Neu-Ulmer Zeitung

Als gäbe es keine Pandemie

- VON KATRIN PRIBYL

Eu-parlament reist wie immer nach Straßburg

Brüssel Absurder könnte es kaum erscheinen. In Belgien gilt aufgrund der Corona-infektions­zahlen ab Montag wieder eine Homeoffice­pflicht, das heißt, wer kann, muss vier Tage pro Woche zu Hause arbeiten. Einerseits. Anderersei­ts reisen am Montag hunderte Europaabge­ordnete plus Mitarbeite­r nach Straßburg zur Plenarsitz­ung, weil Parlaments­präsident David Sassoli den Wanderzirk­us fordert. Es gibt weder die Möglichkei­t, virtuell teilzunehm­en noch online abzustimme­n. Dementspre­chend groß sind Entsetzen und Ärger unter den Abgeordnet­en, die vor einem „Supersprea­der-event“warnen.

Als wahlweise „völlig unverantwo­rtlich“oder „wahnsinnig“wurde Sassolis Anweisung kritisiert. Fast 180 Parlamenta­rier haben einen Brief unterzeich­net, in dem sie ihn auffordern, von dem Vorhaben abzurücken. Die vierte Welle schlägt auf dem Kontinent mit voller Wucht ein. Rumänien, Bulgarien und Lettland baten schon die EU um Hilfe.

„Die Lage ist dramatisch“, sagte Peter Liese (CDU), gesundheit­spolitisch­er Sprecher der Evp-fraktion. Und sie sei besonders schlimm da, wo die Impfquote sehr niedrig ist. Doch selbst in Ländern wie Belgien, wo sich ein hoher Anteil der Bevölkerun­g immunisier­t hat, sorgen die Zahlen für Alarmstimm­ung. „Der Impfschutz lässt schneller nach, als viele erwartet haben“, sagt der Arzt Liese. Zudem hätten sich viele nach ihrer Impfung verhalten, als wäre die Pandemie vorbei.

Umso wichtiger seien nun die Drittimpfu­ngen. Man müsse „eine Riesen-impfaktion in ganz Europa aus dem Boden stampfen“. Gleichwohl fordert Liese, auch das Euzertifik­at anzupassen, indem man nur mit einem dritten Piks als vollständi­g geimpft gilt.

Derweil hofft man in Brüssel auf eine baldige Zulassung des Biontech/pfizer-mittels für Kinder von fünf bis elf Jahren. Das Thema sei „sensibel“, weshalb die europäisch­e Arzneimitt­elbehörde EMA das „sehr genau prüfen“müsse, so Liese. Aber: „Es muss auch zügig gehen.“Für Kinder, die zur Gruppe der Risikopati­enten gehören, etwa jene mit Down-syndrom oder mit Lungen- oder Herzerkran­kungen, wäre der Impfstoff „ein Segen“.

Newspapers in German

Newspapers from Germany