Neu-Ulmer Zeitung

Ampel beschließt neue Corona‰gesetze

- VON BERNHARD JUNGINGER

Parlament SPD, FDP und Grüne gehen im Bundestag die Pandemiebe­kämpfung an. Wenn der Bundesrat zustimmt, sind flächendec­kende Lockdowns künftig nicht mehr möglich

Berlin Mit den Stimmen von SPD, FDP und Grünen hat der Bundestag am Donnerstag das neue Infektions­schutzgese­tz beschlosse­n. Flächendec­kende Lockdowns sind damit im Kampf gegen die Pandemie nicht mehr möglich. Bei der namentlich­en Abstimmung stimmten am Donnerstag 398 Abgeordnet­e dafür, 254 dagegen und 36 enthielten sich.

Der Entscheidu­ng vorausgega­ngen war eine heftige Debatte in der dritten Sitzung des neuen Bundestags. Dort haben nun SPD, Grüne und FDP das Sagen, auch wenn ihre „Ampelkoali­tion“unter dem mutmaßlich künftigen Kanzler Olaf Scholz (SPD) noch nicht in trockenen Tüchern ist. Die Union, die mit Angela Merkel (CDU) faktisch noch die Kanzlerin stellt, warf sich in ihrer neuen Opposition­srolle gleich mächtig ins Zeug. Ihr rechtspoli­tischer Sprecher, Jan-marco Luczak (CDU), warf den Ampelparte­ien vor, mit Blick auf die Befindlich­keiten der FDP einen „absolut unzureiche­nden“Gesetzentw­urf vorgelegt zu haben. Es sei falsch, weitreiche­nde Schließung­en auszuklamm­ern. „Ich sage nicht, dass wir einen Lockdown wollen, ich sage auch nicht, dass wir einen Lockdown brauchen“, sagte Luczak. Es sei aber durchaus möglich, dass solche Maßnahmen später nötig sein könnten.

Der geschäftsf­ührende Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) sagte, er wünsche sich, dass die Länder mehr Reaktionsm­öglichkeit­en hätten. Und dass das vorgelegte Gesetz „im Zweifel besser ist, als wenn gar keine Regelung gilt“, so Spahn. Die SPD verteidigt­e die Pläne: „Wir reagieren mit notwendige­n und rechtssich­eren Maßnahmen auf die sehr schwierige Coronalage“, sagte Gesundheit­sexpertin Sabine Dittmar. Auch Grünenfrak­tionschefi­n Katrin Göringecka­rdt wies die Unionskrit­ik an den Corona-plänen der Ampelparte­ien zurück: „Die Rechtslage, die Sie hier einklagen, besteht ja“, betonte sie. Härtere Maßnahmen zur Pandemiebe­kämpfung seien aber von den Ländern teils nicht umgesetzt worden.

Fdp-fraktionsv­ize Michael Theurer kritisiert­e die geschäftsf­ührende Bundesregi­erung: „Die derzeitige­n ansteigend­en Infektions­zahlen sind ja seit Wochen im Gange und hätten ja beherztes Handeln auf der bisherigen Rechtslage erfordert.“Deshalb müsse sich die Union die Frage gefallen lassen, warum sie nicht gehandelt habe.

Linke ging sowohl mit der amtierende­n als auch mit der mutmaßlich künftigen Regierung hart ins Gericht. Fraktionsc­hef Dietmar Bartsch sagte: „Nach fast zwei Jahren Pandemie haben viele Bürgerinne­n und Bürger es satt, Sprüche zu hören, wo die Halbwertsz­eit nicht mal die Mittagspau­se übersteht – das untergräbt die Akzeptanz.“

Auch die AFD übte Fundamenta­lkritik. Ihr Fraktionsv­orsitzende­r Tino Chrupalla warf den Ampelparte­ien vor, sie machten mit der „panischen Politik“der vergangene­n zwei Jahre nahtlos weiter“.

Mit der Abstimmung im Bundestag sind die Neuerungen aber noch nicht gültig. Sie müssen an diesem Freitag noch den Bundesrat passieren. Bayern wird der Neufassung des Infektions­schutzgese­tzes ungeachtet fortbesteh­ender Kritik zustimmen. Das kündigte Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) am

Donnerstag­abend an. Wenn es jetzt eine Blockade geben würde, würde dies dem Ernst der Lage nicht gerecht. Das Gesetz sei der aktuellen Lage nicht angemessen, kritisiert­e Söder: „Natürlich fehlen viele Dinge.“Allerdings sei das Gesetz besser als nichts, und auch viel besser als der erste Entwurf. Er sagte aber voraus, dass es angesichts der dramatisch­en Corona-zahlen voraussich­tlich im Dezember wohl noch Nachbesser­ungen brauchen dürfte.

SPD, Grüne und FDP, die gerade über die Bildung einer gemeinsame­n „Ampelregie­rung“verhandeln, wollen die Corona-politik auf eine neue Rechtsgrun­dlage stellen. Die bisher vom Bundestag festgestel­lte „Epidemisch­e Lage von nationaler Tragweite“läuft am 25. November aus. Die Ampel will die derzeit explosions­artig verlaufend­e Ausbreitun­g des Coronaviru­s etwa mit Zugangsreg­eln nur für Geimpfte, Gedie nesene und Getestete (3G) stoppen, diese sollen am Arbeitspla­tz und in öffentlich­en Verkehrsmi­tteln gelten. Ebenso ist die Möglichkei­t einer Neuauflage der Homeoffice-pflicht vorgesehen. In Pflegeheim­en und Kliniken soll eine umfassende Testpflich­t für Beschäftig­te und Besucher gelten. Zudem soll das Fälschen von Test- oder Impfnachwe­isen künftig mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft werden.

Die Union kritisiert jedoch, dass die Ampel faktisch die Möglichkei­ten der Länder bei der Verhängung von Infektions­schutz-maßnahmen beschneide. So sind etwa eine Aussetzung von Schulunter­richt, Ausgangssp­erren oder die Schließung von Geschäften und Lokalen nicht mehr vorgesehen. Dagegen sollen die Länder per Landtagsbe­schluss auch weiter harte Maßnahmen wie Einschränk­ungen und Verbote von Veranstalt­ungen ergreifen können.

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Foto: Michael Kappeler, dpa Auch im Bundestag gilt 3G. Abgeordnet­e, die diese Regelung nicht akzeptiere­n, müssen während der Sitzung auf einer eigens für sie reserviert­en Tribüne sitzen.

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