Stimmung bei den Wirten ist „verheerend“
Lockdown Kaum eine Branche hat so unter der Pandemie gelitten wie die Gastronomie. Nun werden die Corona-regeln wieder verschärft, weitere Schließungen drohen. Erwartet wird ein harter Winter. Gefordert werden weitere Staatshilfen
Augsburg Man könnte sagen, Marc Schumacher ist Corona-unbill gewöhnt. Der Hotelier führt mit seiner Frau Manuela in Zusmarshausen, mitten im Naturpark Westliche Wälder, die alte „Posthalterei“. Das Ehepaar hatte im März 2020 das Traditionshaus saniert und komplett renoviert, wollte voller Elan loslegen, als der erste Lockdown verhängt wurde. Es folgte im Sommer 2020 ein, wie Schumacher sagt, „sehr erfolgreiches Intermezzo“, das vom nächsten siebenmonatigen Lockdown abgelöst wurde. Seit Mai dieses Jahres lief das Geschäft dann wieder an und es lief gut. Doch dann stiegen zuletzt die Corona-zahlen und seit vergangener Woche ist klar, was viele schon längst befürchtet hatten. Es droht, ab einer bestimmten Inzidenz, erneut die vorübergehende Einstellung des Betriebs.
Schumacher sagt: „Die Situation ist beängstigend. Wir haben im Sommer 26 neue Stellen geschaffen, und wir haben gedacht, wir müssen nicht mehr in Kurzarbeit, aber so, wie es jetzt ausschaut, wird sich das kaum vermeiden lassen.“62 Mitarbeiter beschäftigt die Posthalterei. „Bis Weihnachten“, sagt der Gastwirt, „waren wir komplett ausge
Waren. Denn inzwischen seien die Tagungen und Weihnachtsfeiern zu 95 Prozent abgesagt. „Wir haben in den vergangenen Wochen ein Storno-volumen von 800 000 Euro gehabt.“Seit September habe sich das Tagungsgeschäft gut erholt. „Fast zu gut, wir haben es kaum mehr geschafft.“Aber jetzt blieben sogar die Geimpften weg. Schumacher sagt: „Es gibt viele Firmen, die für das gesamte kommende nächste Jahr die Tagungen storniert haben. Die sagen: Damit fangen wir erst 2023 wieder an.“
„Die Gefühlslage ist in Teilen verheerend“, sagt auch Thomas Geppert, Landesgeschäftsführer des bayerischen Hotel – und Gaststättenverbandes (Dehoga). Wenn er mit Wirten, Hoteliers oder Clubbesitzern spreche, treffe er auf Verzweiflung und Fassungslosigkeit.
Warum, erschließt sich aus Sicht der Branche sofort: Um die vielen zu rasch steigenden Corona-zahlen in den Griff zu bekommen, hat die Staatsregierung erneut die Regeln verschärft. Für Hotels und Gastronomie bedeutet das – vorbehaltlich des Ministerratsbeschlusses am Dienstag – neben der ohnehin bereits gültigen 2-G-regel: Gastronomische Betriebe sollen ab 22 Uhr schließen. Schankwirtschaften, Dis
oder Clubs werden erst mal wieder ganz dichtgemacht. Weihnachtsund Jahrmärkte sind ebenfalls abgesagt. Bayern erlässt zudem eine Hotspot-regel. Heißt: In Landkreisen und kreisfreien Städten mit einer 7-Tage-inzidenz von über 1000 werden auch Restaurants, Wirts- und Gasthäuser sowie Hotels geschlossen. In Kraft treten sollen die Verschärfungen ab diesem Mittwoch, dauern voraussichtlich bis Mitte Dezember.
Geppert betont: „Wir verstehen, dass die Lage äußerst ernst ist. Aber dass in Hotspots Hotels und Gastbucht.“ stätten wieder schließen müssen, halten wir für wenig zielführend, denn dann treffen sich die Leute wieder daheim. Ohne Sicherheitskonzept.“Es stimme schon, der Sommer sei in der Gastronomie gut gewesen, das Geschäft sei gelaufen. Aber: „Die Corona-zahlen steigen weiter und das bedeutet, dass in den Hotspots das Unvorstellbare nun wieder eintrifft: ein Lockdown.“Und mit Blick auf die Clubs, die überhaupt erst seit sechs Wochen wieder öffnen durften, ist die Forderung klar: „Die müssen nun wieder ein Sonderopfer bringen und entsprechend entschädigt werden.“
Die Verschärfungen machten es der Branche zudem nicht leichter, Mitarbeiter in der Branche zu halten. Viele, die sich während der ersten drei Pandemie-wellen etwas anderes gesucht hätten, dann doch zurückgekommen waren und nun wieder ohne Arbeit dazustehen drohen, würden sich, so die Befürchtung, nun endgültig einen anderen Job suchen. Bayerns Dehoga-präsidentin Angela Inselkammer fasst es so zusammen: „Die bekannt gewordenen Entscheidungen sind für uns unvorstellbar.“Sie meint: „Entweder ein harter Lockdown für alle oder Konzeptlösungen.“
Matthias Köppel, Leiter Standcos ortpolitik bei der IHK Schwaben, schätzt das Stimmungsbild in der Region so ein: „Das Gastgewerbe leidet bereits jetzt unter den Folgen der hohen Corona-zahlen. Gäste stornieren Weihnachtsfeiern und entscheiden sich aufgrund der Unsicherheit gegen einen Besuch im Restaurant. Die Umsatzeinbußen sind deutlich zu spüren.“Mit den ausbleibenden Gästen werde sich die finanzielle Lage „weiter verschlechtern“. Auch er fordert: „Die Corona-wirtschaftshilfen müssen an die neue Situation angepasst werden, damit Hotellerie, Gastronomie, Clubs und Bars die erneuten Beschränkungen überstehen.“
Hotelier Schumacher aus Zusmarshausen hat das Glück, mit einem robusten Gemüt gesegnet zu sein. Selbst heute sagt er noch: „Wir stecken den Kopf nicht in den Sand. Es kommt, wie es kommt.“Aber natürlich hofft auch er auf Nachbesserungen bei den staatlichen Hilfen, sollte er tatsächlich wieder schließen müssen. Die Branchen-probleme, Mitarbeiter zu halten oder neue zu finden, hat er nicht, wie er sagt: „Wir hatten im vergangenen Jahr 42 Bewerbungen für Azubis. Acht konnten wir einstellen.“Das wären Perspektiven. Aber davor steht ein dunkler Winter an.