Ampel beschließt neue Coronagesetze
Parlament SPD, FDP und Grüne gehen im Bundestag die Pandemiebekämpfung an. Wenn der Bundesrat zustimmt, sind flächendeckende Lockdowns künftig nicht mehr möglich
Berlin Mit den Stimmen von SPD, FDP und Grünen hat der Bundestag am Donnerstag das neue Infektionsschutzgesetz beschlossen. Flächendeckende Lockdowns sind damit im Kampf gegen die Pandemie nicht mehr möglich. Bei der namentlichen Abstimmung stimmten am Donnerstag 398 Abgeordnete dafür, 254 dagegen und 36 enthielten sich.
Der Entscheidung vorausgegangen war eine heftige Debatte in der dritten Sitzung des neuen Bundestags. Dort haben nun SPD, Grüne und FDP das Sagen, auch wenn ihre „Ampelkoalition“unter dem mutmaßlich künftigen Kanzler Olaf Scholz (SPD) noch nicht in trockenen Tüchern ist. Die Union, die mit Angela Merkel (CDU) faktisch noch die Kanzlerin stellt, warf sich in ihrer neuen Oppositionsrolle gleich mächtig ins Zeug. Ihr rechtspolitischer Sprecher, Jan-marco Luczak (CDU), warf den Ampelparteien vor, mit Blick auf die Befindlichkeiten der FDP einen „absolut unzureichenden“Gesetzentwurf vorgelegt zu haben. Es sei falsch, weitreichende Schließungen auszuklammern. „Ich sage nicht, dass wir einen Lockdown wollen, ich sage auch nicht, dass wir einen Lockdown brauchen“, sagte Luczak. Es sei aber durchaus möglich, dass solche Maßnahmen später nötig sein könnten.
Der geschäftsführende Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte, er wünsche sich, dass die Länder mehr Reaktionsmöglichkeiten hätten. Und dass das vorgelegte Gesetz „im Zweifel besser ist, als wenn gar keine Regelung gilt“, so Spahn. Die SPD verteidigte die Pläne: „Wir reagieren mit notwendigen und rechtssicheren Maßnahmen auf die sehr schwierige Coronalage“, sagte Gesundheitsexpertin Sabine Dittmar. Auch Grünenfraktionschefin Katrin Göringeckardt wies die Unionskritik an den Corona-plänen der Ampelparteien zurück: „Die Rechtslage, die Sie hier einklagen, besteht ja“, betonte sie. Härtere Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung seien aber von den Ländern teils nicht umgesetzt worden.
Fdp-fraktionsvize Michael Theurer kritisierte die geschäftsführende Bundesregierung: „Die derzeitigen ansteigenden Infektionszahlen sind ja seit Wochen im Gange und hätten ja beherztes Handeln auf der bisherigen Rechtslage erfordert.“Deshalb müsse sich die Union die Frage gefallen lassen, warum sie nicht gehandelt habe.
Linke ging sowohl mit der amtierenden als auch mit der mutmaßlich künftigen Regierung hart ins Gericht. Fraktionschef Dietmar Bartsch sagte: „Nach fast zwei Jahren Pandemie haben viele Bürgerinnen und Bürger es satt, Sprüche zu hören, wo die Halbwertszeit nicht mal die Mittagspause übersteht – das untergräbt die Akzeptanz.“
Auch die AFD übte Fundamentalkritik. Ihr Fraktionsvorsitzender Tino Chrupalla warf den Ampelparteien vor, sie machten mit der „panischen Politik“der vergangenen zwei Jahre nahtlos weiter“.
Mit der Abstimmung im Bundestag sind die Neuerungen aber noch nicht gültig. Sie müssen an diesem Freitag noch den Bundesrat passieren. Bayern wird der Neufassung des Infektionsschutzgesetzes ungeachtet fortbestehender Kritik zustimmen. Das kündigte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) am
Donnerstagabend an. Wenn es jetzt eine Blockade geben würde, würde dies dem Ernst der Lage nicht gerecht. Das Gesetz sei der aktuellen Lage nicht angemessen, kritisierte Söder: „Natürlich fehlen viele Dinge.“Allerdings sei das Gesetz besser als nichts, und auch viel besser als der erste Entwurf. Er sagte aber voraus, dass es angesichts der dramatischen Corona-zahlen voraussichtlich im Dezember wohl noch Nachbesserungen brauchen dürfte.
SPD, Grüne und FDP, die gerade über die Bildung einer gemeinsamen „Ampelregierung“verhandeln, wollen die Corona-politik auf eine neue Rechtsgrundlage stellen. Die bisher vom Bundestag festgestellte „Epidemische Lage von nationaler Tragweite“läuft am 25. November aus. Die Ampel will die derzeit explosionsartig verlaufende Ausbreitung des Coronavirus etwa mit Zugangsregeln nur für Geimpfte, Gedie nesene und Getestete (3G) stoppen, diese sollen am Arbeitsplatz und in öffentlichen Verkehrsmitteln gelten. Ebenso ist die Möglichkeit einer Neuauflage der Homeoffice-pflicht vorgesehen. In Pflegeheimen und Kliniken soll eine umfassende Testpflicht für Beschäftigte und Besucher gelten. Zudem soll das Fälschen von Test- oder Impfnachweisen künftig mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft werden.
Die Union kritisiert jedoch, dass die Ampel faktisch die Möglichkeiten der Länder bei der Verhängung von Infektionsschutz-maßnahmen beschneide. So sind etwa eine Aussetzung von Schulunterricht, Ausgangssperren oder die Schließung von Geschäften und Lokalen nicht mehr vorgesehen. Dagegen sollen die Länder per Landtagsbeschluss auch weiter harte Maßnahmen wie Einschränkungen und Verbote von Veranstaltungen ergreifen können.