Neu-Ulmer Zeitung

Landkreis Neu‰ulm bereitet sich auf Triage vor

- VON MICHAEL KROHA

Notfälle Landrat Thorsten Freudenber­ger und Mediziner wenden sich mit einem Hilferuf an die Ärzte und Ärztinnen in der Region: Die Intensivst­ationen seien an der absoluten Kapazitäts­grenze

Neu‰ulm Das Landratsam­t Neuulm bereitet sich auf die sogenannte Triage vor. Das geht aus einem aktuellen internen Schreiben an Ärztinnen und Ärzte aus dem Kreisgebie­t hervor, das unserer Redaktion vorliegt. Derzeit werde auch im Kreis Neu-ulm „ein Triage-team etabliert“, heißt es darin. „Die Intensivst­ationen der Krankenhäu­ser sind bereits jetzt an der absoluten Kapazitäts­grenze.“Verfasst haben den Brief Neu-ulms Landrat Thorsten Freudenber­ger (CSU), Dr. Peter Czermak, Ärztlicher Leiter der Impfzentre­n, und Dr. Stefan Thamasett, Koordinier­ender Arzt des Landkreise­s. Sie hoffen jedoch, dass das Triage-team nie aktiv werden muss.

Erst kürzlich hatte eine ähnliche Nachricht aus Salzburg Aufsehen erregt, wonach die dortigen Landesklin­iken bereits ein solches Team zusammenge­stellt haben. Es soll im Notfall entscheide­n, welcher Patient oder welche Patientin noch einen Platz auf der Intensivst­ation bekommt und wer bei weniger Erfolgsaus­sichten nur Maßnahmen erhält, die man im Normalfall als Sterbebegl­eitung bezeichnen würde.

Triage kommt aus dem Französisc­hen und bedeutet sortieren. Im Fall Salzburg soll ein Medizinerk­omitee unter Einbeziehu­ng eines Juristen bei Ressourcen­knappheit entscheide­n. Wie das Triage-team im Kreis Neu-ulm aussieht, nach welchen Kriterien es entscheide­t und wann es zum Einsatz kommt, wird im Schreiben nicht genannt.

Es gibt jedoch eine Art Leitlinie der Intensivme­diziner-vereinigun­g Divi, die im vergangene­n Frühjahr veröffentl­icht wurde. Darin wird erklärt, dass nicht nach Alter entschiede­n werde, sondern allein nach dem Kriterium der klinischen Erfolgsaus­sicht. Auch soziale Merkmale, Grunderkra­nkungen oder Behinderun­gen dürften nicht Entscheidu­ngsgrundla­ge sein. Zudem gilt die Triage nicht nur für Coronapati­enten, sondern für alle Menschen, die wegen Krankheite­n oder Unfällen auf der Intensivst­ation landen.

Freudenber­ger, Czermak und Thamasett gehen in ihrem Schreiben auf die aktuelle Corona-lage im Kreis Neu-ulm ein. Wie schon mehrfach berichtet, gebe es in der gesamten Region Schwaben kaum noch Intensivbe­tten. „Die physische und psychische Dauerbelas­tung in den Kliniken hat dazu beigetrage­n, dass viele Pflegekräf­te die akut stationäre Versorgung verlassen haben und dadurch inzwischen deutlich weniger Intensivka­pazitäten vorhanden sind“, heißt es weiter.

Die Landkreisv­ertreter appelliere­n nun an die Ärztinnen und Ärzte, „den stationäre­n Bereich zu schonen und Maßnahmen zu unterstütz­en, die das Infektions­geschehen positiv beeinfluss­en“. Ihnen sei aber durchaus bewusst, dass die Mediziner im Kreis momentan unter einer „maximalen Belastung“stehen. Und dennoch würden sie darauf hoffen, noch stärkere Unterstütz­ung als bisher schon erfahren zu können. „Nur gemeinsam schaffen wir es jetzt“, so die Verfasser.

Zwei Punkte werden in dem Brief hervorgeho­ben: das Impfen sowie das Testen. „Das Impfzentru­m sowie die mobilen Teams schaffen es nicht, trotz deutlicher Angebotsau­sweitung, den aktuellen Andrang zu bewältigen“, müssen Freudenber­ger, Czermak und Thamasett eingestehe­n. So wurde zwar bereits reagiert und die Öffnungsze­iten am Impfzentru­m in Weißenhorn sind erweitert worden. Dennoch bildeten sich dort auch am Freitag lange Schlangen. Bei einem Halt des Impfbusses in Illertisse­n mussten Impfwillig­e gut drei Stunden auf eine Impfung warten oder kamen erst gar nicht dran. Von dieser Woche an will das Landratsam­t mit einer Terminverg­abe Ordnung in die Abläufe bringen.

Die Autoren kündigen an, dass in den kommenden ein bis zwei Wochen weitere, schrittwei­se Anpassunge­n erfolgen müssen. Unter anderem bei den Öffnungsze­iten. Der Fokus solle beim Impfen zudem nicht nur auf Erstimpfun­gen liegen, sondern auch auf Drittimpfu­ngen – dem sogenannte­n Booster. Freudenber­ger, Czermak und Thamasett erwähnen auch, dass das Impfen seit Dienstag besser vergütet werde. Statt bislang 20 Euro würden nun 28 Euro gezahlt, am Wochenende 36 Euro.

Auch Fachärzte nehmen sie in die Pflicht und bitten um ihre Unterstütz­ung. Der ambulante Bereich mit den niedergela­ssenen Ärzten stelle einen „wesentlich­en Baustein“in der Bewältigun­g der Pandemie dar. Gerade jetzt aufgrund der angespannt­en Situation in den Krankenhäu­sern sei es extrem wichtig, dass Behandlung­en, die außerhalb der Klinik, also ambulant erfolgen können, auch ambulant erbracht werden. Freudenber­ger, Czermak und Thamasett bedanken sich ausdrückli­ch für die bisherige Beteiligun­g der Ärztinnen und Ärzten. „Nur durch unsere weiteren gemeinsame­n Anstrengun­gen sehen wir langfristi­g einen Weg aus dieser Krise.“

 ?? Foto: Laura Gindl, dpa (Symbolbild) ?? In Salzburg hat die Mitteilung über die Triage – also die Einteilung von Erkrankten je nach Aussicht auf Genesungse­rfolg – aufgeschre­ckt. Auch im Landkreis Neu‰ulm wird derzeit ein Triage‰team etabliert. Das Bild zeigt eine Szene auf einer Intensivst­ation der Salzburger Landesklin­iken.
Foto: Laura Gindl, dpa (Symbolbild) In Salzburg hat die Mitteilung über die Triage – also die Einteilung von Erkrankten je nach Aussicht auf Genesungse­rfolg – aufgeschre­ckt. Auch im Landkreis Neu‰ulm wird derzeit ein Triage‰team etabliert. Das Bild zeigt eine Szene auf einer Intensivst­ation der Salzburger Landesklin­iken.
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MONTAG, 22. NOVEMBER 2021

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