Landwirte beklagen „Enteignung“durch Biber
Naturschutz Bauern kritisieren die Entwertung ihrer Flächen, die sie dann nur noch mit Verlust verkaufen können.
Es gebe zu viele der geschützten Nagetiere, sagen sie. Doch die Behörden widersprechen
Bidingen German Zink aus Bidingen im Ostallgäu ist nicht erst seit gestern sauer – auf den Biber. Der frühere Landwirt hat über zehn Jahre mitverfolgen können, wie das geschützte Tier sich immer weiter verbreitete und Teile seiner Grünflächen, die er bewirtschaftete, durch Biberdämme überschwemmt wurden. Zwar hat der 76-Jährige seinen Hof schon vor Jahren an den Sohn übergeben. Aber die Sache mit dem Biber lässt ihm keine Ruhe. Zink spricht von „schleichender Enteignung“. Wobei für ihn der Biber nur ein Symptom ist dafür, wie mit der Landwirtschaft umgegangen wird. Und es mit ihr darum bergab geht.
Um die Problematik zu schildern, verweist German Zink auf ein konkretes Areal an dem Flüsschen Gennach, das sich durch das Ostallgäu schlängelt. Diese Fläche mit einer Größe von ungefähr 3700 Quadratmetern war im Besitz seiner Familie (insgesamt bewirtschaftet der Betrieb mit rund 60 Kühen natürlich mehr Flächen). Das Areal stellt eine Senke dar, die sich von einem etwas höher gelegenen Niveau zum Flussufer hin absenkt.
Dann kam vor Jahren der Biber. Und insbesondere die flussnahen Bereiche wurden überschwemmt. So sehr, dass sie für den Landwirt unbrauchbar wurden. Eigentlich beträgt der Wert dieser Grünfläche etwa 2,50 bis drei Euro pro Quadratmeter. Doch inzwischen sind Teile des Gebietes völlig vernässt. Der Familie Zink blieb nichts anderes übrig, als das Areal zu verkaufen. Doch wer kauft ein solch nasses Stück Land? Und hier kommt Zinks Kritik. „Gekauft hat es die Untere Naturschutzbehörde am Landratsamt Ostallgäu. Sonst würde es ja auch niemand kaufen“. Was ihn ärgert: „Zum Teil wurden aber – je nach Vernässungsgrad – 30 Cent bis 2,50 Euro pro Quadratmeter geboten.“Das ist für ihn „schleichende Enteignung“. Die Bauern müssten den Biber ertragen, weil er als Art geschützt ist – und trügen auch noch die wirtschaftlichen Folgen. Gegen das Tier an sich habe er ja gar nichts. Doch es seien inzwischen einfach zu viele Biber. Man müsse ihre Zahl gegebenenfalls halt reduzieren. Und die vernässten Gebiete müssten zum ursprünglichen Verkehrswert gehandelt werden – und nicht zu jenem, nachdem der Biber das Areal überschwemmt hat.
Seinerzeit habe man ihm für das vernässte Areal auch eine Austauschfläche angeboten – weiter abseits von der Gennach. „Aber zu einem viel höheren Preis als jenem, der uns für das vom Biber zerstörte Areal geboten wurde. Das ist doch nicht fair, da zahlen wir dann ja wieder drauf.“Deshalb kam es nicht
Flächentausch. Und was passierte dann? „Dann wurde eben diese Fläche – gutes Grünland – mit Grüntensteinen in eine landwirtschaftlich weitgehend unbrauchbare Fläche mit einem Tümpel verwandelt – alles mit der Begründung Naturschutz.“Das versteht German Zink nicht.
„So geht landwirtschaftliche Fläche verloren. Niemand scheint im Blick zu haben, dass wir damit aber nicht so wahllos umgehen dürfen.“Er könne sich noch gut erinnern, dass – etwa in den 50er Jahren – Flächen für die Nahrungsmittelproduktion knapp waren. „Wir kommen noch dahin, dass Nahrungsmittel wieder knapp werden, wenn wir so weitermachen.“
Was German Zink überdies empört: Nicht nur Grünflächen werden zerstört. „Der Biber macht auch Birken- und Fichtenwälder, wenn sie sich in Flussnähe befinden, kaputt. Dann kommt auch noch der Borkenkäfer. Dabei sind doch Bäume eigentlich so wichtig für das Klima.“
Die Kritik Zinks kann Alfred Enderle, schwäbischer Bezirkspräsident des Bayerischen Bauernverbandes (BBV), gut nachvollziehen. „Das Biberproblem hat tatsächlich gewaltig zugenommen“, sagt der Landwirt aus Wertach (Oberallgäu) gegenüber unserer Redaktion. Für die Bauern in Bayern seien die Konsequenzen erheblich, die Flächen würden tatsächlich entwertet. Zumal man im Sinne des Naturschutzes um jeden Baum ringe vor dem Hintergrund des Kohlendioxidausstoßes, „aber wenn der Biber Bäume fällt, ist es auf einmal egal“. Enderle spricht auch von „Enteignung – durch die Hintertür“. Man müsse umdenken – und Gebiete ausweisen, „wo der Biber gern sein dürfe“. Und solche, wo die Landwirtschaft Vorrang habe. „Grund und Boden muss Schutz genießen“, sagt Enderle. Dort müsse man die Zahl der Biber kleiner halten. Aufgelegte Biberzum fonds, die Schäden ausgleichen sollen, reichen nach seiner Kenntnis nicht aus, um die Schäden zu kompensieren.
