2Gplus – und was nun?
Einschränkung In Bayern treten bald neue Corona-maßnahmen für Kulturbetriebe und Veranstaltungen in Kraft.
Was das bedeutet? Nachgefragt beim Theater Neu-ulm, dem Dietrich-theater und bei „Weißenhorn Klassik“
Neuulm Bayern verschärft die Regeln: Um die vierte Corona-welle zu brechen oder zumindest zu bremsen, führt die Landesregierung um Markus Söder neue Maßnahmen ein. Die Vorgaben, die ab Mittwoch, 24. November, gelten sollen, treffen auch das Kultur-leben: Für sämtliche Veranstaltungen im Bereich Kultur und Sport gilt ab dann die 2G-plusregel – Zutritt nur für Geimpfte und Genesene. Und zusätzlich müssen diese auch noch ein aktuelles, negatives Schnelltestergebnis vorweisen. Das ist nicht die einzige Regelverschärfung: Kinobetreiber, Konzertveranstalter, Theater dürfen nur noch 25 Prozent der eigentlich möglichen Besucherzahl zulassen. Während sich also auch im Landkreis Neu-ulm die Intensivstationen füllen und das Landratsamt ein Triageteam organisiert (wir berichteten), fragt sich die Kultur-szene: Wie viel Live-kunst vor Publikum ist in dieser Zeit überhaupt möglich – regelkonform und mit gutem Gewissen?
Fest steht: Corona macht nicht vor der Kunst halt. Das Theater Ulm musste zuletzt eine Premiere absagen. Impfdurchbrüche im Schauspiel-ensemble führten dazu, dass die Premiere der „Vermessung der Welt“im Podium ausfiel – einen neuen Termin hat das Stadttheater noch nicht angekündigt. Die Theaterwerkstatt Ulm verschiebt nun ihre Produktion von Arthur Schnitzlers „Der Reigen“und sagt alle Spieltermine für dieses Jahr ab; die „Reigen“-premiere hätte am 26. November stattgefunden. Einmal Glück im Corona-übel hatte das Musik-festival „Weißenhorn Klassik“: Der Pianist Alexander Melnikov sollte die Konzertreihe eröffnen, musste aber am Vorabend des Auftakts absagen – Corona-test positiv. Doch für ihn sprang sein Tastenkollege Saleem Ashkar spontan ein, er reiste aus Berlin herbei.
Georges-emmanuel Schneider organisiert die Konzertreihe, die im Weißenhorner Fuggerschloss stattfindet. Er sagt: „Wir müssen uns jetzt um ein paar Umstellungen bemühen.“Denn am kommenden Wochenende findet das Finale des Festivals statt, mit zwei Konzert – wohl im 2G-plus-modus. „Wir sind froh, dass wir die letzten Konzerte unseres Festivals noch machen können“, so kommentiert Schneider die Lage. Denn in Hotspot-gebieten, in denen die Inzidenz über 1000 klettert, werden Bühnen, Theater und Konzertsäle wieder geschlossen. Dort geht der Kulturbetrieb abermals in den Lockdown. „Weißenhorn Klassik“hat schon 2020 einen Weg eingeschlagen, solche Krisen zumindest mit einem Konzept zu kontern. Auch in diesem Jahr bietet das Festival die meisten Konzerte zusätzlich als Online-stream an. Hier sind die Plätze unbegrenzt.
Diese Option, einen Kulturabend auch im Netz zu erleben, bietet das Theater Neu-ulm bisher nicht. Die Privatbühne am Petrusplatz peilt stattdessen ihre nächste Premiere an, die vierte in dieser Spielzeit. Die Komödie „Die erfolgreiche Frau“soll am Samstag, 27. November, zum ersten Mal vor Live-publikum über die Bühne gehen. Mit nur 25 Prozent der maximal möglichen Besucherzahl? Also einem Viertel der 80 Sitzplätze? Ja, sagt Heinz Koch, der das Theater gemeinsam mit Claudia Riese leitet. Bei der aktuellen Ticket-bestell-situation sei das machbar, erklärt Koch.
2G gilt schon jetzt am Theater, außerdem hätten in diesem Herbst sowieso fast nur Geimpfte hier Vorstellungen besucht, erzählt Koch. Daher nimmt er das „Plus“zum 2G-modus in Kauf und verweist gleich auf die Möglichkeiten vor Ort. Direkt um die Ecke des Theaters gibt es eine Teststation. „Die testen bis 19.30 Uhr“, weiß Koch. Stäbchen in die Nase, ein paar Minuten warten, dann stünde dem Theaterbesuch theoretisch nichts im Weg.
Trotzdem sieht und betont Heinz Koch den Ernst der Lage, versteht die Sorgen der Vorsichtigen: „Wir halten Abstände ein und wenn es nötig ist, dann funktioniert es eben auch mit Maskenpflicht.“Vor allem aber hoffen Koch und Riese auf Solidarität. Der Theater-chef sagt, er sei frustriert, ja fast sauer, dass sich so viele Menschen ohne triftigen Grund nicht impfen lassen. „Selbst in São Paulo, Brasilien, sind inzwischen 95 Prozent der Menschen mindestens einmal geimpft.“
Genauso aufmerksam verfolgt Roman Sailer die Entwicklung der Pandemie, er ist Chef des Dietrichtheaters in Neu-ulm – einem der größten Multiplex-kinos der Region. „Für unsere Abläufe am Haus würde sich mit 2G-plus nicht viel ändern“, erklärt Sailer. Der 2G-beleg der Besucher und Besucherinnen werde schon jetzt direkt am Kinoeingang kontrolliert. „Das würde also bedeuten, dass wir nur einen weiteren Nachweis prüfen müssen.“
Ruhig und mit Bedacht kommentiert Sailer die Situation – sein Kino spürt aber die Krise. Seit die Infektionszahlen wieder rapide steigen, gehen die Ticketverkäufe laut Sailer zurück. Daher würde die 25-Prohier zent-regel sein Haus zwar aktuell nicht besonders hart treffen. „Damit könnten wir aktuell leben“, sagt Sailer. Aber: „In der Saison vor Weihnachten sind die Kinosäle eigentlich voll.“Die Hochsaison würde in normalen Jahren bald beginnen.
Auch Sailer äußert den Wunsch und die Hoffnung, dass sich noch viel mehr Menschen impfen und „boostern“lassen. Aber seine Kritik richtet er auch direkt an die Politik: „Was uns besonders schlaucht, ist, dass es keine einheitlichen bundesweiten Regeln für Kinos gibt.“Manchmal erfahre er von Regeländerungen erst am Abend, bevor diese in Kraft treten, erklärt der Dietrichchef. „Es gibt in der politischen Debatte zu viele Extrawünsche. Das führt dazu, dass Menschen nicht wissen, welche Regeln gelten.“Und das löse Trotz aus und gefährde den gesellschaftlichen Zusammenhalt. „Das Verständnis für die kritische Lage wird durch diese Extrawürste untergraben. Was wir bräuchten, wären klare, einfach Vorgaben.“