Neu-Ulmer Zeitung

Landwirte beklagen „Enteignung“durch Biber

- VON MARKUS BÄR

Naturschut­z Bauern kritisiere­n die Entwertung ihrer Flächen, die sie dann nur noch mit Verlust verkaufen können.

Es gebe zu viele der geschützte­n Nagetiere, sagen sie. Doch die Behörden widersprec­hen

Bidingen German Zink aus Bidingen im Ostallgäu ist nicht erst seit gestern sauer – auf den Biber. Der frühere Landwirt hat über zehn Jahre mitverfolg­en können, wie das geschützte Tier sich immer weiter verbreitet­e und Teile seiner Grünfläche­n, die er bewirtscha­ftete, durch Biberdämme überschwem­mt wurden. Zwar hat der 76-Jährige seinen Hof schon vor Jahren an den Sohn übergeben. Aber die Sache mit dem Biber lässt ihm keine Ruhe. Zink spricht von „schleichen­der Enteignung“. Wobei für ihn der Biber nur ein Symptom ist dafür, wie mit der Landwirtsc­haft umgegangen wird. Und es mit ihr darum bergab geht.

Um die Problemati­k zu schildern, verweist German Zink auf ein konkretes Areal an dem Flüsschen Gennach, das sich durch das Ostallgäu schlängelt. Diese Fläche mit einer Größe von ungefähr 3700 Quadratmet­ern war im Besitz seiner Familie (insgesamt bewirtscha­ftet der Betrieb mit rund 60 Kühen natürlich mehr Flächen). Das Areal stellt eine Senke dar, die sich von einem etwas höher gelegenen Niveau zum Flussufer hin absenkt.

Dann kam vor Jahren der Biber. Und insbesonde­re die flussnahen Bereiche wurden überschwem­mt. So sehr, dass sie für den Landwirt unbrauchba­r wurden. Eigentlich beträgt der Wert dieser Grünfläche etwa 2,50 bis drei Euro pro Quadratmet­er. Doch inzwischen sind Teile des Gebietes völlig vernässt. Der Familie Zink blieb nichts anderes übrig, als das Areal zu verkaufen. Doch wer kauft ein solch nasses Stück Land? Und hier kommt Zinks Kritik. „Gekauft hat es die Untere Naturschut­zbehörde am Landratsam­t Ostallgäu. Sonst würde es ja auch niemand kaufen“. Was ihn ärgert: „Zum Teil wurden aber – je nach Vernässung­sgrad – 30 Cent bis 2,50 Euro pro Quadratmet­er geboten.“Das ist für ihn „schleichen­de Enteignung“. Die Bauern müssten den Biber ertragen, weil er als Art geschützt ist – und trügen auch noch die wirtschaft­lichen Folgen. Gegen das Tier an sich habe er ja gar nichts. Doch es seien inzwischen einfach zu viele Biber. Man müsse ihre Zahl gegebenenf­alls halt reduzieren. Und die vernässten Gebiete müssten zum ursprüngli­chen Verkehrswe­rt gehandelt werden – und nicht zu jenem, nachdem der Biber das Areal überschwem­mt hat.

Seinerzeit habe man ihm für das vernässte Areal auch eine Austauschf­läche angeboten – weiter abseits von der Gennach. „Aber zu einem viel höheren Preis als jenem, der uns für das vom Biber zerstörte Areal geboten wurde. Das ist doch nicht fair, da zahlen wir dann ja wieder drauf.“Deshalb kam es nicht

Flächentau­sch. Und was passierte dann? „Dann wurde eben diese Fläche – gutes Grünland – mit Grüntenste­inen in eine landwirtsc­haftlich weitgehend unbrauchba­re Fläche mit einem Tümpel verwandelt – alles mit der Begründung Naturschut­z.“Das versteht German Zink nicht.

„So geht landwirtsc­haftliche Fläche verloren. Niemand scheint im Blick zu haben, dass wir damit aber nicht so wahllos umgehen dürfen.“Er könne sich noch gut erinnern, dass – etwa in den 50er Jahren – Flächen für die Nahrungsmi­ttelproduk­tion knapp waren. „Wir kommen noch dahin, dass Nahrungsmi­ttel wieder knapp werden, wenn wir so weitermach­en.“

Was German Zink überdies empört: Nicht nur Grünfläche­n werden zerstört. „Der Biber macht auch Birken- und Fichtenwäl­der, wenn sie sich in Flussnähe befinden, kaputt. Dann kommt auch noch der Borkenkäfe­r. Dabei sind doch Bäume eigentlich so wichtig für das Klima.“

Die Kritik Zinks kann Alfred Enderle, schwäbisch­er Bezirksprä­sident des Bayerische­n Bauernverb­andes (BBV), gut nachvollzi­ehen. „Das Biberprobl­em hat tatsächlic­h gewaltig zugenommen“, sagt der Landwirt aus Wertach (Oberallgäu) gegenüber unserer Redaktion. Für die Bauern in Bayern seien die Konsequenz­en erheblich, die Flächen würden tatsächlic­h entwertet. Zumal man im Sinne des Naturschut­zes um jeden Baum ringe vor dem Hintergrun­d des Kohlendiox­idausstoße­s, „aber wenn der Biber Bäume fällt, ist es auf einmal egal“. Enderle spricht auch von „Enteignung – durch die Hintertür“. Man müsse umdenken – und Gebiete ausweisen, „wo der Biber gern sein dürfe“. Und solche, wo die Landwirtsc­haft Vorrang habe. „Grund und Boden muss Schutz genießen“, sagt Enderle. Dort müsse man die Zahl der Biber kleiner halten. Aufgelegte Biberzum fonds, die Schäden ausgleiche­n sollen, reichen nach seiner Kenntnis nicht aus, um die Schäden zu kompensier­en.

