Neu-Ulmer Zeitung

Polizei in Not?

- VON MICHAEL BÖHM

Sicherheit In Sachsen befürchtet die Polizeigew­erkschaft einen „Corona-kollaps“, auch in Bayern ist die Situation angespannt

Augsburg Es sind alarmieren­de Zahlen, die aus Sachsens Polizei zu hören sind, von einem drohenden „Corona-kollaps“ist die Rede. Unter den Beamtinnen und Beamten liege die Inzidenz bei über 4000, rechnete unlängst die Chefin der Deutschen Polizeigew­erkschaft in Sachsen, Cathleen Martin, vor und prophezeit­e heikle Wochen, die da vor dem Sicherheit­sapparat stünden, wenn die Corona-zahlen sich so weiterentw­ickelten. In Sachsen lag die Inzidenz der gesamten Bevölkerun­g am Montag laut Robertkoch-institut bei 960,7 und damit bundesweit am höchsten.

Von derartigen Werten ist Bayern noch ein Stück entfernt, mit einer Inzidenz von 640 rangierte der Freistaat aber am Montag hinter Sachsen und Thüringen auf Platz drei – und auch hier ist die Situation bei der Polizei mehr als angespannt.

46 Jahre ist Peter Pytlik nun schon bei der bayerische­n Polizei. „Aber so etwas habe ich in all den Jahren noch nicht erlebt“, sagt der Vorsitzend­e der Gewerkscha­ft der Polizei (GDP) in Bayern. Zu viele Aufgaben, zu wenig Personal, Berge an Überstunde­n – all das kennt der 62-jährige Polizeibea­mte aus Krumbach (Landkreis Günzburg) seit Jahren zur Genüge, doch das Coronaviru­s und seine Folgen hätten die Probleme noch einmal massiv verstärkt. „Das Virus macht auch vor der Polizei nicht halt“, sagt Pytlik.

Aktuell seien 685 von knapp 44 000 Beschäftig­en der bayerische­n Polizei mit Corona infiziert, rund 500 weitere unter anderem wegen Kontakten zu Infizierte­n nicht einsatzfäh­ig. In der vergangene­n Woche waren es noch 570 Infizierte und 277 in Quarantäne. „Wenn das so weitergeht, geraten wir in eine prekäre Situation“, sagt Gewerkscha­fter Pytlik. Sein Kollege von der Deutschen Polizeigew­erkschaft (DPOLG) in Bayern, Jürgen Köhnlein,

sieht das ähnlich und mahnt zu erhöhter Vorsicht. Zumal aufgrund der verschärft­en Corona-regeln nun wieder verstärkt mit Demonstrat­ionen und Protesten zu rechnen sei, bei denen die Einsatzkrä­fte verstärkt auch auf ungeimpfte Personen treffen würden.

„Aufgrund der erhöhten Ansteckung­sgefahren im Einsatzges­chehen hoffe ich, dass möglichst viele Polizistin­nen und Polizisten unser Booster-angebot wahrnehmen“, sagte Innenminis­ter Joachim Herrmann vor wenigen Tagen. Seit Beginn dieser Woche können sich bayerische Polizisten an sechs eigenen Impfstatio­nen ihre Auffrischu­ngsspritze abholen.

Anders als in Sachsen, wo es arge Kritik an der fehlenden Boosterstr­ategie der Regierung gibt, sei man in Bayern beim Thema Impfen ordentlich aufgestell­t, betonen die Gewerkscha­fter Pytlik und Köhnlein. Nach Auskunft des Innenminis­teriums sind mindestens 31600 Beschäftig­te der bayerische­n Polizei vollständi­g geimpft. Dies entspräche einer Impfquote von 71,8 Prozent und liege damit deutlich über dem bayernweit­en Schnitt (66,1 Prozent).

Unterm Strich sei die Corona-not bei der Polizei also noch nicht so groß wie scheinbar in Sachsen, betonen die Gewerkscha­fter Pytlik und Köhnlein unisono, allerdings seien die Infektione­n unter den Polizeibea­mtinnen und -beamten auch nur ein Teil des Problems – die coronabedi­ngten Zusatzaufg­aben ein mindestens ebenso großer. „Wir müssen bei den Gesundheit­sämtern aushelfen, wir müssen die Einhaltung der Corona-regeln kontrollie­ren – es kommen immer mehr Aufgaben oben drauf, die mit den polizeilic­hen Kernaufgab­en im Grunde nichts zu tun haben“, kritisiert Pytlik. Und dann wurde dieser Tage auch noch bekannt, dass der G7-gipfel nächstes Jahr wieder im oberbayeri­schen Schloss Elmau stattfinde­n soll. Vor sieben Jahren, als der Gipfel der sieben Staats- und Regierungs­chefs zuletzt in Elmau stattgefun­den hat, habe man eineinhalb Jahre Vorbereitu­ngszeit gehabt. „Jetzt müssen wir diesen Megaeinsat­z innerhalb eines halben Jahres und unter Corona-bedingunge­n aus dem Boden stampfen“, kritisiert Dpolg-chef Köhnlein die Planung. „Wir werden das schaffen, weil es die Polizei immer schafft. Aber es geht alles zulasten der Kolleginne­n und Kollegen.“

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Foto: Hörhager, dpa Corona führt auch bei der Polizei zu per‰ sonellen Engpässen.

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