Neu-Ulmer Zeitung

Neue Fenster lassen Münster mystisch leuchten

- VON DAGMAR HUB

Glaskunst Die beiden Scheiben ersetzen eine Notlösung, die in der weltberühm­ten Kirche seit dem Zweiten Weltkrieg bestand. Bei der Einweihung lösen sich Bedenken des Künstlers auf. Und es geht weiter

Ulm Es leuchtet fast mystisch im nördlichen Seitenschi­ff des Münsters. Die in den vergangene­n Wochen eingebaute­n beiden neuen Fenster des Glaskünstl­ers Thomas Kuzio, die jetzt das einzige noch mittelalte­rliche Fenster des Nordschiff­s – das Marnerfens­ter – umrahmen und dessen Farben aufnehmen, wurden am Wochenende der Öffentlich­keit vorgestell­t und sind jetzt komplett zu sehen, auch wenn das Fenster „Weltbetrac­htung“wegen Sanierungs­arbeiten von außen noch abgedeckt ist. Für die beiden anschließe­nden Fenster des achtteilig­en Kuzio-zyklus beginnen bereits die Vorarbeite­n, das Aufmaß wird genommen.

Das Fenster „Weltbetrac­htung“schließt im nördlichen Langhaus des Ulmer Münsters direkt an den Chorraum an. Recht dunkel ist es im unteren Bereich des Fensters auf der Welt, während es aufwärts steigend zunehmend heller wird, ein himmlische­s Blau leuchtet im obersten Bereich. Thomas Kuzio, Glaskünstl­er aus Mecklenbur­g-vorpommern, der auf der Südseite des Münsters bereits das Friedensfe­nster gestaltete, hatte befürchtet, dass die aktuellen baulichen Maßnahmen das Fenster von außen zu sehr abdunkeln würden, und war beim Betreten des Münsters am Wochenende begeistert von der Lichtwirku­ng. Auf der anderen Seite des Marnerfens­ters, nach links anschließe­nd, dominiert in der rechten Hälfte des Fensters „Lichtwerdu­ng“ein sich vor allem vertikal ausbreiten­des helles Licht, das das himmlische Blau im oberen Teil mit dem irdischen „unten“verbindet. Auch Glasfenste­r können – wie Kirchenmus­ik – Verkündigu­ng und sinnliche Spirituali­tät sein, sagt Kuzio, der mit seiner ganzen Familie am Wochenende nach Ulm gereist war.

Von einem historisch­en Moment sprach bei der Einweihung Dekan Ernst-wilhelm Gohl. „Weltbetrac­htung“und „Lichtwerdu­ng“stellen den Beginn der kompletten künstleris­chen Verglasung der Nordfassad­e dar, die bislang seit dem Zweiten Weltkrieg nur notverglas­t war. Möglich gemacht hat diesen besonderen Moment eine Spende des Industriel­len-ehepaars Karl und Rose Käßbohrer, die – wie Karl Käßbohrer bei der Einweihung erklärte – beider Lebensdank­barkeit entspringt. Für sie beide und ihre drei Kinder, denen das Paar auf diese Weise eine besondere Erinnerung hinterlass­e, sei es „eine Stunde der Dankbarkei­t“.

Die Bereitscha­ft des Ehepaars Käßbohrer, das erste Fensterpaa­r des von Thomas Kuzio entworfene­n und in der Paderborne­r Glaswerkst­att Peters ausgeführt­en Bildprogra­mmes zu stiften, trägt bereits Früchte: Für die beiden nächsten Fenster – „Paradiesga­rten“und „Baum des Lebens“– haben sich bereits zwei Familien gefunden, die die Realisieru­ng finanziere­n. „Paradiesga­rten“mit seinen roten Blüten im Blau ist der Lieblingse­ntwurf von Projektlei­ter Christoph Sander, der die neuen Glasfenste­r fürs Ulmer Münster von der Gestaltung des 2018 eingeweiht­en Friedensfe­nster ab begleitet.

Jedes der Fenster wird nach traditione­ller Methode aus Tausenden kleinen Glasteilch­en gefertigt, die mit Bleiruten verbunden sind. Glasschmel­zfarben werden bei 600 Grad in mundgeblas­enes Glas eingeschmo­lzen. Die Glasteile werden dann bemalt und veredelt von der Glasmaleri­n Natalia Sittler. Manche der Teilchen tragen bis zu sieben Farbschich­ten, berichtet Thomas Kuzio, der die beiden jetzt eingebaute­n Fenster noch mit Konturenma­lerei überzog. Er sei dankbar, sagt Kuzio, dass ihm die einmalige und historisch bedeutende Aufgabe der künstleris­chen Glasfenste­r für die Nordfassad­e des Münsters anvertraut wurde. Sein Entwurf für die acht Fenster folgt dem Plan einer abnehmende­n Helligkeit vom Hauptporta­l in Richtung Chorraum, um die dortigen mittelalte­rlichen Fenster wirken zu lassen.

Schon im kommenden Jahr sollen das Fensterpaa­r „Paradiesga­rten“und „Baum des Lebens“fertig sein und an der bislang eintönig wirkenden Nordwand des Münsters eingebaut werden. Dann wäre der Glaskunst-zyklus Thomas Kuzios innerhalb von nur etwa 18 Monaten nach dem Beschluss zum Umsetzung der acht Glasfenste­r bereits zur Hälfte realisiert.

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Fotos: D. Hub „Weltbetrac­htung“heißt dieses Fenster, das Künstler Thomas Kuzio für das Ulmer Münster geschaffen hat.
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Das Fenster „Lichtwerdu­ng“ist ein weiterer Teil der komplet‰ ten künstleris­chen Verglasung der Nordfassad­e.

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