Rio de Janeiros leere Krankenhäuser
Brasilien Einst ein Hotspot der Corona-pandemie, meldet die brasilianische Millionenmetropole am Wochenende:
Null Covid-patienten in den öffentlichen Krankenhäusern. Wie hat die Olympia-stadt das geschafft?
Rio de Janeiro Es ist ein pandemiehistorischer Tag für Rio de Janeiro: Jene Sieben-millionen-metropole, die zu den am härtesten von Covid-19 betroffenen Städten Brasiliens und damit weltweit zählte, meldete am Wochenende stolz: Kein einziger Covid-19-patient mehr im Netzwerk der öffentlichen Krankenhäuser. Mit anderen Worten: Die Intensivbetten sind leer. Dort, wo in der Spitze 1500 Intensivpatientinnen und -patienten betreut wurden, wo selbst Fußballstadien zu Nothospitälern umgebaut wurden, herrscht jetzt gähnende Leere.
Das lokale Gesundheitsministerium, in Rio Sekretariat genannt, spricht stolz von einem „Sieg der Wissenschaft“. Ein Seitenhieb auf alle, die am Erfolg der Impfkampagne gezweifelt haben. Die – wie Präsident Jair Bolsonaro – lieber auf Medikamente setzten, deren Wirksamkeit wissenschaftlich nicht belegt ist. Der Rechtspopulist an der Spitze des Staates sammelte bislang „Strafzettel“in Höhe von umgerechnet 12 000 Euro ein, weil er bewusst und öffentlich gegen Hygienevorschriften verstieß.
Brasiliens Bevölkerung hat unter der Pandemie besonders gelitten. Mit 612 000 Covid-toten – das entspricht eines Todesrate von 290 pro 100000 Einwohnern – liegt das riesige südamerikanische Land hinter Spitzenreiter Peru und acht osteuropäischen Ländern auf Rang zehn der weltweit tödlichsten Länder. Vor allem die arme Bevölkerung in engen Favelas hatte gar keine Chance, die empfohlenen Regeln wie Social Distancing einzuhalten, und bezahlten einen hohen Preis. Einer von 348 Brasilianern ist bislang an den Folgen einer Covid-infektion gestorben, praktisch jeder kennt aus dem eigenen Umfeld einen Todesfall.
Seit Impfstoff vorhanden ist, strömen die Menschen deshalb zu den Gesundheitsstationen. In Rio de Janeiro beträgt die Erstimpfquote laut unabhängigen Ermittlungen der brasilianischen Medien bei 94,4 Prozent. Die hatten eine eigene Ermittlungs-kommission gebildet, nachdem die Bolsonaro-regierung versucht hatte, bei den Corona-zahlen zu tricksen. Noch höher ist sie im Bundesstaat Sao Paulo – 98,7 Prozent. Hier meldete die Regionalregierung zuletzt erstmals seit Pandemiebeginn keinen einzigen Covid-toten mehr. Die Pandemie ist aber noch nicht vorbei: Landesweit gibt es aber noch immer 8833 Neuinfektionen am Tag.
„Der Rückgang der Todesfälle ist eindeutig auf die Erhöhung der Impfquote zurückzuführen“, sagt Epidemiologin Ethel Maciel von der Universität Federal Espirito Santo im Gespräch mit unserer Redaktion. Natürlich spiele auch das Wetter eine Rolle. In Brasilien ist Frühling, die Temperaturen sind hoch – die Menschen halten sich überwiegend im Freien auf. Doch den Hauptgrund für die deutlich verbesserte Lage in Sao Paulo wie auch in Rio de Janeiro ist der beherzte Impfkurs der Landesregierungen und die Impfbereitschaft der Menschen.
Sie stellten sich damit gegen den impfkritischen Kurs Bolsonaros, der selbst schon eine Infektion überstand. Hinzu kommt eine große Erfahrung mit breiten Impfkampagnen. Jedes Jahr werden innerhalb von sechs Wochen 80 Millionen Menschen gegen Grippe geimpft. Das sind über zwei Millionen Impfungen am Tag. Inzwischen rückt sogar die eigene Familie vom offiziell immer noch nicht geimpften Bolsonaro ab. Seine politisch ebenfalls aktiven Söhne wie auch inklusive der First Lady Michelle haben sich impfen lassen. Rio de Janeiro hatte just den Tag, an dem die Covid-patienten-freien Krankenhäuser gemeldet wurden, zu einem D-day erklärt: Es sollten auch jene Bevölkerungsschichten, hier insbesondere die Jugendlichen, erreicht werden, die sich ihre zweite Impfung noch nicht abgeholt hatten.