Unsicherheit über das Triageteam
Corona Wegen der vollen Intensivstationen wird es ernst – und alle hoffen, dass es doch nicht so schlimm kommt. Unterdessen kommen die Hausärzte mit dem Impfen nicht mehr nach
Landkreis Neuulm Die Nachricht sorgte am Wochenende für Aufsehen: Die Kliniken des Landkreises Neu-ulm bereiten sich auf die Triage vor. Doch wie weit sind die Vorbereitungen wirklich gediehen? Jetzt wurden erste Details bekannt. Was viele Menschen ebenfalls beschäftigt: Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat überraschend den Biontech-impfstoff rationalisiert. Das wiederum bringt die Hausärzte in Bedrängnis – und auch in Rage.
In Neu-ulm stehen die Vorbereitungen für das Triage-team noch ganz am Anfang, versichert Edeltraud Braunwarth, Sprecherin der Kreisspitalstiftung: „Es ist noch keine Entscheidung gefällt worden, wie das realisiert wird“, sagte sie am Montag auf Nachfrage unserer Redaktion. Gerade am Montagvormittag sei im kleinen Kreis noch einmal gründlich darüber gesprochen worden. Es sei noch gar nicht sicher, wie sich das Team zusammensetzen soll. Und selbst, wenn das geklärt sei, stehe noch nicht fest, ab wann es seinen Einsatz beginnt. Am besten kenne einen schwer erkrankten Patienten immer noch der behandelnde Arzt. Es werden allerdings täglich von den Medizinern Entscheidungen getroffen, wie jemand zu behandeln sei. Man stehe bei dem Thema noch ganz am Anfang.
Stefan Tamasett, der koordinierende Arzt des Landkreises Neuulm, erklärte, das angepeilte Triage-team soll nicht allein im Kreis aktiv sein, sondern im gesamten Bereich der Rettungsleitstelle Donauiller in Krumbach. Die ist zuständig für die Kreise Neu-ulm, Günzburg, Unterallgäu und die Stadt Memmingen. Es sei ja nicht sinnvoll, so Tamasett, wenn bei der Kreisspitalstiftung entschieden werden müsse, wer noch eine Intensivbehandlung bekommen soll und wer nicht, wenn etwa im Raum Günzburg noch Behandlungsbetten zur Verfügung stünden. Ohnehin sei die Triage nur das allerletzte Mittel, wenn Erkrankte nicht mehr in andere Regionen verlegt werden können – und das werden sie derzeit. „Das Rote Kreuz ächzt und stöhnt“, sagt Tamasett, denn das müsse die Patienten derzeit sehr weit fahren, nicht selten seien stundenlange Transporte nötig.
Wann muss entschieden werden, wer noch eine Behandlung bekommt und wer nicht? Tamasett gibt ein Beispiel: Wenn etwa zwei schwer erkrankte Patienten gleichzeitig eingeliefert werden, aber nur noch für einen ein Intensivbett gefunden werden könne, dann müsse das Triage-team abwägen, für wen die Behandlung infrage kommt und wer nur noch eine Palliativ-betreuung erhält, also eine Art erleichternde Sterbebegleitung. Wie Tamasett erklärt, befinden sich derzeit auf den Intensivstationen Menschen im Alter um die 50 Jahre, die wesentlich länger liegen, als die in der Regel hochbetagten, weniger robusten Patienten der ersten Welle. Deshalb dauert es länger, bis Betten wieder frei sind. Er hofft, „dass wir die Triage nie brauchen werden“.
In einem Brief an die Ärzte der Region hatte Tamasett zusammen mit Landrat Thorsten Freudenberger (CSU) und Dr. Peter Czermak als Ärztlichem Leiter der Impfzentren an die medizinischen Kolleginnen und Kollegen appelliert, „dass sie dazu beitragen, den stationären Bereich zu schonen und Maßnahmen unterstützen, die das Infektionsgeschehen positiv beeinflussen“. Damit sollten die Mediziner motiviert werden, mehr Impfstoff zu bestellen als bisher und mehr zu impfen, wie Landrat Freudenberger auf Nachfrage sagte. Das Impfzentrum und die mobilen Teams können den derzeitigen Andrang nicht mehr bewältigen, obwohl sie ihr Angebot deutlich ausgeweitet haben.
Viele Hausärzte hatten in den vergangenen Monaten wegen geringer Nachfrage das Impfen eingedr. stellt. Jetzt werden sie geradezu überrannt, vor allem von Menschen, die sich den „Booster“holen wollen. Täglich bekommen 700 bis 1000 Menschen im Kreis in der Praxis ihres Vertrauens Vakzine verabreicht. Dass so mancher Mediziner per Brief motiviert werden muss, hält der Koordinator für absolut geboten, denn die Belastung durch den Verwaltungsaufwand sei sehr hoch. Er selber setzt die Spritzen mittlerweile in seiner Freizeit, so wie andere auch. Dass der Gesundheitsminister am Wochenende überraschend die Rationierung des Biontech-stoffs verkündete, damit nun überwiegend Moderna in die Spritzen gelangt, sorgt für zusätzlichen Ärger. Tamasett: „Wir kommen jetzt schon nicht hinterher – und dann legt uns Spahn ein solches Ei.“
Nun müssten nicht nur sehr viele Patientenfragen beantwortet, sondern auch die Organisation umgestellt werden. Da sich aus einem Biontech-fläschchen sieben Spritzen füllen lassen, wurden die Patientinnen und Patienten in Siebenergruppen einbestellt. Bei Drittimpfungen mit Moderna ergibt eine Flasche 20 Dosen, die nacheinander verabreicht werden müssen. Tamasett kritisiert, dass Spahns Entscheidung völlig unabgesprochen verkündet wurde. Die Ärzte müssen das nun ausbaden – „und die Patienten sind total verunsichert“.
Triage sei das allerletzte Mittel, heißt es