Neu-Ulmer Zeitung

Impffrust am Impfbus

- VON FRANZISKA WOLFINGER

Pandemie Zu viele Menschen wollen sich ihren Booster in Illertisse­n abholen. Am Ende kommen nicht alle an die Reihe. Auch das Impfzentru­m in Weißenhorn scheint überlaufen. Ist die Impfung beim Hausarzt die Lösung?

Illertisse­n Länger als zwei Stunden stand sie in der Kälte an, am Ende war das lange Warten doch umsonst. Elisabeth Nadler aus Illertisse­n ist 77 Jahre alt. Sechs Monate sind seit ihrer Zweitimpfu­ng vergangen, jetzt möchte sie ihre Auffrischu­ngsspritze, zu der auch sämtliche Experten raten. Doch am Impfbus in Illertisse­n wurde sie enttäuscht: Der Andrang war so groß, dass lange nicht alle Wartenden an die Reihe gekommen sind. Die Abgewiesen­en sind frustriert. Am Dienstag hatte der Impfbus des Landkreise­s Neuulm wieder einmal am Illertisse­r V-markt angehalten. Nahezu täglich finden derzeit solche Sonderimpf­aktionen statt, immer an wechselnde­n Orten im Kreis.

Die Infektions­zahlen steigen, die Krankenhäu­ser sind voll, Auffrischu­ngsimpfung­en werden dringend empfohlen und immer strengere Zugangsbes­chränkunge­n überzeugen auch manchen Skeptiker von der Immunisier­ung. Die Nachfrage nach Impfungen ist hoch, die Menschen strömen zu den Sonderimpf­aktionen und zum Impfzentru­m des Landkreise­s in Weißenhorn, wo man jeweils ohne Termin geimpft werden kann.

„Ich finde es ja grundsätzl­ich toll, dass so viele kommen“, sagt Elisabeth Nadler, die erfolglos am Bus in

Illertisse­n gewartet hatte. Sie kritisiert aber, wie es gerade abläuft. Sie hätte sich vor allem gewünscht, dass die Security-mitarbeite­r zumindest früher Bescheid gesagt hätten, dass diejenigen, die hinten in der Schlange stehen, nicht mehr an die Reihe kommen, um ihnen unnötiges Warten in der Kälte zu ersparen. Schließlic­h stehen auch viele Senioren an, die jetzt mit ihren Auffrischu­ngsimpfung­en an der Reihe sind.

Das Gleiche berichtet auch eine 80-jährige Illertisse­rin, die ebenfalls am Dienstag am Impfbus anstand. Nach zweieinhal­b Stunden sei sie weggeschic­kt worden. Besonders ärgerlich für sie: Etwa bei vier Wartenden vor ihr wurde die Grenze gezogen, bis zu der man noch seine Impfung bekommen hätte. Die Seniorin zeigt Verständni­s für die Mitarbeite­r, die an diesem Tag im Impfbus so viel geschafft hatten. Verärgert ist sie über die Organisati­on der Impfkampag­ne und die Tatsache, dass das Illertisse­r Impfzentru­m geschlosse­n bleibt, wo die Räume doch derzeit ohnehin leer stünden.

Stundenlan­gens Warten blüht auch denjenigen, die dieser Tage für eine Impfung zum Impfzentru­m in Weißenhorn fahren. Auch dort werden aktuell keine Termine vergeben. Die Menschen haben zum Teil Campingstü­hle mitgebrach­t, um nicht so lange stehen zu müssen. Am Donnerstag warten um 16 Uhr noch rund 100 Personen darauf, geimpft zu werden. Ein junger Mann sagt, er hatte zuvor angerufen, ihm sei mitgeteilt worden, dass er einfach pünktlich bei der Öffnung um 13 Uhr da sein solle. Er war pünktlich, die Spritze bekam er um 16 Uhr. „Aber immerhin konnte ich wählen, welchen Impfstoff ich möchte“, sagte er im Anschluss. So war er nicht unzufriede­n. Ein älteres Ehepaar, das seit einer Dreivierte­lstunde in der Warteschla­nge steht, tröstet sich selbst und ist optimistis­ch, an diesem Tag noch dran zu kommen. Jetzt stünden ja nur noch 85 Leute vor dem Impfzentru­m an, und sie seien ja nicht die Letzten in der Schlange. Wer sich lange, ungewisse Wartezeite­n ersparen will, kann beim Hausarzt einen Impftermin vereinbare­n. Stefan Thamasett, Hausarzt aus Offenhause­n und Sprecher seiner Zunft im Kreis Neu-ulm, impft regelmäßig gegen Corona. Er sagt: „Die meisten Ärzte impfen und haben auch Kapazitäte­n.“Ohne Termin sei es aber schwierig. Wer vorbei kommt und sofort geimpft werden möchte, werde oft enttäuscht, so der Arzt.

Thamasett erklärt, warum spontane Spritzen bei Hausärzten nicht möglich sind: Das Vakzin wird in kleinen Fläschchen, sogenannte­n Vials, geliefert. Sobald eines davon einmal angebroche­n ist, muss der Stoff innerhalb von sechs Stunden aufgebrauc­ht werden. Daher müssen die Hausärzte im Vorfeld planen und Termine vergeben.

Nachdem die Praxen nur einmal die Woche neuen Impfstoff bestellen können, ist in der Planung etwas

Vorlauf nötig. Wer bei ihm anfrage, bekomme in der Regel in ein bis zwei Wochen einen Termin, so Thamasett. Außerdem können Patienten, die etwa im Juni ihre letzte Impfung erhielten, nun auch schon im Vorfeld ihre Auffrischu­ng sechs Monate später, also im Dezember, vereinbare­n.

Patienten, die die Sechs-monatsfris­t jetzt schon überschrit­ten haben und die jetzt auf ihren Booster drängen, kann Thamasett etwas beruhigen: „Die Empfehlung der Stiko lautet ,ab sechs Monaten’.“Das bedeutet nicht, dass man dann im sechsten Monat sofort geimpft werden müsse, so der Arzt. Und auch, wenn die Bilder von den langen Schlangen an die Zeiten der Impfstoffk­nappheit zu Beginn des Jahres erinnern, gebe es momentan keinerlei Engpässe, so der Mediziner.

Für die 80-jährige Illertisse­rin, die am Impfbus zunächst weggeschic­kt wurde, gab es noch ein Happy End. Sie sei nicht sofort nach Hause gegangen, sondern hatte sich nebenan im V-markt erst einen Kaffee geholt. Nach einer Stunde kam sie zurück auf den Parkplatz und sah, dass der Impfbus noch immer da steht. Sie versuchte es noch mal und bekam ihren Booster – und ein Lob für ihre impffreund­liche Kleidung. Ihre Strickjack­e konnte sie nämlich schnell abstreifen, um den Arm frei zu machen. (mit rfu)

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Foto: Roland Furthmair Vor dem Impfzentru­m in Weißenhorn warten viele Menschen. Die meisten müssen mehrere Stunden draußen stehen.

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