Neu-Ulmer Zeitung

Die Taverne im Wandel der Zeit

- VON QUIRIN HÖNIG

Sanierung Nach 15 Jahren Leerstand sollen Büros und Wohnungen in dem historisch­en Gebäude

in Pfaffenhof­en geschaffen werden. Ein Rundgang durch die ehemalige Gastwirtsc­haft

Pfaffenhof­en Massive, rote Backsteine neben modernen Leichtbauz­iegeln, eingeschla­gene Fenstersch­eiben und Holzbalken, die zu Staub zerbröseln: Die Äußere Taverne in Pfaffenhof­en hat definitiv schon bessere Tage gesehen. Etwa 500 Jahre Geschichte stecken in der seit Langem ungenutzte­n Gaststätte, die mehrfach umgebaut, erweitert und modernisie­rt wurde. Nach 15 Jahren Leerstand soll jetzt wieder Leben in das Gebäude kommen. Unsere Redaktion hat sich bei einem Rundgang angeschaut, wie es derzeit darin aussieht.

Im Erdgeschos­s sind noch die Überreste des gastwirtsc­haftlichen Betriebs zu sehen: die Theke, die Bänke und weiteres Mobiliar, das an die Zeit erinnert, als hier noch Bier ausgeschen­kt wurde. In der ehemaligen Küche sind Boden und Wände gefliest. Im ersten Stock ist das Gebäude wesentlich leerer: Zum Teil eingerisse­ne Wände prägen das Bild, dazu ein frei stehender Türstock ohne Türe und Löcher in der Decke, durch die man bis ins nächste Stockwerk sehen kann.

„Guter Zustand sieht anders aus“, sagt Markus Rupp bei der Begehung der alten Taverne. Der Geschäftsf­ührer des Ingenieurb­üros Bauplan Gmbh hat 2021 das Gebäude zusammen mit seiner Frau Birgit und der Steuerbera­terin Nicole Lausmann aus Pfaffenhof­enberg gekauft. Gemeinsam wollen sie es wieder nutzbar machen. Der Zeitplan für das Vorhaben sei sportlich, sagt Rupp. Er rechnet damit, dass Planung, Abstimmung­en und Genehmigun­gen etwa ein Jahr in Anspruch nehmen werden. Für den Umbau sind drei Jahre vorgesehen.

Im Erdgeschos­s sowie im ersten Obergescho­ss der Taverne sollen überwiegen­d Büroräume entstehen, während im zweiten Obergescho­ss, also unter dem Dach, fünf bis sechs Mietwohnun­gen mit jeweils ein bis zwei Zimmern eingericht­et werden sollen. Den historisch­en Kreuzsaal wollen die neuen Eigentümer­innen und der Eigentümer der Öffentlich­keit zugänglich machen, um so auch der Historie des Gebäudes gerecht zu werden. Es gebe bereits erste Ideen, dort einen Raum für Veranstalt­ungen, für standesamt­liche Trauungen oder ein Museum einzuricht­en. „Wir sind offen für gute Ideen, die Taverne soll Akzeptanz finden“, sagt Rupp.

Da die Äußere Taverne denkmalges­chützt ist, muss bei Umbau und Sanierung auf genaue Vorgaben geachtet werden, damit die historisch­e Bausubstan­z erhalten bleibt. Die Taverne wurde nach Angaben des Bayerische­n Landesamts für Denkmalpfl­ege 1985 wegen seiner besonderen ortsgeschi­chtlichen und städtebaul­ichen Bedeutung unter Denkmalsch­utz gestellt. Dieser besich auf sämtliche historisch­e Bestandtei­le. Davor war lediglich die hofseitige, im Empirestil dekorierte Haustür schützensw­ert gewesen.

Die Äußere Taverne war die jüngere der beiden Tavernen in der Marktgemei­nde, wie Herbert Schörnig, Chronist des Marktes Pfaffenhof­en und von 1966 bis 1978 Bürgermeis­ter von Roth, erzählt. Der vordere Teil des Gebäudes wurde im 16. Jahrhunder­t, zwischen 1518 und 1566, errichtet. Ihr Gegenstück war die ältere Innere Taverne bei der Kirche St. Martin. Diese war zuletzt bekannt als Gasthof Seitz, bevor sie 2012 abgebroche­n wurde.

Obwohl die Äußere Taverne an der Hauptstraß­e lag und mehr Gäste hatte, stand sie an Bedeutung deutlich hinter der Inneren Taverne. In dieser wurden Handwerker­zusammenkü­nfte abgehalten und die Handwerksl­ade aufbewahrt, in der sich die wichtigste­n Dokumente zum geregelten Gewerbebet­rieb, wie Handwerkso­rdnung, Gerichtsur­teile und Rechnungsb­ücher, befanden.

Der erste bekannte Wirt der Taverne war Hans Schweigker, dem die Fugger 1566 die Wirtschaft verliehen. Zwei Jahre später, nach Schweigker­s Tod, übernahm sein Schwiegers­ohn die Wirtschaft. In den folgenden zwei Jahrhunder­ten wechselte die Taverne mehrfach ihren Eigentümer, ehe Johannes Mahler die Gaststätte 1776 erwarb. 150 Jahre lang blieb die Taverne dann in der Hand der Familie Mahler.

Im dritten Koalitions­krieg im Jahr 1805 kämpften Frankreich und seine deutschen Verbündete­n, wie Württember­g, Baden und Bayern, gegen ein Bündnis aus Großbritan­nien,

Russland, Österreich, Schweden und dem Königreich Neapel. Während seines Feldzuges quartierte sich der französisc­he Kaiser Napoleon Bonaparte am 13. Oktober vor den Schlachten von Elchingen und Ulm im ersten Stock der Äußeren Taverne ein.

In den Jahren 1830 bis 1870 wurde der hintere Teil des Gastgebäud­es ausgebaut und daneben an der Hauptstraß­e wurde ein weiteres Gebäude errichtet, das als Scheune und Stall diente. Die 1862 geborene Walburga Mahler war die Tochter eines Tavernenbe­sitzers. Sie brachte 1888 den Flugpionie­r Hermann Köhl zur Welt.

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde das Nebengebäu­de zur Musikhalle, Tafernensa­al genannt, umgebaut. Dies war lange Zeit ein wichtiger Versammlun­gsort, vor allem für die Pfaffenhof­er Vereine. 1926 verzieht kaufte Wilhelm Mahler schließlic­h die Taverne an die Memminger Brauerei Bürger und Engel. Seitdem wurde der Gastbetrie­b nur noch von Pächtern übernommen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden etwa 200 Heimatvert­riebene im Tafernensa­al untergebra­cht. Wie schon zuvor blieb die Taverne ein wichtiger Treffpunkt für die örtlichen Vereine. Damals hatten die meisten keine eigenen Räumlichke­iten. „Früher ist man nur ins Gasthaus gegangen“, erzählt Schörnig. Als Vereinshei­me zur Regel wurden, brach der Umsatz der Taverne ein. 1998 wurde das Nebengebäu­de, der Tafernensa­al, abgerissen. Im Jahr 2006 schloss die Gaststätte, seitdem steht das Gebäude leer.

Einen Multimedia‰rundgang durch die ehemalige Taverne finden Sie bei uns im Internet unter nuz.de

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Fotos: Alexander Kaya Die Äußere Taverne in Pfaffenhof­en ist etwa 500 Jahre alt. Jetzt soll sie nach langem Leerstand saniert werden.
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In diesem Keller lagerten wahrschein­lich die Bierfässer des Gasthauses.

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