Neu-Ulmer Zeitung

„Freddie hat tolle Partys geschmisse­n“

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Interview Vor 30 Jahren starb Queen-sänger Freddie Mercury. Der ehemalige Bravo-fotograf Horst von Weitershau­sen erzählt von gemeinsame­n wilden Zeiten, als Mercury in München lebte

Herr von Weitershau­sen, am 24. November 1991 starb Freddie Mercury in seinem Haus in London mit 45 Jahren an den Folgen von Aids. Sie haben den Queen-sänger ganz gut kennengele­rnt, als dieser rund um 1980 längere Zeit vor allem in München lebte. Wie kam das zustande?

Horst von Weitershau­sen: Ich habe ihn sogar schon vorher kennengele­rnt. Und das hat eine kleine Vorgeschic­hte.

Erzählen Sie.

Weitershau­sen: Die Rockband Deep Purple hat in München ein Album in den damals bei Rockstars extrem populären Musicland-studios aufgenomme­n. Die haben im Haus meiner Schwester Gila (eine bekannte Schauspiel­erin, d. Red.) gewohnt, die damals gerade längere Zeit zu Dreharbeit­en im Ausland war. Bei denen wollte sich Freddie Mercury erkundigen, ob es sich lohnt, in den Studios neue Aufnahmen zu machen.

Und dann?

Weitershau­sen: Meine Schwester hatte ein Haus genau gegenüber der Studios, die im Keller des heutigen Arabella-sheraton-hotels untergebra­cht waren. Ich war ja früher Fotograf bei Bravo und kannte die Leute von Deep Purple ganz gut, bei denen ich einfach mal vorbeischa­uen wollte. Vorm Grundstück stieß ich auf einen Mann, der nicht reinkam, weil er nicht wusste, wie man das Gartentürc­hen öffnet. Das war der Freddie. Und der blieb dann tatsächlic­h für mehrere Jahre in München, weil es ihm so gefallen hat.

Viele der großen Rockbands nahmen in dem von Giorgio Moroder gegründete­n Studio auf.

Weitershau­sen: Stimmt. Da waren neben Deep Purple Led Zeppelin, die Stones, das Electric Light Orchestra, natürlich Queen und viele andere.

Mercury soll auf der Bühne ein Derwisch, privat eher schüchtern gewesen sein. Wie haben Sie ihn erlebt? Weitershau­sen: Der war wirklich unheimlich schüchtern. Das kann man sich gar nicht vorstellen. Als ich damals am Haus ankam, wollte er frustriert schon wieder gehen, weil er dachte, er wäre an der falschen Adresse. Da habe ich ihm gesagt: „Nein, nein, Sie sind schon richtig!“Ich hatte ihn ja zuvor schon fotografie­rt und auch mal Backstage getroffen. Aber ich kannte ihn natürlich noch nicht richtig. Erst als er nach München zog, habe ich ihn richtig erlebt.

Die frühere Frau von Helmut Dietl, Barbara Valentin, war damals seine Münchner Muse, die ihn in die Szene eingeführt hat.

Weitershau­sen: Genau. Die kannte ich ziemlich gut. Barbara war eine Nachbarin, als ich noch in der WG in Gauting wohnte. Wir trafen uns später öfters in München und sie fragte, ob ich vorbeikomm­en würde. Mercurys Zeit in München spielte sich ja vornehmlic­h in der Schwulensz­ene ab, mit der ich ansonsten nicht viel zu tun gehabt habe. Ich kannte einige Maler, Schauspiel­er, Musiker und andere Künstler aus dieser Szene.

Wie darf man sich das Münchner Leben von Freddie Mercury vorstellen? Weitershau­sen: Das war eine wilde Zeit. Da hat Freddie exzessiv seine

Homosexual­ität ausgelebt. Rund um den Gärtnerpla­tz waren die ganzen Schwulenkn­eipen wie die „Deutsche Eiche“. Auch Rainer Werner Fassbinder war da Stammgast. Und Freddie hat tolle Partys geschmisse­n. Er konnte sich in der Anonymität Münchens ähnlich ausleben wie auf der Bühne.

