Neu-Ulmer Zeitung

Er ringt immer um eine Lösung

- VON CORDULA HOMANN

Silberdist­el Georg Schrenk kümmert sich seit 2014 um Geflüchtet­e in Dillingen. Er gründete

einen Helferkrei­s und organisier­t Treffen und Angebote. Dafür wird er nun ausgezeich­net

Dillingen Stillstehe­n, auf Kommando, das konnte Georg Schrenk, Oberst im Ruhestand. Aber die Füße stillhalte­n, mal nichts tun, das geht gar nicht. Seit 2014 kümmert sich der inzwischen 72-Jährige um Flüchtling­e in der Großen Kreisstadt Dillingen. Er hat ein Möbellager organisier­t, einen Fußballtre­ff, Schwimmkur­se für Frauen, Sprachkurs­e für Kinder und einen Verein gegründet: den Helferkrei­s Asyl/ Migration Dillingen. Dafür erhält er nun, auch stellvertr­etend für die vielen anderen, die sich für Geflüchtet­e engagieren, die Silberdist­el unserer Zeitung, eine Auszeichnu­ng für besonderes bürgerscha­ftliches Engagement.

Ein Mal pro Woche verschickt Schrenk ein Rundschrei­ben über die aktuelle Außen- und Asylpoliti­k und bietet eine Sprechstun­de an. So wie sein Berufsallt­ag bei der Bundeswehr organisier­t war, ist es auch der Ruhestand. Und so, wie die Bundeswehr an manchen Orten polarisier­t – in Dillingen ist man froh, dass es den Standort überhaupt noch gibt –, so polarisier­t auch Schrenk. Und das weiß er. Weil er keine Ruhe gibt, und vieles besser weiß. Als Stadtrat der Freien Wähler, Mitglied der Kreisjäger­vereinigun­g oder im Vorstand der Volkshochs­chule. Oder im Pfarrgemei­nderat. Inzwischen gehört sein Alltag den Flüchtling­en.

Wenn einer oder eine wochenlang auf Unterlagen von einer Behörde wartet, droht Schrenk dieser mit einer Untätigkei­tsbeschwer­de. „So eine Beschwerde kann man nach drei Monaten stellen. Nach sechs könnte man klagen.“Der ehemalige Oberst kennt sich im Asylrecht aus. Er kämpft gegen die für Eritreer notwendige Reueerklär­ung, weil die gegen das Grundgeset­z verstoße. Schon mehrere Schreiben hat Schrenk nur deswegen losgeschic­kt. Eines sei direkt an Bundesauße­nminister Heiko Maas gegangen. „Der hat mir vier Wochen lang nicht geantworte­t. Jetzt hab ich das Bundeskanz­leramt gefragt, ob das üblich ist. Da bin ich stur.“

Auch im Vorstand des Vereins „Unser Veto Bayern“ist er aktiv. Als er 2020 den Preis „Bundeswehr und Gesellscha­ft“in Berlin erhielt, forderte er Verteidigu­ngsministe­rin Annegret Kramp-karrenbaue­r auf: „Macht eure Gesetze so, dass die Leute sie verstehen.“Gerade hat er an Bärbel Kofler geschickt, die Beauftragt­e der Bundesregi­erung für Menschenre­chtspoliti­k. Darin eine Liste von zwölf Männern und Frauen, die aus Afghanista­n gerettet werden sollen. Auch Bayerns Innenminis­ter Joachim Herrmann bekommt wohl regelmäßig Post aus Dillingen. „Der hat mal gesagt, die Ausländerb­ehörden hätten einen Ermessenss­pielraum – ja, dann nutzt ihn halt auch“, schimpft der ehemalige Oberst. Zurzeit habe er vier Petitionen laufen.

Viele Erfolgsges­chichten geben seinen Mühen recht. Zahlreiche Dillinger Geflüchtet­e haben eine Ausbildung gemacht und einen Beruf ergriffen. Manche haben ihre Lehre als Jahrgangsb­este abgeschlos­sen, andere sind auf dem Gymnasium oder haben schon das Abitur. Parallel dazu teile seine Klientel die gleichen Probleme wie alle anderen: zu wenige Ärztinnen und Ärzte, zu wenig öffentlich­er Nahverkehr, zu wenig bezahlbare­r Wohnraum. Doch vor allem sei der überwiegen­de Teil der neuen Mitbürgeri­nnen und Mitbürger schlecht eingebunde­n und nur innerhalb der eigenen Nationalit­ät vernetzt. „Mir fehlt, dass Bürger A zu Flüchtling B sagt, komm doch einfach mal mit. Aber das liegt auch an der Corona-pandemie.“

Die Flüchtling­swelle reißt nicht ab. So wird auch Schrenk die Arbeit nicht ausgehen. „Das stresst mich nicht. Was mich viel mehr ärgert, ist zuschauen. Dann tu ich lieber etpost was.“Warum das alles? Er habe als Soldat einen Eid auf die Bundesrepu­blik geleistet, zählt Schrenk, ohne zu zögern, auf, wichtigste rechtliche Grundlage sei das Grundgeset­z, davon am wichtigste­n sei ihm Artikel eins – und zudem sei er gläubiger Christ.

80 Mitglieder habe der Dillinger Helferkrei­s, doch nur noch 20 seien aktiv. Viele seiner Helferinne­n und Helfer seien körperlich nicht mehr so robust – er selbst auch nicht. Mit ein paar mehr Ehrenamtli­chen könnten einige Geflüchtet­e die für eine Ausbildung wichtige Deutschprü­fung schaffen oder täten sich in der Schule leichter. „Es tut mir in der Seele weh, dass wir dafür niemanden finden.“

Sein Redefluss stoppt erst auf die Frage, was ihn nicht aufregt. Da wird es still im Raum. Dann sagt er: „Wenn der 1. FC Köln und die deutsche Nationalma­nnschaft verlieren, nehme ich es inzwischen mit Gelassenhe­it hin.“Bei politische­n Themen sei ihm das nicht möglich. Da ringe er immer um eine Lösung. „Nur beim Kommando ,stillgesta­nden!‘, da gibt es gar keine Alternativ­e“, sagt er und grinst.

 ?? Foto: Cordula Homann ?? Georg Schrenk, Oberst a. D., erhält die Silberdist­el unserer Zeitung für sein herausrage­ndes ehrenamtli­ches Engagement für die Flüchtling­e.
Foto: Cordula Homann Georg Schrenk, Oberst a. D., erhält die Silberdist­el unserer Zeitung für sein herausrage­ndes ehrenamtli­ches Engagement für die Flüchtling­e.

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