Warum Kuka bald von der Börse verschwindet
Hintergrund Bei der Übernahme des Augsburger Roboterbauers im Jahr 2016 hat der chinesische Investor versprochen, die Aktien weiter im Handel zu lassen. Nun passiert das Gegenteil – und die Arbeitnehmervertreter sind einverstanden
Augsburg Die deutsch-chinesischen Beziehungen sind enorm wichtig, aber auch sehr sensibel. Das gilt ganz besonders im Fall Kuka. Die Übernahme des Augsburger Roboterund Anlagenbauers durch den chinesischen Haushaltsgerätekonzern Midea im Jahr 2016 hat einer unterschwelligen Angst vor einem Ausverkauf der deutschen Wirtschaft an finanzstarke chinesische Investoren quasi ein Gesicht gegeben. In der Folge haben die deutsche und die europäische Politik an Regeln gefeilt, um bei entsprechenden Übernahmen wirksamer einschreiten zu können.
Im Umkehrschluss war aber auch Midea bemüht, alle deutschen Sorgen vor einem Abfließen von Technologie und einer Zerschlagung von Kuka zu entkräften. Ihren Niederschlag gefunden haben diese Bemühungen in einer Investorenvereinbarung, die Kuka 2016 mit Midea unterzeichnet hat. Darin hat Midea unter anderem Standort- und Jobgarantien gegeben und versichert, dass keine Geschäftsdaten aus dem Unternehmen abfließen werden. Außerdem werde kein Beherrschungsvertrag geschlossen, das heißt, das Kuka-management bleibt auf dem Papier frei in seinen Entscheidungen.
Nun sind einige Jahre vergangen und die Kuka-beschäftigten mussten die bittere Erfahrung machen, dass trotz dieser Zusagen viele Arbeitsplätze weggefallen sind, weil das Unternehmen in eine Krise geraten war. Am Dienstag hat Kuka in einer Ad-hoc-mitteilung angekündigt, dass zumindest ein Teil der Investorenvereinbarung von 2016 bald offiziell hinfällig sein dürfte: Die nächste Hauptversammlung im Mai 2022 soll beschließen, dass Kuka im Rahmen eines sogenannten Squeeze-out die verbliebenen Minderheitsaktionäre hinausdrängt und das Unternehmen im Anschluss von der Börse genommen wird.
Einen entsprechenden Beschluss hat der Aufsichtsrat von Kuka nach Informationen unserer Redaktion am Dienstagmorgen einstimmig getroffen. Der Beschluss ist Teil eines Wachstumsplans, den das Unternehmen mit Midea vereinbart hat und der wichtige Weichenstellungen für den Standort Augsburg enthält. Demnach sollen die Investitionen für Forschung und Entwicklung in Augsburg bis 2025 um mindestens 15 Prozent erhöht werden. Augsburg soll zudem bis mindestens 2025 Forschungs- und Entwicklungszentrum für Spitzentechnologien bleiben. Zentrale Innovationsprojekte wie die Entwicklung des Betriebs- und Ecosystems IIQKA sollen hier angesiedelt bleiben. Auch der Produktionsstandort Augsburg wird bis mindestens 2025 garantiert.
Kuka-chef Peter Mohnen sagte unserer Redaktion dazu: „Robotik und Automatisierung sind global unverzichtbar geworden – und wir wollen hier ganz vorne mitspielen: Unser Ziel ist eine führende Rolle in der roboterbasierten Automatisierung bis 2025. Dafür arbeiten wir mit Midea an einer gemeinsamen Strategie und einem gemeinsamen
Wachstumsplan. Dabei berücksichtigen wir natürlich besonders den Augsburger Hauptsitz, wo wir Know-how stärken und ausbauen wollen.“
Vor allem in China, das bislang nur relativ bescheidene 15 Prozent zum Konzerngeschäft beiträgt, will Kuka weiter wachsen. Nach den schmerzhaften Einschnitten der Vergangenheit und dem Einbruch des Geschäfts im Laufe der Coronakrise hatte Kuka zuletzt wieder sehr gute Zahlen vorgelegt. Für 2021 erwartet das Unternehmen laut Mohnen einen Umsatz von rund 3,1 Milliarden Euro und einen Gewinn vor Steuern und Zinsen von rund 60 Millionen Euro.
