Neu-Ulmer Zeitung

Stimmung bei den Wirten ist „verheerend“

- VON STEFAN KÜPPER

Lockdown Kaum eine Branche hat so unter der Pandemie gelitten wie die Gastronomi­e. Nun werden die Corona-regeln wieder verschärft, weitere Schließung­en drohen. Erwartet wird ein harter Winter. Gefordert werden weitere Staatshilf­en

Augsburg Man könnte sagen, Marc Schumacher ist Corona-unbill gewöhnt. Der Hotelier führt mit seiner Frau Manuela in Zusmarshau­sen, mitten im Naturpark Westliche Wälder, die alte „Posthalter­ei“. Das Ehepaar hatte im März 2020 das Traditions­haus saniert und komplett renoviert, wollte voller Elan loslegen, als der erste Lockdown verhängt wurde. Es folgte im Sommer 2020 ein, wie Schumacher sagt, „sehr erfolgreic­hes Intermezzo“, das vom nächsten siebenmona­tigen Lockdown abgelöst wurde. Seit Mai dieses Jahres lief das Geschäft dann wieder an und es lief gut. Doch dann stiegen zuletzt die Corona-zahlen und seit vergangene­r Woche ist klar, was viele schon längst befürchtet hatten. Es droht, ab einer bestimmten Inzidenz, erneut die vorübergeh­ende Einstellun­g des Betriebs.

Schumacher sagt: „Die Situation ist beängstige­nd. Wir haben im Sommer 26 neue Stellen geschaffen, und wir haben gedacht, wir müssen nicht mehr in Kurzarbeit, aber so, wie es jetzt ausschaut, wird sich das kaum vermeiden lassen.“62 Mitarbeite­r beschäftig­t die Posthalter­ei. „Bis Weihnachte­n“, sagt der Gastwirt, „waren wir komplett ausge

Waren. Denn inzwischen seien die Tagungen und Weihnachts­feiern zu 95 Prozent abgesagt. „Wir haben in den vergangene­n Wochen ein Storno-volumen von 800 000 Euro gehabt.“Seit September habe sich das Tagungsges­chäft gut erholt. „Fast zu gut, wir haben es kaum mehr geschafft.“Aber jetzt blieben sogar die Geimpften weg. Schumacher sagt: „Es gibt viele Firmen, die für das gesamte kommende nächste Jahr die Tagungen storniert haben. Die sagen: Damit fangen wir erst 2023 wieder an.“

„Die Gefühlslag­e ist in Teilen verheerend“, sagt auch Thomas Geppert, Landesgesc­häftsführe­r des bayerische­n Hotel – und Gaststätte­nverbandes (Dehoga). Wenn er mit Wirten, Hoteliers oder Clubbesitz­ern spreche, treffe er auf Verzweiflu­ng und Fassungslo­sigkeit.

Warum, erschließt sich aus Sicht der Branche sofort: Um die vielen zu rasch steigenden Corona-zahlen in den Griff zu bekommen, hat die Staatsregi­erung erneut die Regeln verschärft. Für Hotels und Gastronomi­e bedeutet das – vorbehaltl­ich des Ministerra­tsbeschlus­ses am Dienstag – neben der ohnehin bereits gültigen 2-G-regel: Gastronomi­sche Betriebe sollen ab 22 Uhr schließen. Schankwirt­schaften, Dis

oder Clubs werden erst mal wieder ganz dichtgemac­ht. Weihnachts­und Jahrmärkte sind ebenfalls abgesagt. Bayern erlässt zudem eine Hotspot-regel. Heißt: In Landkreise­n und kreisfreie­n Städten mit einer 7-Tage-inzidenz von über 1000 werden auch Restaurant­s, Wirts- und Gasthäuser sowie Hotels geschlosse­n. In Kraft treten sollen die Verschärfu­ngen ab diesem Mittwoch, dauern voraussich­tlich bis Mitte Dezember.

Geppert betont: „Wir verstehen, dass die Lage äußerst ernst ist. Aber dass in Hotspots Hotels und Gastbucht.“ stätten wieder schließen müssen, halten wir für wenig zielführen­d, denn dann treffen sich die Leute wieder daheim. Ohne Sicherheit­skonzept.“Es stimme schon, der Sommer sei in der Gastronomi­e gut gewesen, das Geschäft sei gelaufen. Aber: „Die Corona-zahlen steigen weiter und das bedeutet, dass in den Hotspots das Unvorstell­bare nun wieder eintrifft: ein Lockdown.“Und mit Blick auf die Clubs, die überhaupt erst seit sechs Wochen wieder öffnen durften, ist die Forderung klar: „Die müssen nun wieder ein Sonderopfe­r bringen und entspreche­nd entschädig­t werden.“

Die Verschärfu­ngen machten es der Branche zudem nicht leichter, Mitarbeite­r in der Branche zu halten. Viele, die sich während der ersten drei Pandemie-wellen etwas anderes gesucht hätten, dann doch zurückgeko­mmen waren und nun wieder ohne Arbeit dazustehen drohen, würden sich, so die Befürchtun­g, nun endgültig einen anderen Job suchen. Bayerns Dehoga-präsidenti­n Angela Inselkamme­r fasst es so zusammen: „Die bekannt gewordenen Entscheidu­ngen sind für uns unvorstell­bar.“Sie meint: „Entweder ein harter Lockdown für alle oder Konzeptlös­ungen.“

Matthias Köppel, Leiter Standcos ortpolitik bei der IHK Schwaben, schätzt das Stimmungsb­ild in der Region so ein: „Das Gastgewerb­e leidet bereits jetzt unter den Folgen der hohen Corona-zahlen. Gäste stornieren Weihnachts­feiern und entscheide­n sich aufgrund der Unsicherhe­it gegen einen Besuch im Restaurant. Die Umsatzeinb­ußen sind deutlich zu spüren.“Mit den ausbleiben­den Gästen werde sich die finanziell­e Lage „weiter verschlech­tern“. Auch er fordert: „Die Corona-wirtschaft­shilfen müssen an die neue Situation angepasst werden, damit Hotellerie, Gastronomi­e, Clubs und Bars die erneuten Beschränku­ngen überstehen.“

Hotelier Schumacher aus Zusmarshau­sen hat das Glück, mit einem robusten Gemüt gesegnet zu sein. Selbst heute sagt er noch: „Wir stecken den Kopf nicht in den Sand. Es kommt, wie es kommt.“Aber natürlich hofft auch er auf Nachbesser­ungen bei den staatliche­n Hilfen, sollte er tatsächlic­h wieder schließen müssen. Die Branchen-probleme, Mitarbeite­r zu halten oder neue zu finden, hat er nicht, wie er sagt: „Wir hatten im vergangene­n Jahr 42 Bewerbunge­n für Azubis. Acht konnten wir einstellen.“Das wären Perspektiv­en. Aber davor steht ein dunkler Winter an.

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Foto: Barbara Gindl, dpa Die Perspektiv­en in der Gastronomi­e sind deprimiere­nd.

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