Messner fordert Baustopp in Bergen
Tourismus Bergsteiger-legende Reinhold Messner sieht die alpine Wildnis in Gefahr.
Welche Rolle soziale Medien dabei spielen und wie er die Probleme lösen würde
Allgäu Reinhold Messner ist für viele Dinge bekannt, eine besonders diplomatische Wortwahl gehört nicht dazu. Da macht auch das Interview keine Ausnahme, das er unserer Zeitung jetzt gegeben hat. Darin bezeichnet er die Generation der Influencer, die tausende Menschen zu Ausflügen ins Gebirge animieren, „als Katastrophe“für die Alpen. Auch im Allgäu: „Diese Leute haben überhaupt keine Ahnung davon, was sie tun.“
Messner sagte das auch mit Blick auf den Schrecksee in den Allgäuer Alpen, wo es zuhauf zu Naturschutzverstößen kommt. „Diese Menschen sind nicht im geringsten kreativ und wollen nur dorthin, weil sie irgendwo im Netz ein Bild von der Stelle gefunden haben“, sagte Messner. Seine Forderung: eine großflächige Sperrung von Passstraßen, die die Menschen leicht ins Gebirge bringen. Als Beispiel nennt er hier die Strecke zu den Drei Zinnen in seiner Südtiroler Heimat, könnte sich Ähnliches aber auch für das Allgäu vorstellen.
„Wenn wir auch noch in 1000 Jahren in den Alpen überleben wollen, müssen wir die Berge in zwei Gebiete einteilen“, sagt Messner: Die alpine Wildnis (ab 1800 Meter) und die Kulturlandschaft darunter. Messner verbindet das mit dem Ruf nach einem sofortigen Baustopp für Hütten und neue Seilbahnen. „Wir dürfen ab jetzt nichts mehr neu erschließen“, sagt der 77-Jährige. Natürlich, so Messner, könnten existierende Bergbahnen erneuert werden und auch Berghütten brauchen Instandhaltung.
Aber ab der Berg-wildnis, die für Messner ab 1800 Metern beginnt, müsse Schluss sein. „Es braucht dort keine Infrastruktur mehr.“Darunter fallen für ihn auch Wanderwege. Die wenigen noch verschlossenen Gebiete der Alpen sollten so karg und abweisend bleiben, wie sie sind. „Den wenigen richtigen Kletterern und Bergsteigern macht das nichts, die kommen auch so dahin“, sagt Messner.
Überhaupt seien diese nicht das Problem. Denn die Zahl derer, die sich wirklich in die Wildnis wagen, sei in den vergangenen 50 Jahren sogar zurückgegangen. Förmlich explodiert sei dagegen die Gruppe der Alpin-touristen. Dazu zählen für Messner die Durchschnittswanderer und auch jene, die einfach die Natur genießen wollen.
Zwar will der Südtiroler dieser Klientel das Recht nicht absprechen, in der Landschaft Erholung zu suchen. „Aber wir müssen diesen Tourismus so verteilen, dass alle damit und davon leben können.“Dabei denkt Messner vor allen Dingen an die Bauern, die für den Erhalt der Kulturlandschaft unterhalb der 1800 Meter sorgen. „Wir müssen sie partizipieren lassen an der Wertschöpfung Tourismus.“Gerade für das Allgäu mit seinen zahlreichen großen Weideflächen im Gebirge drohe sonst eine Verödung der Landschaft, wenn die Bergbauern langfristig aus wirtschaftlichen Gründen ihre Alpen verlassen. Ganz neu für sich entdeckt hat Messner übrigens einen fast vergessenen Allgäuer Bergsteiger: Adolf Schulze ist sein Name. „Bei Recherchen zu meinem aktuellen Buch bin ich auf ihn gestoßen“, erzählt Messner. Sein Werk mit dem Titel „Zwischen Durchkommen und Umkommen“beschäftigt sich mit der Faszination des Bergsteigens sowie den größten Pioniertaten in diesem Bereich.
Dabei taucht auch der Name Schulze auf, der um 1900 zu den besten Felskletterern überhaupt zählte. „Schulze war einer der exzellentesten seiner Zeit“, sagt Messner. Er absolvierte binnen kurzer Zeit zwölf Erstbegehungen im Allgäu. Der Südkamin an der Südlichen Wolfebnerspitze stellte dabei die erste Kletterroute im fünften Schwierigkeitsgrad dar, die jemals im Allgäu begangen wurde. 1903 folgte die damals von vielen Bergsteigern für unmachbar geltende Ostwand der Trettachspitze. „Mit der Ausrüstung der damaligen Zeit eine Pioniertat“, sagt Messner, der am Dienstag, 2. November, für seinen Vortrag „Nanga Parbat – mein Schicksalsberg“in Kempten gastiert.