Impffrust am Impfbus
Pandemie Zu viele Menschen wollen sich ihren Booster in Illertissen abholen. Am Ende kommen nicht alle an die Reihe. Auch das Impfzentrum in Weißenhorn scheint überlaufen. Ist die Impfung beim Hausarzt die Lösung?
Illertissen Länger als zwei Stunden stand sie in der Kälte an, am Ende war das lange Warten doch umsonst. Elisabeth Nadler aus Illertissen ist 77 Jahre alt. Sechs Monate sind seit ihrer Zweitimpfung vergangen, jetzt möchte sie ihre Auffrischungsspritze, zu der auch sämtliche Experten raten. Doch am Impfbus in Illertissen wurde sie enttäuscht: Der Andrang war so groß, dass lange nicht alle Wartenden an die Reihe gekommen sind. Die Abgewiesenen sind frustriert. Am Dienstag hatte der Impfbus des Landkreises Neuulm wieder einmal am Illertisser V-markt angehalten. Nahezu täglich finden derzeit solche Sonderimpfaktionen statt, immer an wechselnden Orten im Kreis.
Die Infektionszahlen steigen, die Krankenhäuser sind voll, Auffrischungsimpfungen werden dringend empfohlen und immer strengere Zugangsbeschränkungen überzeugen auch manchen Skeptiker von der Immunisierung. Die Nachfrage nach Impfungen ist hoch, die Menschen strömen zu den Sonderimpfaktionen und zum Impfzentrum des Landkreises in Weißenhorn, wo man jeweils ohne Termin geimpft werden kann.
„Ich finde es ja grundsätzlich toll, dass so viele kommen“, sagt Elisabeth Nadler, die erfolglos am Bus in
Illertissen gewartet hatte. Sie kritisiert aber, wie es gerade abläuft. Sie hätte sich vor allem gewünscht, dass die Security-mitarbeiter zumindest früher Bescheid gesagt hätten, dass diejenigen, die hinten in der Schlange stehen, nicht mehr an die Reihe kommen, um ihnen unnötiges Warten in der Kälte zu ersparen. Schließlich stehen auch viele Senioren an, die jetzt mit ihren Auffrischungsimpfungen an der Reihe sind.
Das Gleiche berichtet auch eine 80-jährige Illertisserin, die ebenfalls am Dienstag am Impfbus anstand. Nach zweieinhalb Stunden sei sie weggeschickt worden. Besonders ärgerlich für sie: Etwa bei vier Wartenden vor ihr wurde die Grenze gezogen, bis zu der man noch seine Impfung bekommen hätte. Die Seniorin zeigt Verständnis für die Mitarbeiter, die an diesem Tag im Impfbus so viel geschafft hatten. Verärgert ist sie über die Organisation der Impfkampagne und die Tatsache, dass das Illertisser Impfzentrum geschlossen bleibt, wo die Räume doch derzeit ohnehin leer stünden.
Stundenlangens Warten blüht auch denjenigen, die dieser Tage für eine Impfung zum Impfzentrum in Weißenhorn fahren. Auch dort werden aktuell keine Termine vergeben. Die Menschen haben zum Teil Campingstühle mitgebracht, um nicht so lange stehen zu müssen. Am Donnerstag warten um 16 Uhr noch rund 100 Personen darauf, geimpft zu werden. Ein junger Mann sagt, er hatte zuvor angerufen, ihm sei mitgeteilt worden, dass er einfach pünktlich bei der Öffnung um 13 Uhr da sein solle. Er war pünktlich, die Spritze bekam er um 16 Uhr. „Aber immerhin konnte ich wählen, welchen Impfstoff ich möchte“, sagte er im Anschluss. So war er nicht unzufrieden. Ein älteres Ehepaar, das seit einer Dreiviertelstunde in der Warteschlange steht, tröstet sich selbst und ist optimistisch, an diesem Tag noch dran zu kommen. Jetzt stünden ja nur noch 85 Leute vor dem Impfzentrum an, und sie seien ja nicht die Letzten in der Schlange. Wer sich lange, ungewisse Wartezeiten ersparen will, kann beim Hausarzt einen Impftermin vereinbaren. Stefan Thamasett, Hausarzt aus Offenhausen und Sprecher seiner Zunft im Kreis Neu-ulm, impft regelmäßig gegen Corona. Er sagt: „Die meisten Ärzte impfen und haben auch Kapazitäten.“Ohne Termin sei es aber schwierig. Wer vorbei kommt und sofort geimpft werden möchte, werde oft enttäuscht, so der Arzt.
Thamasett erklärt, warum spontane Spritzen bei Hausärzten nicht möglich sind: Das Vakzin wird in kleinen Fläschchen, sogenannten Vials, geliefert. Sobald eines davon einmal angebrochen ist, muss der Stoff innerhalb von sechs Stunden aufgebraucht werden. Daher müssen die Hausärzte im Vorfeld planen und Termine vergeben.
Nachdem die Praxen nur einmal die Woche neuen Impfstoff bestellen können, ist in der Planung etwas
Vorlauf nötig. Wer bei ihm anfrage, bekomme in der Regel in ein bis zwei Wochen einen Termin, so Thamasett. Außerdem können Patienten, die etwa im Juni ihre letzte Impfung erhielten, nun auch schon im Vorfeld ihre Auffrischung sechs Monate später, also im Dezember, vereinbaren.
Patienten, die die Sechs-monatsfrist jetzt schon überschritten haben und die jetzt auf ihren Booster drängen, kann Thamasett etwas beruhigen: „Die Empfehlung der Stiko lautet ,ab sechs Monaten’.“Das bedeutet nicht, dass man dann im sechsten Monat sofort geimpft werden müsse, so der Arzt. Und auch, wenn die Bilder von den langen Schlangen an die Zeiten der Impfstoffknappheit zu Beginn des Jahres erinnern, gebe es momentan keinerlei Engpässe, so der Mediziner.
Für die 80-jährige Illertisserin, die am Impfbus zunächst weggeschickt wurde, gab es noch ein Happy End. Sie sei nicht sofort nach Hause gegangen, sondern hatte sich nebenan im V-markt erst einen Kaffee geholt. Nach einer Stunde kam sie zurück auf den Parkplatz und sah, dass der Impfbus noch immer da steht. Sie versuchte es noch mal und bekam ihren Booster – und ein Lob für ihre impffreundliche Kleidung. Ihre Strickjacke konnte sie nämlich schnell abstreifen, um den Arm frei zu machen. (mit rfu)