Abzocke mit dem Superblitzer in Neuulm?
Verkehr Die Stadtverwaltung möchte ein mobiles Tempomessgerät anschaffen, wie es bereits
im Süden des Landkreises im Einsatz ist. Das findet nicht jeder Stadtrat gut
Neuulm Der Landkreissüden hat es vorgemacht: Wer zu schnell durch Orte flitzt, wird dabei geblitzt – zumindest hin und wieder. Vergangenes Jahr haben die Städte und Gemeinden, die in der Kommunalen Verkehrsüberwachung (KVÜ) zusammengeschlossen sind, einen Blitzanhänger angeschafft und seither eine Menge Temposünder erwischt. Auch in Ulm steht das nicht sehr auffällige graue Gefährt immer wieder am Straßenrand, sozusagen als mobiles Auge des Gesetzes. Nun will die Stadtverwaltung von Neuulm in Eigenregie ebenfalls ein solches Gerät in Dienst stellen. Das ist zwar ganz schön teuer – aber es könnte schnell Geld in die klamme Kasse fließen lassen. Allerdings sind nicht alle Volksvertreter der Stadt damit einverstanden.
Es ist ja nicht so, dass die Große Kreisstadt dem rasanten Treiben auf ihren Straßen bisher tatenlos zuschaut. Sie betreibt mit Billigung der Regierung von Schwaben bereits vier sogenannte stationäre Anlagen, im Volksmund Starenkästen genannt. Zwei stehen an der westlichen Ringstraße und zwei auf der B10. Sie werden im Laufe der kommenden Jahre nacheinander mit neuer Lasertechnik aufgerüstet. Doch die Kommune will mehr tun, denn in der Bürgerschaft sei der Ruf nach intensiveren Geschwindigkeitskontrollen immer lauter geworden. Das sagte jetzt Jochen Meissner, Leiter der städtischen Tiefbauabteilung, im Bauausschuss: „Uns liegen haufenweise Anfragen nach Geschwindigkeitsmessungen vor.“
In seiner schriftlichen Stellungnahme zur jüngsten Sitzung erklärt Meissner, auf vielen Straßen werde die zulässige Höchstgeschwindigkeit nicht eingehalten. Zwar stellt auch die Polizei immer wieder ihre Messanlagen auf, doch die Stadt hat keinen Einfluss darauf, wo sie hinkommen und wie oft sie eingesetzt werden. Deshalb will sie nun selber aktiv werden. Sie kann das tun, weil sich die Gesetzeslage geändert hat und Kommunen seit Mai 2020 nun eigenständig die Geschwindigkeit auf ihrem Territorium überwachen dürfen.
Deshalb empfiehlt die Stadtverwaltung, einen mobilen Superblitzer anzuschaffen. Der heißt offiziell „Enforcement Trailer“, was sich mit Vollstreckungs- oder Überwachungsanhänger übersetzen lässt. Sein Vorteil: Einmal am Straßenrand abgestellt, kann das batteriegespeiste Gerät rund um die Uhr das gefahrene Tempo überwachen, ohne dass sich noch jemand drum kümmern muss. Doch die städtische Tiefbauabteilung will noch weiter gehen und nicht nur den Anhänger zum Preis von 250.000 Euro erwerben, sondern für 35.000 Euro noch ein Auto, das ihn zieht. In das Fahrzeug wiederum ließe sich zum Preis von 100.000 Euro eine weitere mobile Messanlage einbauen. Das hätte aus Sicht der Verwaltung den Vorteil, dass der Wagen, nachdem er den Anhänger abgestellt hat, woanders hinfahren und dort ebenfalls messen kann. Die Kosten für den technischen und personellen Aufwand dürfte sich zügig amortisiert haben. Die Verwaltung geht von lediglich 2,5 Jahren aus. Im Laufe der
Zeit dürften die angepeilten Einnahmen von 400.000 Euro pro Jahr sinken, weil sich die Verkehrsteilnehmer an das Gerät gewöhnen und bei seinem Anblick freiwillig vom Gas gehen. Doch das sei ein wünschenswerter Effekt.
Was allerdings wirklich wünschenswert ist, dazu hat der Fdpstadtrat Günter Gillich allerdings eine ganz andere Meinung: „Das Wort Abzocke drängt sich hier förmlich auf“, sagte er, ohnehin würden die Bürger schon genug geschröpft. Er hält den Superblitzer darüber hinaus für überflüssig, weil angesichts der anstehenden Straßenausbauten und der Neubaupläne für Adenauer- und Gänstorbrücke in den nächsten Jahren der Verkehr ohnehin stillstehen werde. „Wir halsen uns etwas auf, das nicht notwendig ist.“Deshalb beantragte er, das Projekt „Enforcement Trailer“auf der Prioritätenliste ganz nach hinten zu schieben.
Ohnehin soll der Messanhänger noch nicht so schnell angeschafft werden. Nach den Worten von Dezernatsleiter Anton Bullinger könne man die Kosten frühestens für den Haushalt 2023 einplanen. Stadtbaudirektor Markus Krämer findet, die Kommune solle keinesfalls auf den rollenden Kontrollkasten verzichten. Es gehe schließlich darum, die Aufenthaltsqualität für Fußgänger und Radler in der Stadt zu erhöhen.
Und wenn sich schon die Möglichkeit auftue, das Tempo in Eigenregie zu überwachen, dann solle man das auch tun: „Geschwindigkeitsüberwachung ist kein Selbstzweck.“
Letztendlich stand Gillich mit seiner Ansicht im Bauausschuss alleine auf weiter Flur. Das Gremium lehnte seinen Antrag ab, das Thema Superblitzer auf den Sankt Nimmerleinstag zu verschieben. Allerdings ist damit noch keine grundsätzliche Kaufentscheidung gefallen. Die Stadtverwaltung kann lediglich vorerst weiterplanen, damit der Kontrollanhänger möglicherweise in absehbarer Zeit angeschafft werden kann. Entschieden wird zu einem anderen Zeitpunkt.