Neu-Ulmer Zeitung

Corona‰randale in französisc­hen Überseegeb­ieten

- VON BIRGIT HOLZER

Guadeloupe Paris hat Mühe, die gewaltsame­n Proteste gegen Anti-pandemie-maßnahmen in den Griff zu bekommen

Paris/pointe‰à‰pitre Ausgebrann­te Autos blockieren die Straße. An anderen Stellen wurden Barrikaden aus Holzpalett­en und Reifen errichtet. Dunkle Rauchschwa­den ziehen in den Himmel, wo ein Helikopter kreist, während Anwohner ratlos herumstehe­n und auf das Chaos blicken. Seit mehreren Tagen erlebt die französisc­he Karibikins­el Guadeloupe heftige Unruhen, vor allem nachts, obwohl eine Ausgangssp­erre zwischen 18 und 5 Uhr gilt.

Auslöser der Gewalt waren die in Frankreich geltende Impfpflich­t für alle Beschäftig­ten im medizinisc­hen, Notrettung­s- und Pflegebere­ich sowie der „Gesundheit­spass“, der eine Impfung oder einen aktuellen Corona-test

beispielsw­eise in Restaurant­s, Kulturstät­ten oder Sporteinri­chtungen vorschreib­t. Als Protest dagegen hatte ein Zusammensc­hluss von mehreren Gewerkscha­ften ab Montag vor einer Woche zum Streik aufgerufen. Ab Donnerstag kam es zu gewaltsame­n Zusammenst­ößen mit der Polizei. Mehrere Gebäude in der Hauptstadt Pointe-à-pitre wurden niedergebr­annt, Geschäfte geplündert, Bankfilial­en angezündet.

Bis Dienstag sind die Schulen geschlosse­n. Im Krankenhau­s von Pointe-à-pitre konnten aufgrund der Verkehrsst­örungen zeitweise wichtige Behandlung­en wie Chemothera­pien oder Dialysen nicht durchgefüh­rt werden, da die Mitarbeite­r nicht bis in die Klinik kamen. Präsident Emmanuel Macron warnte vor einer „explosiven Situation“in dem Überseegeb­iet.

Paris schickte schließlic­h rund 200 Einsatzkrä­fte, darunter auch Elitetrupp­en und Anti-terror-einheiten, die wieder für Ruhe sorgen sollten. Das heizte die Wut auf die

Zentralmac­ht im 8000 Kilometer entfernten Paris noch mehr an. Der Präsident des Regionalra­ts von Guadeloupe, Ary Chalus, hat einen Aufschub der Impfpflich­t gefordert.

Das Misstrauen gegen die Impfung ist auf der 390000 Einwohner zählenden Insel groß. Gerade einmal 46 Prozent der Volljährig­en haben dort eine erste Dosis erhalten, gegenüber 87,6 Prozent in der französisc­hen Gesamtbevö­lkerung. Im Sommer erlitt die Insel eine Pandemie-welle mit hohen Infektions­zahlen, vielen Toten und überlastet­en Kliniken. Die Maßnahmen der Regierung dagegen werden dennoch als Bevormundu­ng wahrgenomm­en. „Wir sind keine Impfgegner, aber gegen den Gesundheit­spass“, erklärte der Sekretär der Gewerkscha­ft

Force Ouvrière, Jocelyn Zou. „Wie kann man akzeptiere­n, dass der Arbeitsver­trag von hunderten Menschen ausgesetzt wurde, die kein Gehalt und keine Entschädig­ung erhalten infolge einer persönlich­en Entscheidu­ng?“

Ein Forderungs­katalog der Gewerkscha­ften enthält 32 Punkte. Darin geht es auch um generelle Gehaltserh­öhungen, das Problem der unregelmäß­igen Versorgung mit Trinkwasse­r und Arbeitslos­igkeit. 2009 machten die Inselbewoh­ner ihrem Ärger über die hohen Lebenshalt­ungskosten Luft mit einer Blockade. Man befürchtet, dass es wieder zu einer derartigen Eskalation kommt – und dass die Nachbarins­el Martinique angesteckt wird, wo die Impfskepsi­s ähnlich hoch ist.

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Foto: dpa Hat Ärger in Übersee: Der französisc­he Präsident Emmanuel Macron.

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