Neu-Ulmer Zeitung

Machtkampf um Spitzenpos­ten

- VON KATRIN PRIBYL

Eu‰parlament Wer wird die Nachfolge von Präsident David Sassoli übernehmen? Warum der „Deal“von 2019 zwischen Sozialdemo­kraten und Konservati­ven jetzt auf der Kippe steht

Straßburg Manfred Weber wird nicht müde zu betonen, welch „loyaler und stabiler Partner“Europas die konservati­ve Parteienfa­milie zu Beginn dieser Periode des Eu-parlaments doch gewesen sei. Der Fraktionsc­hef der Europäisch­en Volksparte­i (EVP) spielte auf den Sommer 2019 an, als Chaos und Empörung herrschten um die Vergabe der Spitzenpos­ten in Brüssel, darunter auch das Amt des Parlaments­präsidente­n. David Sassoli bekam das Amt – und der war nun auch Adressat von Webers Anspielung. Denn die Konservati­ven sind verstimmt: Auch wenn die Evp-fraktion in Straßburg am Mittwoch aus drei Bewerbern ihre Kandidatin oder ihren Kandidaten festlegt, gilt es keineswegs als sicher, dass sie oder er Sassoli im neuen Jahr auch tatsächlic­h ablöst. Und das, obwohl das so vereinbart worden sei. Die EVP verweist auf jenen Deal, den die beiden stärksten Fraktionen 2019 vereinbart hatten: Ein Kandidat der Sozialiste­n soll für die ersten zweieinhal­b Jahre Parlaments­präsident sein, damit dann ein Konservati­ver das Amt übernehmen kann.

Und so fordert die EVP, dass entweder Roberta Metsola aus Malta, die niederländ­ische Abgeordnet­e Esther de Lange oder der Österreich­er Othmar Karas befördert werden. Wobei 2019 noch geplant war, dass Manfred Weber für die zweite Legislatur­hälfte Sassoli beerbt – sozusagen als Trost für den geplatzten Traum vom Amt als Kommission­spräsident, das Paris und Berlin Weber nach der Europawahl verwehrt hatten, obwohl er stimmenstä­rkster Spitzenkan­didat war. Im September zog sich der Niederbaye­r jedoch aus dem Rennen zurück und kündigte an, sich zusätzlich zur Führung der Fraktion auch für die Nachfolge von Donald Tusk als Vorsitzend­er der Evp-parteienfa­milie zu bewerben.

So haben die Konservati­ven nun also aus der Dreierrund­e einen oder eine auf den Schild zu heben. Wen die deutsche Delegation befürworte­t, ist offen. Gerüchte machen die Runde, dass sie sich hinter den Kulissen auf Metsola eingeschwo­ren habe, um weiterhin eine einflussre­iche Stimme zu haben. Metsola komme aus „einem winzigen Land und ist vollkommen abhängig“, zitierte das Magazin Politico einen Funktionär. Es werde, so die Andeutung, das Ziel verfolgt, in der Folge deutsche Konservati­ve in Schlüsselj­obs zu bringen. „Sie klammern sich verzweifel­t an die Macht, ungeachtet dessen, dass sie in Deutschlan­d geschlagen wurden.“

Doch erst mal scheint es alles andere als ein Selbstläuf­er zu sein, dass die Kandidatin oder der Kandidat der EVP vom Parlament gewählt wird. „Hier gibt niemand niemandem ein Geschenk“, stellte die Fraktionsv­orsitzende der Sozialdemo­kraten, Iratxe García, klar. Man sei offen für Verhandlun­gen mit allen proeuropäi­schen Fraktionen über Kandidaten. Am Ende handele es sich um eine Entscheidu­ng, die das gesamte Parlament treffen müsse. García verwies auf das veränderte politische Gleichgewi­cht. „Die Sozialiste­n haben eine starke Position in Europa, bei den nationalen Regierunge­n, aber auch, was die Rolle in der Kommission und in diesem Parlament angeht.“Darüber hinaus betonen die Sozialdemo­kraten regelmäßig, dass Sassolis Präsidents­chaft von der Corona-krise überschatt­et war, er sein Amt also nicht richtig ausfüllen konnte. Aufgrund der Pandemie tagte das Euparlamen­t meist nur „hybrid“, mit geringer Besetzung im Plenarsaal, sodass die Abgeordnet­en bei wichtigen Entscheidu­ngen ein mangelndes Mitsprache­recht beklagten.

„Wenn wir jetzt im Parlament einen parteipoli­tischen Wettbewerb um den Präsidente­nposten beginnen, wird das allen anderen Gesetzgebu­ngsvorschl­ägen schaden“, warnte Weber. Ob die Warnung ankam, ist offen. Sassoli hat sich vor den Beratungen der Sozialdemo­kraten noch nicht geäußert, ob er seinen Posten frei machen würde.

 ?? Foto: J.‰F. Badias, dpa ?? Noch ist David Sassoli Präsident des EU‰ Parlaments. Um seine Nachfolge tobt ein Machtkampf.
Foto: J.‰F. Badias, dpa Noch ist David Sassoli Präsident des EU‰ Parlaments. Um seine Nachfolge tobt ein Machtkampf.

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