Polizei in Not?
Sicherheit In Sachsen befürchtet die Polizeigewerkschaft einen „Corona-kollaps“, auch in Bayern ist die Situation angespannt
Augsburg Es sind alarmierende Zahlen, die aus Sachsens Polizei zu hören sind, von einem drohenden „Corona-kollaps“ist die Rede. Unter den Beamtinnen und Beamten liege die Inzidenz bei über 4000, rechnete unlängst die Chefin der Deutschen Polizeigewerkschaft in Sachsen, Cathleen Martin, vor und prophezeite heikle Wochen, die da vor dem Sicherheitsapparat stünden, wenn die Corona-zahlen sich so weiterentwickelten. In Sachsen lag die Inzidenz der gesamten Bevölkerung am Montag laut Robertkoch-institut bei 960,7 und damit bundesweit am höchsten.
Von derartigen Werten ist Bayern noch ein Stück entfernt, mit einer Inzidenz von 640 rangierte der Freistaat aber am Montag hinter Sachsen und Thüringen auf Platz drei – und auch hier ist die Situation bei der Polizei mehr als angespannt.
46 Jahre ist Peter Pytlik nun schon bei der bayerischen Polizei. „Aber so etwas habe ich in all den Jahren noch nicht erlebt“, sagt der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GDP) in Bayern. Zu viele Aufgaben, zu wenig Personal, Berge an Überstunden – all das kennt der 62-jährige Polizeibeamte aus Krumbach (Landkreis Günzburg) seit Jahren zur Genüge, doch das Coronavirus und seine Folgen hätten die Probleme noch einmal massiv verstärkt. „Das Virus macht auch vor der Polizei nicht halt“, sagt Pytlik.
Aktuell seien 685 von knapp 44 000 Beschäftigen der bayerischen Polizei mit Corona infiziert, rund 500 weitere unter anderem wegen Kontakten zu Infizierten nicht einsatzfähig. In der vergangenen Woche waren es noch 570 Infizierte und 277 in Quarantäne. „Wenn das so weitergeht, geraten wir in eine prekäre Situation“, sagt Gewerkschafter Pytlik. Sein Kollege von der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPOLG) in Bayern, Jürgen Köhnlein,
sieht das ähnlich und mahnt zu erhöhter Vorsicht. Zumal aufgrund der verschärften Corona-regeln nun wieder verstärkt mit Demonstrationen und Protesten zu rechnen sei, bei denen die Einsatzkräfte verstärkt auch auf ungeimpfte Personen treffen würden.
„Aufgrund der erhöhten Ansteckungsgefahren im Einsatzgeschehen hoffe ich, dass möglichst viele Polizistinnen und Polizisten unser Booster-angebot wahrnehmen“, sagte Innenminister Joachim Herrmann vor wenigen Tagen. Seit Beginn dieser Woche können sich bayerische Polizisten an sechs eigenen Impfstationen ihre Auffrischungsspritze abholen.
Anders als in Sachsen, wo es arge Kritik an der fehlenden Boosterstrategie der Regierung gibt, sei man in Bayern beim Thema Impfen ordentlich aufgestellt, betonen die Gewerkschafter Pytlik und Köhnlein. Nach Auskunft des Innenministeriums sind mindestens 31600 Beschäftigte der bayerischen Polizei vollständig geimpft. Dies entspräche einer Impfquote von 71,8 Prozent und liege damit deutlich über dem bayernweiten Schnitt (66,1 Prozent).
Unterm Strich sei die Corona-not bei der Polizei also noch nicht so groß wie scheinbar in Sachsen, betonen die Gewerkschafter Pytlik und Köhnlein unisono, allerdings seien die Infektionen unter den Polizeibeamtinnen und -beamten auch nur ein Teil des Problems – die coronabedingten Zusatzaufgaben ein mindestens ebenso großer. „Wir müssen bei den Gesundheitsämtern aushelfen, wir müssen die Einhaltung der Corona-regeln kontrollieren – es kommen immer mehr Aufgaben oben drauf, die mit den polizeilichen Kernaufgaben im Grunde nichts zu tun haben“, kritisiert Pytlik. Und dann wurde dieser Tage auch noch bekannt, dass der G7-gipfel nächstes Jahr wieder im oberbayerischen Schloss Elmau stattfinden soll. Vor sieben Jahren, als der Gipfel der sieben Staats- und Regierungschefs zuletzt in Elmau stattgefunden hat, habe man eineinhalb Jahre Vorbereitungszeit gehabt. „Jetzt müssen wir diesen Megaeinsatz innerhalb eines halben Jahres und unter Corona-bedingungen aus dem Boden stampfen“, kritisiert Dpolg-chef Köhnlein die Planung. „Wir werden das schaffen, weil es die Polizei immer schafft. Aber es geht alles zulasten der Kolleginnen und Kollegen.“