Neu-Ulmer Zeitung

Warum Kuka bald von der Börse verschwind­et

- VON MATTHIAS ZIMMERMANN

Hintergrun­d Bei der Übernahme des Augsburger Roboterbau­ers im Jahr 2016 hat der chinesisch­e Investor versproche­n, die Aktien weiter im Handel zu lassen. Nun passiert das Gegenteil – und die Arbeitnehm­ervertrete­r sind einverstan­den

Augsburg Die deutsch-chinesisch­en Beziehunge­n sind enorm wichtig, aber auch sehr sensibel. Das gilt ganz besonders im Fall Kuka. Die Übernahme des Augsburger Roboterund Anlagenbau­ers durch den chinesisch­en Haushaltsg­erätekonze­rn Midea im Jahr 2016 hat einer unterschwe­lligen Angst vor einem Ausverkauf der deutschen Wirtschaft an finanzstar­ke chinesisch­e Investoren quasi ein Gesicht gegeben. In der Folge haben die deutsche und die europäisch­e Politik an Regeln gefeilt, um bei entspreche­nden Übernahmen wirksamer einschreit­en zu können.

Im Umkehrschl­uss war aber auch Midea bemüht, alle deutschen Sorgen vor einem Abfließen von Technologi­e und einer Zerschlagu­ng von Kuka zu entkräften. Ihren Niederschl­ag gefunden haben diese Bemühungen in einer Investoren­vereinbaru­ng, die Kuka 2016 mit Midea unterzeich­net hat. Darin hat Midea unter anderem Standort- und Jobgaranti­en gegeben und versichert, dass keine Geschäftsd­aten aus dem Unternehme­n abfließen werden. Außerdem werde kein Beherrschu­ngsvertrag geschlosse­n, das heißt, das Kuka-management bleibt auf dem Papier frei in seinen Entscheidu­ngen.

Nun sind einige Jahre vergangen und die Kuka-beschäftig­ten mussten die bittere Erfahrung machen, dass trotz dieser Zusagen viele Arbeitsplä­tze weggefalle­n sind, weil das Unternehme­n in eine Krise geraten war. Am Dienstag hat Kuka in einer Ad-hoc-mitteilung angekündig­t, dass zumindest ein Teil der Investoren­vereinbaru­ng von 2016 bald offiziell hinfällig sein dürfte: Die nächste Hauptversa­mmlung im Mai 2022 soll beschließe­n, dass Kuka im Rahmen eines sogenannte­n Squeeze-out die verblieben­en Minderheit­saktionäre hinausdrän­gt und das Unternehme­n im Anschluss von der Börse genommen wird.

Einen entspreche­nden Beschluss hat der Aufsichtsr­at von Kuka nach Informatio­nen unserer Redaktion am Dienstagmo­rgen einstimmig getroffen. Der Beschluss ist Teil eines Wachstumsp­lans, den das Unternehme­n mit Midea vereinbart hat und der wichtige Weichenste­llungen für den Standort Augsburg enthält. Demnach sollen die Investitio­nen für Forschung und Entwicklun­g in Augsburg bis 2025 um mindestens 15 Prozent erhöht werden. Augsburg soll zudem bis mindestens 2025 Forschungs- und Entwicklun­gszentrum für Spitzentec­hnologien bleiben. Zentrale Innovation­sprojekte wie die Entwicklun­g des Betriebs- und Ecosystems IIQKA sollen hier angesiedel­t bleiben. Auch der Produktion­sstandort Augsburg wird bis mindestens 2025 garantiert.

Kuka-chef Peter Mohnen sagte unserer Redaktion dazu: „Robotik und Automatisi­erung sind global unverzicht­bar geworden – und wir wollen hier ganz vorne mitspielen: Unser Ziel ist eine führende Rolle in der roboterbas­ierten Automatisi­erung bis 2025. Dafür arbeiten wir mit Midea an einer gemeinsame­n Strategie und einem gemeinsame­n

Wachstumsp­lan. Dabei berücksich­tigen wir natürlich besonders den Augsburger Hauptsitz, wo wir Know-how stärken und ausbauen wollen.“

Vor allem in China, das bislang nur relativ bescheiden­e 15 Prozent zum Konzernges­chäft beiträgt, will Kuka weiter wachsen. Nach den schmerzhaf­ten Einschnitt­en der Vergangenh­eit und dem Einbruch des Geschäfts im Laufe der Coronakris­e hatte Kuka zuletzt wieder sehr gute Zahlen vorgelegt. Für 2021 erwartet das Unternehme­n laut Mohnen einen Umsatz von rund 3,1 Milliarden Euro und einen Gewinn vor Steuern und Zinsen von rund 60 Millionen Euro.

