Heftige Kritik an Spahns Biontechdeckel
Corona Booster-impfungen nehmen Fahrt auf. Ausgerechnet jetzt soll der Biontech-impfstoff begrenzt und durch Moderna ersetzt werden
Berlin Noch-gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sorgt mit seinen Plänen, die Auslieferung von Biontech-impfstoff künftig zu deckeln, für heftige Kritik. Über dieses Thema soll nun auch bei der Gesundheitsministerkonferenz der Länder an diesem Montag gesprochen werden, kündigte der bayerische Minister und Konferenz-vorsitzende Klaus Holetschek (CSU) an. Man werde dabei mit dem Bund beraten, „wie das von Bundesminister Spahn ausgelöste Chaos beseitigt werden kann“, sagte Niedersachsens Spdgesundheitsministerin Daniela Behrens. Mecklenburg-vorpommerns Spd-ministerpräsidentin Manuela Schwesig warf dem Minister vor, „Brocken in das Impfgetriebe zu werfen“, und forderte die Rücknahme der Pläne.
Spahn wies die Kritik zurück: „Ich kann’s deswegen nicht zurückziehen, weil es einfach ne Frage der verfügbaren Menge ist“, sagte der Cdu-politiker am Sonntagabend im ZDF. „Wir halten da nichts zurück. Ich kann ja keinen Impfstoff ausliefern von Biontech, der nicht da ist.“Die Nachfrage sei wahnsinnig gestiegen in den vergangenen zwei Wochen. Spahns Ministerium hatte in einem Schreiben an die Länder für die nächsten Wochen Begrenzungen bei Bestellmengen für den Impfstoff von Biontech angekündigt. Stattdessen soll vermehrt das Präparat von Moderna bei den Boosterimpfungen zum Einsatz kommen. Andernfalls drohten gelagerte Moderna-dosen ab Mitte des ersten Quartals 2022 zu verfallen.
Heißt konkret: Arztpraxen sollen vorerst maximal 30 Dosen Biontech pro Woche bestellen können, Impfzentren und mobile Impfteams 1020 Dosen. Für Moderna-bestellungen soll es keine Höchstgrenzen geben.
Politiker von CSU, FDP, SPD und Grünen protestierten heftig dagegen, zumal der Impfstoff von Moderna für Menschen unter 30 Jahren in Deutschland nicht mehr empfohlen wird. Der Vorwurf: Spahn würge damit die Booster-kampagne ab, die gerade langsam Fahrt aufnehme. Und das in einer Zeit, in der Tag für Tag Zehntausende neue Coronafälle gemeldet werden, die Intensivstationen zum Teil schon überfüllt sind und die Politik händeringend für jede Impfung wirbt.
Der Präsident des Robert-kochinstituts, Lothar Wieler, warnt bereits vor der nächsten, einer fünften Corona-welle, wenn die Impfquote nicht gesteigert wird. Bund und Länder hatten sich erst am Donnerstag bei der Ministerpräsidentenkonferenz auf eine große gemeinsame Kraftanstrengung beim Impfen geeinigt. Bayerns Gesundheitsminister Holetschek ist deshalb verstimmt. Wenn man nun höre, dass der Biontech-impfstoff eingeschränkt werden solle, sei das „absolut inakzeptabel und zerstört das notwendige Vertrauen, das die Bürgerinnen und Bürger in dieser hochdramatischen Lage in uns haben müssen“. Ärzte hätten durch viele Nachfragen deutliche Mehrarbeit.
Grünen-gesundheitspolitiker Janosch Dahmen, selbst Mediziner, betonte gegenüber unserer Redaktion, dass Moderna ein sicherer und sehr gut verträglicher Impfstoff sei, der wahrscheinlich die höchste Wirksamkeit habe. „Er ist als Wirkstoff für die Auffrischungsimpfung absolut geeignet. Dennoch ist es aus meiner Sicht falsch, die Verfügbarkeit des Biontech-impfstoffs jetzt zu reduzieren. Für die Ärzte in den Praxen bedeutet das einen enormen Aufwand, die Patienten zu informieren und Termine neu auszumachen. Das bremst die Impfkampagne, aber wir brauchen gerade jetzt mehr Geschwindigkeit“, sagte er.
Im Leitartikel analysiert Christian Grimm, warum Deutschland im Kampf gegen Corona nicht viel gelernt hat.