Neu-Ulmer Zeitung

Im Rettungsei­nsatz für die CDU

- VON STEFAN LANGE

Hintergrun­d Helge Braun ist Arzt, Vertrauter von Angela Merkel – und will Parteichef werden.

Wie er die CDU aus der Krise führen will und welche Rolle zwei Frauen beim Neuaufbau spielen könnten

Berlin Er vermisse seinen Beruf als Arzt immer dann, wenn er im Kanzleramt von besonders viel Bürokratie aufgehalte­n werde, klagte Helge Braun einmal und ergänzte: „Dann träume ich schon davon, im Notarztwag­en zu sitzen, mal wieder praktische­r zu arbeiten.“Wenn seine Karrierepl­anung Realität werden sollte, muss der Gießener zunächst weiterträu­men. Braun will Cduvorsitz­ender werden, seine Ankündigun­g, neben Friedrich Merz und Norbert Röttgen zu kandidiere­n, war die große Überraschu­ng im Rennen um den Cdu-thron. Am Montag präzisiert­e der Hesse in Berlin, wie er die Volksparte­i aus dem Chaos zu lenken gedenkt.

Braun ist seit März 2018 Bundesmini­ster für besondere Aufgaben und Chef des Bundeskanz­leramts, wie der offizielle Titel lautet. Noch jedenfalls, denn bald muss der 49-Jährige sein Büro im siebten Stock des Kanzleramt­es räumen. Mit dem Ende der Ära Angela Merkel ist er nur noch einfacher Bundestags­abgeordnet­er in der Opposition. Doch das scheint ihm nicht zu genügen.

Als Brauns Kandidatur bekannt wurde, ging ein Raunen durch die CDU, Jubel war nicht zu vernehmen. Der große Hesse mit der sonoren Stimme, der 1994 mit dem Studium der Humanmediz­in an der Justus-liebig-universitä­t in Gießen begann und 2007 promoviert­e, ist nicht unbedingt das, was sich viele Cdu-mitglieder als Personifiz­ierung des gewünschte­n Neuanfangs vorstellen. Braun gilt als Merkelvert­rauter, das hat bei der Kandidatur Vor- und Nachteile. Einerseits könnte er die Stimmen derer ziehen, die in ihm eine Fortsetzun­g der Merkel-erfolgssto­ry sehen. Anderersei­ts könnte das diejenigen abschrecke­n, die gerne neue Kapitel aufschlage­n würden. Braun hat das auf dem Schirm. Bei seiner offizielle­n Vorstellun­g würdigt er die Ära Angela Merkel, betont aber auch, dass er politisch ganz anders sozialisie­rt sei als die Kanzlerin.

Um seine Chancen gegen Merz und Röttgen zu erhöhen, hat sich Braun zwei Frauen ins Boot geholt, die für einen neuen Anfang stehen könnten. Da ist zum einen die frisch gewählte Abgeordnet­e Serap Güler, 41 Jahre alt, verheirate­t, Kölnerin und bis vor kurzem Staatssekr­etärin für Integratio­n im Nrw-kabinett von Armin Laschet. Sie soll Cdugeneral­sekretärin werden und steht für so etwas wie die Sozialdemo­kratisieru­ng der Christdemo­kraten. Sie sei das Kind einer Arbeiterfa­milie, betont Güler. Der Vater war Bergmann, die Mutter ging putzen, wie auch später sie selbst, um sich nebenbei Geld zu verdienen. „Ich weiß aus eigener Erfahrung sehr wohl, was es heißt, hart zu arbeiten“, sagt sie und das klingt der Vorrede von Helge Braun nicht unähnlich.

Der hatte betont, dass die Sorgen der „hart arbeitende­n Bevölkerun­g“für die CDU stets „ein Herzensanl­iegen“sein müsse. Wobei der Kandidat nicht zu erwähnen vergisst, dass „auch die konservati­ven Wurzeln“der CDU hinreichen­d deutlich werden müssten.

Für den Blick in die Zukunft steht auch Nadine Schön, 38 Jahre alt, verheirate­t und Mutter zweier Söhne. Die Saarländer­in hatte den Wiedereinz­ug in den Bundestag zunächst verpasst und rückte dann nach, als durch den Mandatsver­zicht von Annegret Kramp-karrenbaue­r und Peter Altmaier Plätze frei wurden. Schön ist unter anderem Fachfrau für Digitalpol­itik, sie soll als „Leiterin Programm- und Strukturen­twicklung“Pläne etwa für eine Reform von Staat und Verwaltung entwickeln, will aber „auch die eigene Parteiarbe­it modernisie­ren und reformiere­n“. Sie will „jenseits der etablierte­n Strukturen“Beteiligun­gsmöglichk­eiten für die Mitglieder schaffen, die über unregelmäß­ige Befragunge­n weit hinausgehe­n. „Wir wollen auch moderner und experiment­ierfreudig­er werden“, sagt Schön, die stellvertr­etende Fraktionsv­orsitzende ist – und an dieser Stelle nicht nach Höherem strebt. Fraktionsc­hef soll, so wünscht es sich zumindest Helge Braun, Ralph Brinkhaus bleiben.

Braun hat zwei Monate Zeit, die Mehrheit der rund 400000 Cdumitglie­der hinter sich zu versammeln. Beim Parteitag am 21. Januar – von dem Braun hofft, es möge trotz Corona eine Präsenzver­anstaltung werden – wird sich entscheide­n, ob er vom Kanzleramt ins Konrad-adenauer-haus wechselt. Oder ob er die Zeit bekommt, ab und an im Rettungswa­gen mitzufahre­n.

 ?? Foto: Wolfgang Kumm, dpa ?? Helge Braun kandidiert für den Cdu‰vorsitz. Beim Neuaufbau der Partei setzt er auf Serap Güler (links), die Generalsek­retärin werden würde, und auf Nadine Schön, die helfen soll, die CDU zu modernisie­ren.
Foto: Wolfgang Kumm, dpa Helge Braun kandidiert für den Cdu‰vorsitz. Beim Neuaufbau der Partei setzt er auf Serap Güler (links), die Generalsek­retärin werden würde, und auf Nadine Schön, die helfen soll, die CDU zu modernisie­ren.

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