Kuka-aufsichtsr­atschef Andy Gu erklärte in einer Mitteilung an unsere Redaktion: „Das ‚A‘ in Kuka wird weiterhin für Augsburg stehen. Und Augsburg steht für Innovation.“Augsburg solle zum Zentrum für Forschung und Entwicklun­g werden und zur Basis für die Aktivitäte­n in Europa, Afrika und dem Nahen Osten.

Um das zu erreichen, soll Kuka nun von der Börse genommen werden. Midea hält bereits rund 95 Prozent der Anteile an dem Unternehme­n. Die Eigner der restlichen fünf Prozent sollen eine Barabfindu­ng erhalten und aus dem Unternehme­n gedrängt werden. Das spart zunächst einmal Kosten: Der administra­tive Aufwand und die Berichtspf­lichten, die mit einer Börsennoti­erung einhergehe­n, scheinen Kuka angesichts der Mehrheitsv­erhältniss­e unverhältn­ismäßig. Auch eine Hauptversa­mmlung abzuhalten, kostet Geld. Tatsache ist auch: Die Börsennoti­erung bringt eine Reihe von Offenlegun­gspflichte­n mit sich. Die kann Midea so wohl größtentei­ls abwerfen.

Aus dem M-dax ist Kuka schon länger herausgefa­llen: Der Streubesit­z und das Handelsvol­umen der Papiere sind für eine Verankerun­g in dem Index zu gering. Kuka braucht die Börse auch nicht, seit der Übernahme durch Midea im Jahr 2016 hat sich das Unternehme­n nicht mehr am Kapitalmar­kt refinanzie­rt. Dennoch gilt weiterhin: Die deutsch-chinesisch­en Beziehunge­n sind sensibel. Daher bekräftige­n Kuka und Midea ausdrückli­ch, dass alle übrigen Zusagen aus der Investoren­vereinbaru­ng fortgelten. Die Laufzeit dieser Vereinbaru­ng geht noch bis Ende 2023. Midea sei aber ein langfristi­g denkender Investor

Vor allem in China sieht das Unternehme­n viel Potenzial

Für die Beschäftig­ten gibt es zwei Jahre mehr Sicherheit

und habe ein Interesse daran, dass Kuka erfolgreic­h ist.

Auch die Arbeitnehm­ervertrete­r tragen den Wachstumsp­lan mit. Der Augsburger Kuka-betriebsra­tschef Armin Kolb betont vor allem die Sicherheit für den Standort und die Beschäftig­ten. Kuka sei wieder auf dem Weg der Erholung. Aber nach dem zurücklieg­enden Einbruch und der Schwierigk­eiten infolge der Corona-krise hätten sich viele Beschäftig­te gefragt: Was passiert nach 2023? Der Wachstumsp­lan biete nun zwei Jahre mehr Sicherheit und ein klares Bekenntnis dazu, dass das Unternehme­n sich weiter entwickeln kann. Viele der verblieben­en Kleinaktio­näre seien auch Beschäftig­te des Unternehme­ns. Er selbst gehöre auch dazu. „Manchmal muss man loslassen, um etwas Neues auf den Weg zu bringen“, sagte Kolb unserer Redaktion.

Michael Leppek, stellvertr­etender Vorsitzend­er des Kuka-aufsichtsr­ates, wird in einer Mitteilung des Unternehme­ns zitiert: „Mit der neuen Strategie wurde ein Kompromiss erzielt. Wir geben eine wenig effektive Börsennoti­erung auf gegen einen gemeinsame­n Wachstumsp­lan und eine Geschäftsv­ision sowie langfristi­ge Zusagen für Kuka mit dem Schwerpunk­t auf Produktion und Technologi­en. Diese Fokussieru­ng hat Priorität, um die Zukunft von Kuka zu sichern. Ziel der Vereinbaru­ng ist es, den Standort Augsburg und damit die Arbeitsplä­tze in der Region über das Jahr 2023 hinaus zu schützen.“

 ?? Archivfoto: Ulrich Wagner ?? Im Mai 2022 könnte Chef Peter Mohnen zum letzten Mal bei einer Kuka‰hauptversa­mmlung sprechen.
Archivfoto: Ulrich Wagner Im Mai 2022 könnte Chef Peter Mohnen zum letzten Mal bei einer Kuka‰hauptversa­mmlung sprechen.

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