Landkreis Neuulm bereitet sich auf Triage vor
Notfälle Landrat Thorsten Freudenberger und Mediziner wenden sich mit einem Hilferuf an die Ärzte und Ärztinnen in der Region: Die Intensivstationen seien an der absoluten Kapazitätsgrenze
Neuulm Das Landratsamt Neuulm bereitet sich auf die sogenannte Triage vor. Das geht aus einem aktuellen internen Schreiben an Ärztinnen und Ärzte aus dem Kreisgebiet hervor, das unserer Redaktion vorliegt. Derzeit werde auch im Kreis Neu-ulm „ein Triage-team etabliert“, heißt es darin. „Die Intensivstationen der Krankenhäuser sind bereits jetzt an der absoluten Kapazitätsgrenze.“Verfasst haben den Brief Neu-ulms Landrat Thorsten Freudenberger (CSU), Dr. Peter Czermak, Ärztlicher Leiter der Impfzentren, und Dr. Stefan Thamasett, Koordinierender Arzt des Landkreises. Sie hoffen jedoch, dass das Triage-team nie aktiv werden muss.
Erst kürzlich hatte eine ähnliche Nachricht aus Salzburg Aufsehen erregt, wonach die dortigen Landeskliniken bereits ein solches Team zusammengestellt haben. Es soll im Notfall entscheiden, welcher Patient oder welche Patientin noch einen Platz auf der Intensivstation bekommt und wer bei weniger Erfolgsaussichten nur Maßnahmen erhält, die man im Normalfall als Sterbebegleitung bezeichnen würde.
Triage kommt aus dem Französischen und bedeutet sortieren. Im Fall Salzburg soll ein Medizinerkomitee unter Einbeziehung eines Juristen bei Ressourcenknappheit entscheiden. Wie das Triage-team im Kreis Neu-ulm aussieht, nach welchen Kriterien es entscheidet und wann es zum Einsatz kommt, wird im Schreiben nicht genannt.
Es gibt jedoch eine Art Leitlinie der Intensivmediziner-vereinigung Divi, die im vergangenen Frühjahr veröffentlicht wurde. Darin wird erklärt, dass nicht nach Alter entschieden werde, sondern allein nach dem Kriterium der klinischen Erfolgsaussicht. Auch soziale Merkmale, Grunderkrankungen oder Behinderungen dürften nicht Entscheidungsgrundlage sein. Zudem gilt die Triage nicht nur für Coronapatienten, sondern für alle Menschen, die wegen Krankheiten oder Unfällen auf der Intensivstation landen.
Freudenberger, Czermak und Thamasett gehen in ihrem Schreiben auf die aktuelle Corona-lage im Kreis Neu-ulm ein. Wie schon mehrfach berichtet, gebe es in der gesamten Region Schwaben kaum noch Intensivbetten. „Die physische und psychische Dauerbelastung in den Kliniken hat dazu beigetragen, dass viele Pflegekräfte die akut stationäre Versorgung verlassen haben und dadurch inzwischen deutlich weniger Intensivkapazitäten vorhanden sind“, heißt es weiter.
Die Landkreisvertreter appellieren nun an die Ärztinnen und Ärzte, „den stationären Bereich zu schonen und Maßnahmen zu unterstützen, die das Infektionsgeschehen positiv beeinflussen“. Ihnen sei aber durchaus bewusst, dass die Mediziner im Kreis momentan unter einer „maximalen Belastung“stehen. Und dennoch würden sie darauf hoffen, noch stärkere Unterstützung als bisher schon erfahren zu können. „Nur gemeinsam schaffen wir es jetzt“, so die Verfasser.
Zwei Punkte werden in dem Brief hervorgehoben: das Impfen sowie das Testen. „Das Impfzentrum sowie die mobilen Teams schaffen es nicht, trotz deutlicher Angebotsausweitung, den aktuellen Andrang zu bewältigen“, müssen Freudenberger, Czermak und Thamasett eingestehen. So wurde zwar bereits reagiert und die Öffnungszeiten am Impfzentrum in Weißenhorn sind erweitert worden. Dennoch bildeten sich dort auch am Freitag lange Schlangen. Bei einem Halt des Impfbusses in Illertissen mussten Impfwillige gut drei Stunden auf eine Impfung warten oder kamen erst gar nicht dran. Von dieser Woche an will das Landratsamt mit einer Terminvergabe Ordnung in die Abläufe bringen.
Die Autoren kündigen an, dass in den kommenden ein bis zwei Wochen weitere, schrittweise Anpassungen erfolgen müssen. Unter anderem bei den Öffnungszeiten. Der Fokus solle beim Impfen zudem nicht nur auf Erstimpfungen liegen, sondern auch auf Drittimpfungen – dem sogenannten Booster. Freudenberger, Czermak und Thamasett erwähnen auch, dass das Impfen seit Dienstag besser vergütet werde. Statt bislang 20 Euro würden nun 28 Euro gezahlt, am Wochenende 36 Euro.
Auch Fachärzte nehmen sie in die Pflicht und bitten um ihre Unterstützung. Der ambulante Bereich mit den niedergelassenen Ärzten stelle einen „wesentlichen Baustein“in der Bewältigung der Pandemie dar. Gerade jetzt aufgrund der angespannten Situation in den Krankenhäusern sei es extrem wichtig, dass Behandlungen, die außerhalb der Klinik, also ambulant erfolgen können, auch ambulant erbracht werden. Freudenberger, Czermak und Thamasett bedanken sich ausdrücklich für die bisherige Beteiligung der Ärztinnen und Ärzten. „Nur durch unsere weiteren gemeinsamen Anstrengungen sehen wir langfristig einen Weg aus dieser Krise.“