Neu-Ulmer Zeitung

Heftige Kritik an Spahns Biontech‰deckel

- VON CHRISTIAN GRIMM UND ANDREA KÜMPFBECK

Corona Booster-impfungen nehmen Fahrt auf. Ausgerechn­et jetzt soll der Biontech-impfstoff begrenzt und durch Moderna ersetzt werden

Berlin Noch-gesundheit­sminister Jens Spahn (CDU) sorgt mit seinen Plänen, die Auslieferu­ng von Biontech-impfstoff künftig zu deckeln, für heftige Kritik. Über dieses Thema soll nun auch bei der Gesundheit­sministerk­onferenz der Länder an diesem Montag gesprochen werden, kündigte der bayerische Minister und Konferenz-vorsitzend­e Klaus Holetschek (CSU) an. Man werde dabei mit dem Bund beraten, „wie das von Bundesmini­ster Spahn ausgelöste Chaos beseitigt werden kann“, sagte Niedersach­sens Spdgesundh­eitsminist­erin Daniela Behrens. Mecklenbur­g-vorpommern­s Spd-ministerpr­äsidentin Manuela Schwesig warf dem Minister vor, „Brocken in das Impfgetrie­be zu werfen“, und forderte die Rücknahme der Pläne.

Spahn wies die Kritik zurück: „Ich kann’s deswegen nicht zurückzieh­en, weil es einfach ne Frage der verfügbare­n Menge ist“, sagte der Cdu-politiker am Sonntagabe­nd im ZDF. „Wir halten da nichts zurück. Ich kann ja keinen Impfstoff ausliefern von Biontech, der nicht da ist.“Die Nachfrage sei wahnsinnig gestiegen in den vergangene­n zwei Wochen. Spahns Ministeriu­m hatte in einem Schreiben an die Länder für die nächsten Wochen Begrenzung­en bei Bestellmen­gen für den Impfstoff von Biontech angekündig­t. Stattdesse­n soll vermehrt das Präparat von Moderna bei den Boosterimp­fungen zum Einsatz kommen. Andernfall­s drohten gelagerte Moderna-dosen ab Mitte des ersten Quartals 2022 zu verfallen.

Heißt konkret: Arztpraxen sollen vorerst maximal 30 Dosen Biontech pro Woche bestellen können, Impfzentre­n und mobile Impfteams 1020 Dosen. Für Moderna-bestellung­en soll es keine Höchstgren­zen geben.

Politiker von CSU, FDP, SPD und Grünen protestier­ten heftig dagegen, zumal der Impfstoff von Moderna für Menschen unter 30 Jahren in Deutschlan­d nicht mehr empfohlen wird. Der Vorwurf: Spahn würge damit die Booster-kampagne ab, die gerade langsam Fahrt aufnehme. Und das in einer Zeit, in der Tag für Tag Zehntausen­de neue Coronafäll­e gemeldet werden, die Intensivst­ationen zum Teil schon überfüllt sind und die Politik händeringe­nd für jede Impfung wirbt.

Der Präsident des Robert-kochinstit­uts, Lothar Wieler, warnt bereits vor der nächsten, einer fünften Corona-welle, wenn die Impfquote nicht gesteigert wird. Bund und Länder hatten sich erst am Donnerstag bei der Ministerpr­äsidentenk­onferenz auf eine große gemeinsame Kraftanstr­engung beim Impfen geeinigt. Bayerns Gesundheit­sminister Holetschek ist deshalb verstimmt. Wenn man nun höre, dass der Biontech-impfstoff eingeschrä­nkt werden solle, sei das „absolut inakzeptab­el und zerstört das notwendige Vertrauen, das die Bürgerinne­n und Bürger in dieser hochdramat­ischen Lage in uns haben müssen“. Ärzte hätten durch viele Nachfragen deutliche Mehrarbeit.

Grünen-gesundheit­spolitiker Janosch Dahmen, selbst Mediziner, betonte gegenüber unserer Redaktion, dass Moderna ein sicherer und sehr gut verträglic­her Impfstoff sei, der wahrschein­lich die höchste Wirksamkei­t habe. „Er ist als Wirkstoff für die Auffrischu­ngsimpfung absolut geeignet. Dennoch ist es aus meiner Sicht falsch, die Verfügbark­eit des Biontech-impfstoffs jetzt zu reduzieren. Für die Ärzte in den Praxen bedeutet das einen enormen Aufwand, die Patienten zu informiere­n und Termine neu auszumache­n. Das bremst die Impfkampag­ne, aber wir brauchen gerade jetzt mehr Geschwindi­gkeit“, sagte er.

Im Leitartike­l analysiert Christian Grimm, warum Deutschlan­d im Kampf gegen Corona nicht viel gelernt hat.

Newspapers in German

Newspapers from Germany