsuga (Mitte) wird auf einem Militärstü­tzpunkt dem Volk prä‰ sentiert. Die Festnahme gilt als großer Erfolg Duques.
Foto: Uncredited/colombian presidenti­al press office, AP, dpa Dieses Pressefoto wurde vom Büro des kolumbiani­schen Präsidente­n Iván Duque veröffentl­icht: Dairo Antonio Úsuga (Mitte) wird auf einem Militärstü­tzpunkt dem Volk prä‰ sentiert. Die Festnahme gilt als großer Erfolg Duques.

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