Das Landratsamt Ostallgäu, an dem die auch für Bidingen zuständige Untere Naturschutzbehörde angesiedelt ist, weist den Vorwurf der „schleichenden Enteignung“zurück, da der Verkauf ja freiwillig erfolge und es sich ohnehin nur um ein Angebot an Landwirte handelte, das diese nicht selten von selbst wollten. „Der Landkreis Ostallgäu wird regelmäßig von Eigentümern vernässter Flächen bezüglich eines möglichen Ankaufs direkt angesprochen“, teilte Pressesprecher Stefan Leonhart gegenüber unserer Redaktion mit.
Bei einem Aufkauf werde dann in der Tat mit dem aktuellen Wert des Areals gearbeitet: „Der Ankauf derartiger Flächen durch den Landkreis erfolgt rein freiwillig und kommt nach üblicher Verkaufsverhandlung zustande. Es werden marktübliche Preise bezahlt, die dem Zustand der Flächen zum Zeitpunkt des Ankaufes entsprechen“, so Sprecher Leonhart.
„Für die im Bereich Bidingen in den vergangenen Jahren angekauften Flächen wurden Preise zwischen 0,36 Euro und 3,50 pro Quadratmeter gezahlt. In den vergangenen Jahren wurden dort insgesamt rund 1,25 Hektar Fläche für einen Durchschnittspreis von 1,55 Euro pro Quadratmeter angekauft.“
Und was passiert dann mit den angekauften Flächen? „Unter anderem macht die Untere Naturschutzbehörde Kaufangebote, um naturschutzfachliche Aufwertungen wie zum Beispiel eine möglichst natürliche Gewässerentwicklung oder Maßnahmen für den Artenschutz vorzunehmen.“
Das Landratsamt verweist zudem darauf, dass – obwohl der Biber streng geschützt ist – durchaus „Entnahmen“vorgenommen werden – wenn etwa die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet werde. Heißt: Der Biber wird dann gefangen oder erschossen. Das passiere auch im Ostallgäu: „Der Landkreis hat 2014 eine Allgemeinverfügung erlassen, mit der die Genehmigung zur Entnahme von Bibern in besonders sensiblen Bereichen gestattet wurde. Bis zum 11. Oktober wurden in diesem Jahr 27 Entnahmen genehmigt. 2020 wurden insgesamt 60 Tiere entnommen, 2019 insgesamt 36.“
Das gelte auch für den gesamten Freistaat, sagt Gerhard Schwab. Er ist für Südbayern zuständiger freiberuflicher Biberberater mit Sitz nahe Straubing – und wird vom Bund Naturschutz, aber letztlich auch über den Bayerischen Naturschutzfond vom Freistaat bezahlt. „Allein im Jahr 2020 wurden in Bayern 2200 Biber entnommen – bei einer Gesamtzahl von etwa 25000.“Es stimme also gar nicht, dass Biber überhaupt nicht abgeschossen werden dürfen. Die Tiere regulieren sich laut Schwab überdies in ihrer Anzahl zum größten Teil selbst – durch ihr Reviersystem, das nicht beliebig erweitert werden kann. Vom Biber überschwemmte Flächen würden im Freistaat im Übrigen nicht nur von der Unteren Naturschutzbehörde, sondern beispielsweise auch von Jagdverbänden, Stiftungen wie etwa der Stiftung Günztal oder vom Bund Naturschutz aufgekauft.
Das Argument, dass es bald keine Flächen mehr zur Nahrungsmittelproduktion gäbe, hält Gerhard Schwab schlicht für Quatsch: „Ein Drittel der Lebensmittelprodukte wird doch bei uns nach wie vor weggeworfen.“Von drohender Knappheit des Essens könne vor diesem Hintergrund also gar keine Rede sein.