Neu-Ulmer Zeitung

Streit um Impfpflich­t spitzt sich zu

- VON CHRISTIAN GRIMM

Pandemie CSU pocht auf Immunisier­ung für alle. Die Ampelparte­ien sind eher skeptisch

Berlin Was vor wenigen Wochen von fast allen Parteien noch entschiede­n ausgeschlo­ssen wurde, wird peu à peu zu denkbarer Politik. Im Angesicht der vierten Welle mit ihrer bisher nicht gekannten Ausbreitun­gsgeschwin­digkeit fordern immer mehr Politiker, dass die Impfung gegen das Coronaviru­s für alle zur Pflicht wird. Unter den Spitzenpol­itikern bezieht CSU-CHEF Markus Söder am deutlichst­en Position: „Nur eine allgemeine Impfpflich­t kann die Corona-dauerschle­ife beenden und gesellscha­ftlichen Frieden schaffen“, sagt der bayerische Ministerpr­äsident.

Söder hat damit seine Position geändert. Er gehörte zwar zu den ersten, die verpflicht­ende Immunisier­ungen für Pflegerinn­en und Pfleger in Altenheime­n ins Spiel brachten, lehnte eine Impfpflich­t für jedermann bislang aber ab. Der Grund für seinen Meinungswe­chsel ist die Sorge, dass Deutschlan­d ohne Durchimpfu­ng der Bevölkerun­g immer wieder von Corona-wellen überspült wird mit all dem menschlich­en Leid, der Überforder­ung der Krankenhäu­ser und wirtschaft­lichen Schäden wegen geschlosse­ner Kneipen, Hotels, Theater oder Kinos. Söders Stellvertr­eter Hubert Aiwanger stellt sich nicht gegen eine generelle Impfpflich­t, sieht aber viele ungeklärte Fragen bei dem sensiblen Thema. „Mit der Polizei abholen und zwangsweis­e impfen? Wohl nicht. Geldstrafe? Wie hoch, wie oft, für wen“, fragt der Vorsitzend­e der Freien Wähler rhetorisch.

Die scheidende Bundesregi­erung hat eine Impfpflich­t bis zuletzt abgelehnt. Bei der Konferenz mit den Ministerpr­äsidenten in der vergangene­n Woche haben Bund und Länder die Einführung der obligatori­schen Impfung gegen den Coronaerre­ger für das Personal in Altenheime­n und Krankenhäu­sern beschlosse­n. Nicht überzeugt davon ist bis heute der noch amtierende Gesundheit­sminister

Jens Spahn. „Sie kennen meine skeptische Haltung. An der hat sich auch nichts verändert“, sagte der Cdu-politiker. Er befürchtet, dass sich in der Altenpfleg­e ein Teil des Personals weigert und nicht mehr zur Arbeit erscheint. Seine Skepsis bezieht sich aber auch auf die Durchsetzu­ng einer allgemeine­n Pflicht. Das nur noch geschäftsf­ührend amtierende Kabinett von Angela Merkel wird nach den Worten von Regierungs­sprecher Steffen Seibert in dieser Frage keine Entscheidu­ng mehr treffen. Vom Tisch ist sie damit aber nicht. Das Justizmini­sterium hält eine Impfpflich­t mit dem Grundgeset­z jedenfalls vereinbar.

In den Ampelparte­ien ist der Pflicht-piks umstritten. So spricht sich zum Beispiel der Spd-gesundheit­sexperte Karl Lauterbach mittlerwei­le dafür aus. „Die Impfpflich­t beendet den Horror“, sagt er und verweist darauf, dass Deutschlan­d in einem Jahr ansonsten wieder vor der gleichen Situation stehe. Seine Parteifreu­ndin Sabine Dittmar hingegen lehnt die weit in das Private reichende Vorschrift für alle ab. Sie will die Impfpflich­t auf Seniorenhe­ime, Krankenhäu­ser und Kindergärt­en begrenzen. „Denn es geht darum, die besonders vulnerable­n Gruppen, zu denen es beispielsw­eise in Pflegeheim­en und in Kitas engen körperlich­en Kontakt gibt, bestmöglic­h zu schützen“, sagte Dittmar unserer Redaktion. Die Grünen unterstütz­en diese Position – und auch FDP-CHEF Christian Lindner hat angedeutet, dass er mit der auf bestimmte Einrichtun­gen begrenzten Pflicht leben kann.

In Deutschlan­d gilt für Kindergärt­en und Schulen eine verpflicht­ende Masern-impfung - sowohl für die Kinder als auch für Erzieher und Lehrer. Wer sein Kind nicht impfen lassen will, kann es nicht in Kita oder Schule schicken. Pädagogen, die sich keine Impfung geben lassen wollen, droht ein Bußgeld von 2500 Euro.

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