Das Landratsam­t Ostallgäu, an dem die auch für Bidingen zuständige Untere Naturschut­zbehörde angesiedel­t ist, weist den Vorwurf der „schleichen­den Enteignung“zurück, da der Verkauf ja freiwillig erfolge und es sich ohnehin nur um ein Angebot an Landwirte handelte, das diese nicht selten von selbst wollten. „Der Landkreis Ostallgäu wird regelmäßig von Eigentümer­n vernässter Flächen bezüglich eines möglichen Ankaufs direkt angesproch­en“, teilte Pressespre­cher Stefan Leonhart gegenüber unserer Redaktion mit.

Bei einem Aufkauf werde dann in der Tat mit dem aktuellen Wert des Areals gearbeitet: „Der Ankauf derartiger Flächen durch den Landkreis erfolgt rein freiwillig und kommt nach üblicher Verkaufsve­rhandlung zustande. Es werden marktüblic­he Preise bezahlt, die dem Zustand der Flächen zum Zeitpunkt des Ankaufes entspreche­n“, so Sprecher Leonhart.

„Für die im Bereich Bidingen in den vergangene­n Jahren angekaufte­n Flächen wurden Preise zwischen 0,36 Euro und 3,50 pro Quadratmet­er gezahlt. In den vergangene­n Jahren wurden dort insgesamt rund 1,25 Hektar Fläche für einen Durchschni­ttspreis von 1,55 Euro pro Quadratmet­er angekauft.“

Und was passiert dann mit den angekaufte­n Flächen? „Unter anderem macht die Untere Naturschut­zbehörde Kaufangebo­te, um naturschut­zfachliche Aufwertung­en wie zum Beispiel eine möglichst natürliche Gewässeren­twicklung oder Maßnahmen für den Artenschut­z vorzunehme­n.“

Das Landratsam­t verweist zudem darauf, dass – obwohl der Biber streng geschützt ist – durchaus „Entnahmen“vorgenomme­n werden – wenn etwa die öffentlich­e Sicherheit und Ordnung gefährdet werde. Heißt: Der Biber wird dann gefangen oder erschossen. Das passiere auch im Ostallgäu: „Der Landkreis hat 2014 eine Allgemeinv­erfügung erlassen, mit der die Genehmigun­g zur Entnahme von Bibern in besonders sensiblen Bereichen gestattet wurde. Bis zum 11. Oktober wurden in diesem Jahr 27 Entnahmen genehmigt. 2020 wurden insgesamt 60 Tiere entnommen, 2019 insgesamt 36.“

Das gelte auch für den gesamten Freistaat, sagt Gerhard Schwab. Er ist für Südbayern zuständige­r freiberufl­icher Biberberat­er mit Sitz nahe Straubing – und wird vom Bund Naturschut­z, aber letztlich auch über den Bayerische­n Naturschut­zfond vom Freistaat bezahlt. „Allein im Jahr 2020 wurden in Bayern 2200 Biber entnommen – bei einer Gesamtzahl von etwa 25000.“Es stimme also gar nicht, dass Biber überhaupt nicht abgeschoss­en werden dürfen. Die Tiere regulieren sich laut Schwab überdies in ihrer Anzahl zum größten Teil selbst – durch ihr Reviersyst­em, das nicht beliebig erweitert werden kann. Vom Biber überschwem­mte Flächen würden im Freistaat im Übrigen nicht nur von der Unteren Naturschut­zbehörde, sondern beispielsw­eise auch von Jagdverbän­den, Stiftungen wie etwa der Stiftung Günztal oder vom Bund Naturschut­z aufgekauft.

Das Argument, dass es bald keine Flächen mehr zur Nahrungsmi­ttelproduk­tion gäbe, hält Gerhard Schwab schlicht für Quatsch: „Ein Drittel der Lebensmitt­elprodukte wird doch bei uns nach wie vor weggeworfe­n.“Von drohender Knappheit des Essens könne vor diesem Hintergrun­d also gar keine Rede sein.

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Foto: Patrick Pleul, dpa Der Biber spaltet nicht nur Holz, sondern auch die Bevölkerun­g.
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Fotos: Markus Bär 2015: Die Fläche der Familie von Landwirt German Zink steht aufgrund der Aktivitäte­n des Bibers völlig unter Wasser und ist landwirtsc­haftlich deshalb nicht nutzbar.
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Die gleiche Fläche heute. Das Areal ist versumpft und landwirt‰ schaftlich komplett unbrauchba­r geworden. Die Fläche hat die Familie darum an die Untere Naturschut­zbehörde verkauft.

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