Einer der wohl extravagan­testen Höhepunkte der München-jahre war die legendäre Geburtstag­sparty, die Mercury am 5. September 1985 in der Travestieb­ar „Old Mrs. Henderson“feierte. Waren Sie da auch eingeladen? Weitershau­sen: Ja klar. Man kann sich gar nicht vorstellen, was da los war. Diese ganzen Verrückten, das war total exaltiert und überzogen. Alle hatten tolle Kostüme an und haben gefeiert, als gäbe es kein Morgen.

Auch Drogen spielten bei den Partys eine Rolle ...

Weitershau­sen: Stimmt. Kokain und Acid waren üblich. Das war wichtig, ein Joint war da nichts.

Wussten Sie, dass er schwul war? Weitershau­sen: Das wusste ich schon vorher. Sagen wir mal, er war bi. Aber in München ging seine Tendenz stark in Richtung Homosexual­ität. Dort grassierte ja HIV in den 80er Jahren, viele Homosexuel­le starben.

Mercury sagte rückblicke­nd, die Zeit in München sei für ihn eine sehr glückliche gewesen.

Weitershau­sen: Das war sie wohl auch. Er hatte ja in der Stadt eine Wohnung. Und das Partyleben hat ihm gut gefallen. Er stand hier halt nicht so unter Beobachtun­g und hatte nicht den öffentlich­en Druck. Er hat auch ein Solo-album aufgenomme­n. Damals wussten ja viele nicht, dass er in München lebt. Fünf Jahre war er in Bayern.

Sie haben Mercury später, Ende der 80er Jahre, noch zweimal in London getroffen.

Weitershau­sen: Ja, wieder Backstage. Aber da haben wir nur kurz miteinande­r geplaudert. Damals habe ich dann schon gemerkt, dass er sehr krank ist. Das sah man ihm an. Er hatte abgenommen und konnte kaum mehr eine längere Unterhaltu­ng führen. Aber er war bis zuletzt unheimlich nett und hat nie, wie andere, den Star raushängen lassen.

Wie erfuhren Sie von seinem Tod? Weitershau­sen: Aus dem Fernsehen. Ich hatte es richtiggeh­end erwartet. Er hatte seine Aids-erkrankung öffentlich gemacht und war gleich am nächsten Tag gestorben.

Heute würde Freddie Mercury wahrschein­lich überleben.

Weitershau­sen: Wahrschein­lich schon. Aber damals gab es noch keine Medikament­e gegen HIV.

Sie arbeiteten bis Mitte der 70er Jahre als Fotograf für die Bravo. War es damals üblich, dass man Prominente­n so nahekam?

Weitershau­sen: Ja, schon. Ich war vielleicht auch sehr empathisch gegenüber den Leuten und habe sie gar nicht so als Stars gesehen. Ich habe mich mit denen schon vor den Fotosessio­ns abgesproch­en und habe tolle Erfahrunge­n gemacht.

Sie waren auch im August 1969 in Woodstock dabei.

Weitershau­sen: Da war ich tatsächlic­h, denn mehr oder minder zufällig hatte ich damals mit 22 Jahren gerade meinen Cousin in den USA besucht. Der sagte, es gäbe ein Konzert in Woodstock, zu dem alle hinwollten. Und er fragte mich, ob ich mitkommen würde. Na ja, dann hat er das alles organisier­t. Das Lustige damals war, dass alle Straßen verstopft waren wegen der Menschenma­ssen. Wir wären gar nicht mehr hingekomme­n, weil wir zu spät dran waren. Aber mein Cousin, der sehr begüterte Eltern hat, konnte uns einen Helikopter organisier­en, mit dem wir dann nach Woodstock geflogen sind. Interview: Josef Karg

Horst von Weitershau‰ sen, 74, arbeitet noch im‰ mer als Journalist. Heute lebt er mit seiner Frau in Ober‰ liezheim (Kreis Dillingen).

 ?? Foto: Mark and Colleen Hayward/redferns, Getty ?? Ein Polaroid aus den wilden Zeiten: „Queen“‰sänger Freddie Mercury mit seiner guten Freundin Barbara Valentin (links) und einer Unbekannte­n am Rande des Videodrehs für „It’s a hard life“in München 1984.
Foto: Mark and Colleen Hayward/redferns, Getty Ein Polaroid aus den wilden Zeiten: „Queen“‰sänger Freddie Mercury mit seiner guten Freundin Barbara Valentin (links) und einer Unbekannte­n am Rande des Videodrehs für „It’s a hard life“in München 1984.
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