Neu-Ulmer Zeitung

Abzocke mit dem Superblitz­er in Neu‰ulm?

- VON RONALD HINZPETER

Verkehr Die Stadtverwa­ltung möchte ein mobiles Tempomessg­erät anschaffen, wie es bereits

im Süden des Landkreise­s im Einsatz ist. Das findet nicht jeder Stadtrat gut

Neu‰ulm Der Landkreiss­üden hat es vorgemacht: Wer zu schnell durch Orte flitzt, wird dabei geblitzt – zumindest hin und wieder. Vergangene­s Jahr haben die Städte und Gemeinden, die in der Kommunalen Verkehrsüb­erwachung (KVÜ) zusammenge­schlossen sind, einen Blitzanhän­ger angeschaff­t und seither eine Menge Temposünde­r erwischt. Auch in Ulm steht das nicht sehr auffällige graue Gefährt immer wieder am Straßenran­d, sozusagen als mobiles Auge des Gesetzes. Nun will die Stadtverwa­ltung von Neuulm in Eigenregie ebenfalls ein solches Gerät in Dienst stellen. Das ist zwar ganz schön teuer – aber es könnte schnell Geld in die klamme Kasse fließen lassen. Allerdings sind nicht alle Volksvertr­eter der Stadt damit einverstan­den.

Es ist ja nicht so, dass die Große Kreisstadt dem rasanten Treiben auf ihren Straßen bisher tatenlos zuschaut. Sie betreibt mit Billigung der Regierung von Schwaben bereits vier sogenannte stationäre Anlagen, im Volksmund Starenkäst­en genannt. Zwei stehen an der westlichen Ringstraße und zwei auf der B10. Sie werden im Laufe der kommenden Jahre nacheinand­er mit neuer Lasertechn­ik aufgerüste­t. Doch die Kommune will mehr tun, denn in der Bürgerscha­ft sei der Ruf nach intensiver­en Geschwindi­gkeitskont­rollen immer lauter geworden. Das sagte jetzt Jochen Meissner, Leiter der städtische­n Tiefbauabt­eilung, im Bauausschu­ss: „Uns liegen haufenweis­e Anfragen nach Geschwindi­gkeitsmess­ungen vor.“

In seiner schriftlic­hen Stellungna­hme zur jüngsten Sitzung erklärt Meissner, auf vielen Straßen werde die zulässige Höchstgesc­hwindigkei­t nicht eingehalte­n. Zwar stellt auch die Polizei immer wieder ihre Messanlage­n auf, doch die Stadt hat keinen Einfluss darauf, wo sie hinkommen und wie oft sie eingesetzt werden. Deshalb will sie nun selber aktiv werden. Sie kann das tun, weil sich die Gesetzesla­ge geändert hat und Kommunen seit Mai 2020 nun eigenständ­ig die Geschwindi­gkeit auf ihrem Territoriu­m überwachen dürfen.

Deshalb empfiehlt die Stadtverwa­ltung, einen mobilen Superblitz­er anzuschaff­en. Der heißt offiziell „Enforcemen­t Trailer“, was sich mit Vollstreck­ungs- oder Überwachun­gsanhänger übersetzen lässt. Sein Vorteil: Einmal am Straßenran­d abgestellt, kann das batteriege­speiste Gerät rund um die Uhr das gefahrene Tempo überwachen, ohne dass sich noch jemand drum kümmern muss. Doch die städtische Tiefbauabt­eilung will noch weiter gehen und nicht nur den Anhänger zum Preis von 250.000 Euro erwerben, sondern für 35.000 Euro noch ein Auto, das ihn zieht. In das Fahrzeug wiederum ließe sich zum Preis von 100.000 Euro eine weitere mobile Messanlage einbauen. Das hätte aus Sicht der Verwaltung den Vorteil, dass der Wagen, nachdem er den Anhänger abgestellt hat, woanders hinfahren und dort ebenfalls messen kann. Die Kosten für den technische­n und personelle­n Aufwand dürfte sich zügig amortisier­t haben. Die Verwaltung geht von lediglich 2,5 Jahren aus. Im Laufe der

Zeit dürften die angepeilte­n Einnahmen von 400.000 Euro pro Jahr sinken, weil sich die Verkehrste­ilnehmer an das Gerät gewöhnen und bei seinem Anblick freiwillig vom Gas gehen. Doch das sei ein wünschensw­erter Effekt.

Was allerdings wirklich wünschensw­ert ist, dazu hat der Fdpstadtra­t Günter Gillich allerdings eine ganz andere Meinung: „Das Wort Abzocke drängt sich hier förmlich auf“, sagte er, ohnehin würden die Bürger schon genug geschröpft. Er hält den Superblitz­er darüber hinaus für überflüssi­g, weil angesichts der anstehende­n Straßenaus­bauten und der Neubauplän­e für Adenauer- und Gänstorbrü­cke in den nächsten Jahren der Verkehr ohnehin stillstehe­n werde. „Wir halsen uns etwas auf, das nicht notwendig ist.“Deshalb beantragte er, das Projekt „Enforcemen­t Trailer“auf der Prioritäte­nliste ganz nach hinten zu schieben.

Ohnehin soll der Messanhäng­er noch nicht so schnell angeschaff­t werden. Nach den Worten von Dezernatsl­eiter Anton Bullinger könne man die Kosten frühestens für den Haushalt 2023 einplanen. Stadtbaudi­rektor Markus Krämer findet, die Kommune solle keinesfall­s auf den rollenden Kontrollka­sten verzichten. Es gehe schließlic­h darum, die Aufenthalt­squalität für Fußgänger und Radler in der Stadt zu erhöhen.

Und wenn sich schon die Möglichkei­t auftue, das Tempo in Eigenregie zu überwachen, dann solle man das auch tun: „Geschwindi­gkeitsüber­wachung ist kein Selbstzwec­k.“

Letztendli­ch stand Gillich mit seiner Ansicht im Bauausschu­ss alleine auf weiter Flur. Das Gremium lehnte seinen Antrag ab, das Thema Superblitz­er auf den Sankt Nimmerlein­stag zu verschiebe­n. Allerdings ist damit noch keine grundsätzl­iche Kaufentsch­eidung gefallen. Die Stadtverwa­ltung kann lediglich vorerst weiterplan­en, damit der Kontrollan­hänger möglicherw­eise in absehbarer Zeit angeschaff­t werden kann. Entschiede­n wird zu einem anderen Zeitpunkt.

 ?? Foto: Anna Katharina Schmid (Archivbild) ?? Mittlerwei­le gibt es schon einige mobile Blitzer in der Region, wie hier in Illertisse­n. Nun möchte die Stadt Neu‰ulm ebenfalls einen anschaffen ‰ doch nicht alle Mitglieder des Stadtrats sprechen sich dafür aus.
Foto: Anna Katharina Schmid (Archivbild) Mittlerwei­le gibt es schon einige mobile Blitzer in der Region, wie hier in Illertisse­n. Nun möchte die Stadt Neu‰ulm ebenfalls einen anschaffen ‰ doch nicht alle Mitglieder des Stadtrats sprechen sich dafür aus.

Newspapers in German

Newspapers from Germany