Neu-Ulmer Zeitung

Motivation­shilfe für die Müllabfuhr

- VON JULIUS MÜLLER‰MEININGEN

Kommunalwi­rtschaft Rom versinkt im Müll – wieder einmal. Der neue Bürgermeis­ter Roberto Gualtieri hat sich nun etwas überlegt, um die Abfall-krise in den Griff zu bekommen. Doch bei der Umsetzung hakt es

Rom Seit einem Monat ist Roberto Gualtieri neuer Bürgermeis­ter der italienisc­hen Hauptstadt Rom. Gualtieri war schon italienisc­her Finanzmini­ster, Eu-parlamenta­rier und reüssierte als Historiker mit seinen Forschunge­n über die Nachkriegs­geschichte. Sogar Gitarrespi­elen, vor allem Bossa Nova und Klassik, hat der neue „sindaco“im Repertoire, er trat als Jugendlich­er auf der Straße auf. Eine beachtlich­e Karriere, angesichts derer manche sich fragen, warum der Mann sich so ein Amt antut. Rom gilt als unregierba­r, nicht nur bei Fatalisten.

Der eher bedächtige Gualtieri nahm seinen Job voller Elan auf. Zum Amtsantrit­t im Oktober versprach der 55-Jährige: „Rom wird bis Weihnachte­n sauber sein.“Gualtieri bezog sich auf die ewige Müll-krise der Hauptstadt, die seit Wochen wieder im Abfall versinkt. Überall liegt Müll herum, die Tonnen quellen über. Der neue Bürgermeis­ter vom Partito Democratic­o erkannte, dass ein großes Reinemache­n nicht nur notwendig ist, sondern auch einen guten Start für ihn in dieser Drei-millionen-einwohner-stadt bedeuten könnte. Der 55-Jährige ließ eine Sonderputz­aktion starten, Rasenmähen in Parks und Gully-säuberunge­n inklusive, und stellte 40 Millionen Euro zur Verfügung. Jetzt hat er noch einen Monat zur Erfüllung des Verspreche­ns. Ganz sicher wird es knapp.

Damit Gualtieri nicht gleich als der nächste Hochstaple­r in die Geschichte der Stadt eingeht, müssen alle Müllmänner und -frauen der Stadt beim Saubermach­en mithelfen. 4000 „netturbini“hat die Stadt nominell. Durchschni­ttlich sind aber 15 Prozent der Beschäftig­ten des städtische­n Entsorgung­sunternehm­ens Ama krankgesch­rieben. „Assenteism­o“heißt das Phänomen in Italien. Man könnte es mit „Blaumachen“übersetzen. Die Stadt will nun diejenigen belohnen, die sich von diesem Virus nicht anstecken lassen, das hat die Gewerkscha­ft in Verhandlun­gen durchgeset­zt.

Das Ergebnis: 360 Euro extra bekommen die Müll-leute, die bis Januar in Extraschic­hten mithelfen und keinen einzigen Tag fehlen. 260 Euro erhält, wer maximal drei Tage nicht zur Arbeit erscheint. Und 200

sind es für alle, die maximal fünf Tage fehlen. Offiziell krankheits­bedingt wohlgemerk­t, entschuldi­gt per Attest. Die Bonuszahlu­ngen in Höhe von insgesamt drei Millionen Euro dienen zur „Förderung der Präsenz“, heißt es in dem Plan. Andernorts werden die Schwänzer drakonisch bestraft, in Rom werden die Arbeitswil­ligen belohnt. Als „ehrliche Korruption“bezeichnet­e La Repubblica die Methode. Der Bonus ist erfolgsgeb­un(pd) den. Nur wenn Rom sauber ist und die Schwänzerq­uote um zehn Prozent sinkt, soll das Geld gezahlt werden.

Die Putzaktion ging eigentlich vielverspr­echend los, kam aber jäh ins Stocken. Eine Müllverbre­nnungsanla­ge im Umland havarierte. Die Notdeponie im Osten der Stadt lief voll. 60 Müllautos standen Schlange. Ein Streik der Müllabfuhr gab der Stadt den Rest, die bisher schon einen Großteil ihres Hauseuro mülls nach Modena, Bozen, Österreich und Deutschlan­d entsorgt. 180 Lkw täglich transporti­eren einen Teil der 4700 von den Römern produziert­en Tonnen Hausmüll in Richtung Norden. Dafür zahlt Rom 150 Millionen Euro im Jahr. Eigene Verbrennun­gsanlagen hat die Stadt nicht und sind wegen der Bürgerprot­este auch nicht geplant.

Alles begann, als 2013 die illegale Großdeponi­e Malagrotta schließen musste und Rom nicht mehr wusste, wohin mit seinem Müll. Alle Versuche, die Mülltrennu­ng zu fördern, schlugen fehl. Rom ist stärker als sein Bürgermeis­ter, das zeigt sich auch jetzt wieder. Gualtieri hat sein Verspreche­n bereits abgeschwäc­ht: „Ich bin mir sicher, dass Rom an Weihnachte­n sauberer sein wird, als wir die Stadt vorgefunde­n haben.“

Seine abgewählte Vorgängeri­n Virginia Raggi von der Fünf-sterne-bewegung war ebenfalls nicht imstande, die Probleme der Hauptstadt auch nur ansatzweis­e zu lösen. Wetten auf den Säuberungs­wettlauf Gualtieris werden in Rom nicht mehr angenommen. Die fatalistis­chen Römer sind sich sicher, dass die Stadt trotz aller Verspreche­n auch zu Weihnachte­n, wenn besonders viel Unrat produziert wird, im Müll versinken wird.

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Fotos: Cecilia Fabiano, dpa So sieht es in vielen Straßen Roms aus: Müllberge türmen sich. Wieder einmal nimmt ein Bürgermeis­ter den Kampf auf.
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Roberto Gualtieri

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