Was bei unerfülltem Kinderwunsch helfen kann
Titelthema Obwohl jedes Jahr mehr als 20000 Kinder in Deutschland durch künstliche Befruchtung gezeugt werden,
reden viele werdende Eltern lieber nicht darüber. Wie die Erfolgschancen stehen und welche Hürden es gibt
Augsburg Für viele Paare, die sich sehnlichst ein Kind wünschen, ist eine ausbleibende Schwangerschaft eine schwere Krise. Gesprochen wird über das Problem noch immer selten, denn eine ungewollte Kinderlosigkeit ist nach Beobachtung der Frauenärzte im Netz nach wie vor ein Tabuthema, das mit starken Minderwertigkeitsgefühlen verbunden ist. „Dabei sind Eierstöcke, Gebärmutter und die Hoden des Mannes Organe wie Herz, Lunge und Leber. Niemand würde sein Selbstwertgefühl als Mann oder Frau infrage stellen, weil zum Beispiel die Lunge nicht gut funktioniert und man an Asthma leidet.“Im Folgenden finden sich Antworten auf wichtige Fragen rund um das Thema:
Ab wann sollte man ärztlichen Rat aufsuchen?
Die wenigsten Frauen werden gleich beim ersten Versuch schwanger. Sollte es nach einem Jahr jedoch noch nicht geklappt haben, rät Dr. Robert Ochsenkühn vom Kinderwunschzentrum Augsburg dazu, sich ärztlichen Rat einzuholen – zunächst bei der eigenen Frauenärztin oder dem eigenen Frauenarzt, die oder der das Paar dann an ein Kinderwunschzentrum überweisen kann.
Welche Gründe gibt es, dass der Kinderwunsch sich nicht erfüllt?
Es gibt viele Ursachen, warum es mit einer Schwangerschaft nicht funktioniert. Bei 30 bis 40 Prozent der Paare liegt eine biologische Störung bei einem der Partner vor. In 20 Prozent der Fälle sind beide Partner nur bedingt fruchtbar. Bei Frauen können hormonelle Störungen die Ursache sein, schreiben die Frauenärzte im Netz. Aber auch organische Ursachen wie etwa ein Eileiterverschluss oder Verwachsungen der Gebärmutter sind hier anzuführen. Bei Frauen über 30 treten zunehmend Krankheiten, wie die
Endometriose oder gutartige Tumore in der Gebärmutter (Myome) auf, die für eine Sterilität verantwortlich sein können. Bei Männern sind es neben hormonellen Störungen häufig eine verminderte Spermienqualität oder eine geringe Spermienproduktion. Auch die Infektion mit sexuell übertragbaren Krankheitserregern wie etwa Chlamydien, kann unbehandelt zu Unfruchtbarkeit führen.
Was beeinträchtigt die Fruchtbarkeit?
Neben dem Alter gibt es bestimmte Risikofaktoren, die sich auf die Fruchtbarkeit negativ auswirken können. Das günstigste Alter, um schwanger zu werden, liegt für Frauen zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr. Generell wird Frauen und Männern mit Kinderwunsch geraten, auf einen gesunden Lebensstil zu achten. Zu den Risikofaktoren zählen Rauchen, Alkoholund Drogenkonsum, lang anhaltende Stress- und Erschöpfungszustände, die Einnahme bestimmter Medikamente, aber auch starkes Überoder Untergewicht.
Wie viele Kinder werden mithilfe von Kinderwunschbehandlungen geboren?
Darüber gibt der Jahresbericht des Deutschen Ivf-registers (DIR) Aufschluss. Diese Organisation erfasst die Behandlungen und Ergebnisse fast aller deutschen Kinderwunschzentren und ordnet diese statistisch ein. Laut dem Jahrbuch für 2020, das im Oktober 2021 veröffentlicht wurde, sind seit 1997 rund 340 000 Kinder in Deutschland nach einer künstlichen Befruchtung geboren worden. Insgesamt hat es laut DIR in diesem Zeitraum rund zwei Millionen Behandlungen gegeben. Im Jahr 2019 waren es laut dem Bericht etwa 21500 Kinder. Zum Vergleich: Das sind knapp drei Prozent der in diesem Jahr geborenen Kinder. Nicht erfasst sind Behandlungen, die im Ausland durchgeführt wurden.
Wie hoch sind die Erfolgschancen? Das hängt unter anderem mit dem Alter der Frauen zusammen. Laut Ivf-register kommt es bei Frauen bis 32 Jahren bei jedem dritten eingesetzten Embryo zu einer Geburt, bei Frauen ab 39 Jahren nur noch nach weniger als jedem fünften Versuch.
Wie alt sind die Patientinnen?
Die größte Gruppe der Patientinnen ist zwischen 35 und 39 Jahre alt – der Mittelwert liegt laut Ivf-register bei 35,6 Jahren. Zu beobachten sei, dass dieser Wert seit 2017 kontinuierlich ansteige, der Anteil der Patientinnen über 40 nehme zudem stetig zu. Das Alter der Partner liege konstant bei 38,5 Jahren.
Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit von Mehrlingsgeburten bei einer künstlichen Befruchtung?
Nicht mehr so hoch wie früher. Das hängt damit zusammen, dass auch in Deutschland dazu übergegangen wird, nur noch einen Embryo einzusetzen. Im Jahr 2019 lang der Anteil der Mehrlinge bei rund 18 Prozent. In anderen Ländern ist die Mehrlingsrate noch deutlich geringer – in den Niederlanden und den skandinavischen Ländern liegt sie laut Ivf-bericht bei unter fünf Prozent.
Wie hoch sind die Kosten – und wer übernimmt sie?
Die Kosten für einen Zyklus liegen nach Auskunft der gesetzlichen Krankenkasse bei rund 3000 Euro. Da oft mehrere Behandlungen nötig sind, fallen schnell Kosten in Höhe von etwa 10 000 Euro an. Bei verheirateten Paaren müssen die gesetzlichen Krankenkassen laut Sozialgesetzbuch 50 Prozent der Kosten tragen, sofern beide Partner älter als 25 sowie die Frau jünger als 40 und der Mann jünger als 50 ist. Einige Kassen übernehmen den gesamten Betrag. Unverheiratete Paare müssen für die Kosten selbst aufkommen. Daran gibt es seit vielen Jahren Kritik, bislang gibt es jedoch keine Nachbesserung vom Gesetzgeber. Private Krankenversicherungen übernehmen den Betrag meistens vollständig. Seit 1. November 2020 gibt es die Förderung von Kinderwunschbehandlungen in Bayern. Damit werden Paare nach Angaben des bayerischen Familienministeriums bei den Kosten von Kinderwunschbehandlungen finanziell entlastet. Auf der Seite zbfs.bayern.de findet man den Förderantrag. Dieser ist beim Zentrum Bayern Familie und Soziales zu stellen.
Wo bekommen Paare und alleinstehende Frauen Hilfe?
Informationen zur Kinderwunschbehandlung gibt es im Internet auf dem Portal des Bundesfamilienministeriums. Dort befindet sich auch ein Fördercheck, der aufzeigt, ob die notwendigen Voraussetzungen für die Förderung einer Kinderwunschbehandlung erfüllt werden. Beraten werden Menschen mit unerfülltem Kinderwunsch bei den staatlich anerkannten Schwangerschaftsberatungsstellen. Eine Auswahl von Kinderwunschzentren findet man unter anderem im Deutschen Ivf-register.