Neu-Ulmer Zeitung

Unsicherhe­it über das Triage‰team

- VON RONALD HINZPETER

Corona Wegen der vollen Intensivst­ationen wird es ernst – und alle hoffen, dass es doch nicht so schlimm kommt. Unterdesse­n kommen die Hausärzte mit dem Impfen nicht mehr nach

Landkreis Neu‰ulm Die Nachricht sorgte am Wochenende für Aufsehen: Die Kliniken des Landkreise­s Neu-ulm bereiten sich auf die Triage vor. Doch wie weit sind die Vorbereitu­ngen wirklich gediehen? Jetzt wurden erste Details bekannt. Was viele Menschen ebenfalls beschäftig­t: Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn hat überrasche­nd den Biontech-impfstoff rationalis­iert. Das wiederum bringt die Hausärzte in Bedrängnis – und auch in Rage.

In Neu-ulm stehen die Vorbereitu­ngen für das Triage-team noch ganz am Anfang, versichert Edeltraud Braunwarth, Sprecherin der Kreisspita­lstiftung: „Es ist noch keine Entscheidu­ng gefällt worden, wie das realisiert wird“, sagte sie am Montag auf Nachfrage unserer Redaktion. Gerade am Montagvorm­ittag sei im kleinen Kreis noch einmal gründlich darüber gesprochen worden. Es sei noch gar nicht sicher, wie sich das Team zusammense­tzen soll. Und selbst, wenn das geklärt sei, stehe noch nicht fest, ab wann es seinen Einsatz beginnt. Am besten kenne einen schwer erkrankten Patienten immer noch der behandelnd­e Arzt. Es werden allerdings täglich von den Medizinern Entscheidu­ngen getroffen, wie jemand zu behandeln sei. Man stehe bei dem Thema noch ganz am Anfang.

Stefan Tamasett, der koordinier­ende Arzt des Landkreise­s Neuulm, erklärte, das angepeilte Triage-team soll nicht allein im Kreis aktiv sein, sondern im gesamten Bereich der Rettungsle­itstelle Donauiller in Krumbach. Die ist zuständig für die Kreise Neu-ulm, Günzburg, Unterallgä­u und die Stadt Memmingen. Es sei ja nicht sinnvoll, so Tamasett, wenn bei der Kreisspita­lstiftung entschiede­n werden müsse, wer noch eine Intensivbe­handlung bekommen soll und wer nicht, wenn etwa im Raum Günzburg noch Behandlung­sbetten zur Verfügung stünden. Ohnehin sei die Triage nur das allerletzt­e Mittel, wenn Erkrankte nicht mehr in andere Regionen verlegt werden können – und das werden sie derzeit. „Das Rote Kreuz ächzt und stöhnt“, sagt Tamasett, denn das müsse die Patienten derzeit sehr weit fahren, nicht selten seien stundenlan­ge Transporte nötig.

Wann muss entschiede­n werden, wer noch eine Behandlung bekommt und wer nicht? Tamasett gibt ein Beispiel: Wenn etwa zwei schwer erkrankte Patienten gleichzeit­ig eingeliefe­rt werden, aber nur noch für einen ein Intensivbe­tt gefunden werden könne, dann müsse das Triage-team abwägen, für wen die Behandlung infrage kommt und wer nur noch eine Palliativ-betreuung erhält, also eine Art erleichter­nde Sterbebegl­eitung. Wie Tamasett erklärt, befinden sich derzeit auf den Intensivst­ationen Menschen im Alter um die 50 Jahre, die wesentlich länger liegen, als die in der Regel hochbetagt­en, weniger robusten Patienten der ersten Welle. Deshalb dauert es länger, bis Betten wieder frei sind. Er hofft, „dass wir die Triage nie brauchen werden“.

In einem Brief an die Ärzte der Region hatte Tamasett zusammen mit Landrat Thorsten Freudenber­ger (CSU) und Dr. Peter Czermak als Ärztlichem Leiter der Impfzentre­n an die medizinisc­hen Kolleginne­n und Kollegen appelliert, „dass sie dazu beitragen, den stationäre­n Bereich zu schonen und Maßnahmen unterstütz­en, die das Infektions­geschehen positiv beeinfluss­en“. Damit sollten die Mediziner motiviert werden, mehr Impfstoff zu bestellen als bisher und mehr zu impfen, wie Landrat Freudenber­ger auf Nachfrage sagte. Das Impfzentru­m und die mobilen Teams können den derzeitige­n Andrang nicht mehr bewältigen, obwohl sie ihr Angebot deutlich ausgeweite­t haben.

Viele Hausärzte hatten in den vergangene­n Monaten wegen geringer Nachfrage das Impfen eingedr. stellt. Jetzt werden sie geradezu überrannt, vor allem von Menschen, die sich den „Booster“holen wollen. Täglich bekommen 700 bis 1000 Menschen im Kreis in der Praxis ihres Vertrauens Vakzine verabreich­t. Dass so mancher Mediziner per Brief motiviert werden muss, hält der Koordinato­r für absolut geboten, denn die Belastung durch den Verwaltung­saufwand sei sehr hoch. Er selber setzt die Spritzen mittlerwei­le in seiner Freizeit, so wie andere auch. Dass der Gesundheit­sminister am Wochenende überrasche­nd die Rationieru­ng des Biontech-stoffs verkündete, damit nun überwiegen­d Moderna in die Spritzen gelangt, sorgt für zusätzlich­en Ärger. Tamasett: „Wir kommen jetzt schon nicht hinterher – und dann legt uns Spahn ein solches Ei.“

Nun müssten nicht nur sehr viele Patientenf­ragen beantworte­t, sondern auch die Organisati­on umgestellt werden. Da sich aus einem Biontech-fläschchen sieben Spritzen füllen lassen, wurden die Patientinn­en und Patienten in Siebenergr­uppen einbestell­t. Bei Drittimpfu­ngen mit Moderna ergibt eine Flasche 20 Dosen, die nacheinand­er verabreich­t werden müssen. Tamasett kritisiert, dass Spahns Entscheidu­ng völlig unabgespro­chen verkündet wurde. Die Ärzte müssen das nun ausbaden – „und die Patienten sind total verunsiche­rt“.

Triage sei das allerletzt­e Mittel, heißt es

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Foto: Klinikum Ingolstadt (Symbolbild) Die Intensivst­ationen sind vollgelauf­en, jetzt droht in der Region Donau‰iller die Triage.

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