Kuka-aufsichtsratschef Andy Gu erklärte in einer Mitteilung an unsere Redaktion: „Das ‚A‘ in Kuka wird weiterhin für Augsburg stehen. Und Augsburg steht für Innovation.“Augsburg solle zum Zentrum für Forschung und Entwicklung werden und zur Basis für die Aktivitäten in Europa, Afrika und dem Nahen Osten.
Um das zu erreichen, soll Kuka nun von der Börse genommen werden. Midea hält bereits rund 95 Prozent der Anteile an dem Unternehmen. Die Eigner der restlichen fünf Prozent sollen eine Barabfindung erhalten und aus dem Unternehmen gedrängt werden. Das spart zunächst einmal Kosten: Der administrative Aufwand und die Berichtspflichten, die mit einer Börsennotierung einhergehen, scheinen Kuka angesichts der Mehrheitsverhältnisse unverhältnismäßig. Auch eine Hauptversammlung abzuhalten, kostet Geld. Tatsache ist auch: Die Börsennotierung bringt eine Reihe von Offenlegungspflichten mit sich. Die kann Midea so wohl größtenteils abwerfen.
Aus dem M-dax ist Kuka schon länger herausgefallen: Der Streubesitz und das Handelsvolumen der Papiere sind für eine Verankerung in dem Index zu gering. Kuka braucht die Börse auch nicht, seit der Übernahme durch Midea im Jahr 2016 hat sich das Unternehmen nicht mehr am Kapitalmarkt refinanziert. Dennoch gilt weiterhin: Die deutsch-chinesischen Beziehungen sind sensibel. Daher bekräftigen Kuka und Midea ausdrücklich, dass alle übrigen Zusagen aus der Investorenvereinbarung fortgelten. Die Laufzeit dieser Vereinbarung geht noch bis Ende 2023. Midea sei aber ein langfristig denkender Investor
Vor allem in China sieht das Unternehmen viel Potenzial
Für die Beschäftigten gibt es zwei Jahre mehr Sicherheit
und habe ein Interesse daran, dass Kuka erfolgreich ist.
Auch die Arbeitnehmervertreter tragen den Wachstumsplan mit. Der Augsburger Kuka-betriebsratschef Armin Kolb betont vor allem die Sicherheit für den Standort und die Beschäftigten. Kuka sei wieder auf dem Weg der Erholung. Aber nach dem zurückliegenden Einbruch und der Schwierigkeiten infolge der Corona-krise hätten sich viele Beschäftigte gefragt: Was passiert nach 2023? Der Wachstumsplan biete nun zwei Jahre mehr Sicherheit und ein klares Bekenntnis dazu, dass das Unternehmen sich weiter entwickeln kann. Viele der verbliebenen Kleinaktionäre seien auch Beschäftigte des Unternehmens. Er selbst gehöre auch dazu. „Manchmal muss man loslassen, um etwas Neues auf den Weg zu bringen“, sagte Kolb unserer Redaktion.
Michael Leppek, stellvertretender Vorsitzender des Kuka-aufsichtsrates, wird in einer Mitteilung des Unternehmens zitiert: „Mit der neuen Strategie wurde ein Kompromiss erzielt. Wir geben eine wenig effektive Börsennotierung auf gegen einen gemeinsamen Wachstumsplan und eine Geschäftsvision sowie langfristige Zusagen für Kuka mit dem Schwerpunkt auf Produktion und Technologien. Diese Fokussierung hat Priorität, um die Zukunft von Kuka zu sichern. Ziel der Vereinbarung ist es, den Standort Augsburg und damit die Arbeitsplätze in der Region über das Jahr 2023 hinaus zu schützen.“